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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Einschmelzen, theils zum Umstempeln zu verwenden Pflegte. Diese Werkstatt,
welche namentlich während der Belagerung von Perusia in Thätigkeit war,
(die Hypothese Mommsen's von einer zweiten Belagerung Asculums während
des perusinischen Krieges ist ein Phantasiebild) ist in neuester Zeit wieder
aufgefunden worden, die alten Geschosse mögen zum Theil in den Handel
gekommen sein, (die Bonner Sammlung und die echten Stücke der Pariser
Collectio" werden zum Theil daher stammen) der übrigen sowie des Arbeits¬
apparats bemächtigte sich ein Fälscher, um mit Hülfe der antiken Stempel
andere Exemplare anzufertigen. Ob diese Fabrik ganz neue Geschosse produ-
cirt hat, steht dahin, vorzugsweise scheint sie alte Bleieicheln umgestempelt zu
haben. Die Sache war einfach: man brauchte nur der neuen Aufschrift, deren
Züge den echten Geschossen täuschend ähnlich waren, ein alterthümliches Aus¬
sehen zu geben, und die Palma, wenn sie durch die Neuprägung gelitten
hatte, wieder herzustellen konnte für Fälscher nicht allzu schwierig sein. Wo
die Fabrik sich mit einem Stempel begnügte, oder wo Avers und Revers
nicht geradezu im Widerspruch zu einander stehen, wird es schwer halten,
diese neuen Fabrikate von den alten und echten Stücken zu unterscheiden.
Wo sie dagegen unvereinbare Stempel combinirt, ist es leicht, den Betrug
zu entlarven, wie bei den Exemplaren mit dem Namen des Paaptus: die
Fabrik besaß eben nur diesen einen oskischen Stempel und suchte den seltnen
Fund möglichst zu verwerthen."

Das Resultat der Belgischen Untersuchung läuft also in dieser Hinsicht
auf Folgendes hinaus: 1) In Ascoli kommt vor 1853 eine antike Gießerei
mit einem Vorrathe von Schleudergeschossen wieder zu Tage; 2) mit Hülfe
der alten Stempel nimmt die moderne Industrie nach Ablauf von fast neun¬
zehn Jahrhunderten die unterbrochene Thätigkeit dieser Waffensabrik wieder
auf und bringt ihre Waare untermischt mit alten echten Exemplaren in den
Handel; 3) der Evigraphiker, welcher diese ungestempelten Bleigeschosse in die
gelehrte Welt einführt und sie öffentlichen Sammlungen zum Ankauf em¬
pfiehlt, arbeitet, wenn auch unbewußt, im Interesse der Fälscher; 4) eine
Sammlung, wie die Pariser, die jetzt großentheils in den Besitz des Berliner
Museums übergegangen ist, darf man, da sie handgreifliche moderne Fälschun¬
gen enthält, nur mit aller Vorsicht benutzen.

Und nun zum letzten Acte dieser Komödie der Irrungen. Die Haupt¬
rolle, früher in den Händen eines berühmteren Schauspielers, hat hier Herr
Feuardent inne, "Ermuthigt durch seinen Erfolg, da unter den Auspicien
der Berliner Akademie die Echtheit der früheren Sammlung als unanfecht¬
bar bezeichnet ward, und man sich durch den Hinweis auf Carducci nicht
beirren ließ, hat er die Sammlung des verstorbenen Grafen Arpini an sich
gebracht. Arpini, der in der Nähe von Ascoli wohnte, pflegte häufig in die


Einschmelzen, theils zum Umstempeln zu verwenden Pflegte. Diese Werkstatt,
welche namentlich während der Belagerung von Perusia in Thätigkeit war,
(die Hypothese Mommsen's von einer zweiten Belagerung Asculums während
des perusinischen Krieges ist ein Phantasiebild) ist in neuester Zeit wieder
aufgefunden worden, die alten Geschosse mögen zum Theil in den Handel
gekommen sein, (die Bonner Sammlung und die echten Stücke der Pariser
Collectio« werden zum Theil daher stammen) der übrigen sowie des Arbeits¬
apparats bemächtigte sich ein Fälscher, um mit Hülfe der antiken Stempel
andere Exemplare anzufertigen. Ob diese Fabrik ganz neue Geschosse produ-
cirt hat, steht dahin, vorzugsweise scheint sie alte Bleieicheln umgestempelt zu
haben. Die Sache war einfach: man brauchte nur der neuen Aufschrift, deren
Züge den echten Geschossen täuschend ähnlich waren, ein alterthümliches Aus¬
sehen zu geben, und die Palma, wenn sie durch die Neuprägung gelitten
hatte, wieder herzustellen konnte für Fälscher nicht allzu schwierig sein. Wo
die Fabrik sich mit einem Stempel begnügte, oder wo Avers und Revers
nicht geradezu im Widerspruch zu einander stehen, wird es schwer halten,
diese neuen Fabrikate von den alten und echten Stücken zu unterscheiden.
Wo sie dagegen unvereinbare Stempel combinirt, ist es leicht, den Betrug
zu entlarven, wie bei den Exemplaren mit dem Namen des Paaptus: die
Fabrik besaß eben nur diesen einen oskischen Stempel und suchte den seltnen
Fund möglichst zu verwerthen."

Das Resultat der Belgischen Untersuchung läuft also in dieser Hinsicht
auf Folgendes hinaus: 1) In Ascoli kommt vor 1853 eine antike Gießerei
mit einem Vorrathe von Schleudergeschossen wieder zu Tage; 2) mit Hülfe
der alten Stempel nimmt die moderne Industrie nach Ablauf von fast neun¬
zehn Jahrhunderten die unterbrochene Thätigkeit dieser Waffensabrik wieder
auf und bringt ihre Waare untermischt mit alten echten Exemplaren in den
Handel; 3) der Evigraphiker, welcher diese ungestempelten Bleigeschosse in die
gelehrte Welt einführt und sie öffentlichen Sammlungen zum Ankauf em¬
pfiehlt, arbeitet, wenn auch unbewußt, im Interesse der Fälscher; 4) eine
Sammlung, wie die Pariser, die jetzt großentheils in den Besitz des Berliner
Museums übergegangen ist, darf man, da sie handgreifliche moderne Fälschun¬
gen enthält, nur mit aller Vorsicht benutzen.

Und nun zum letzten Acte dieser Komödie der Irrungen. Die Haupt¬
rolle, früher in den Händen eines berühmteren Schauspielers, hat hier Herr
Feuardent inne, „Ermuthigt durch seinen Erfolg, da unter den Auspicien
der Berliner Akademie die Echtheit der früheren Sammlung als unanfecht¬
bar bezeichnet ward, und man sich durch den Hinweis auf Carducci nicht
beirren ließ, hat er die Sammlung des verstorbenen Grafen Arpini an sich
gebracht. Arpini, der in der Nähe von Ascoli wohnte, pflegte häufig in die


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[0338] Einschmelzen, theils zum Umstempeln zu verwenden Pflegte. Diese Werkstatt, welche namentlich während der Belagerung von Perusia in Thätigkeit war, (die Hypothese Mommsen's von einer zweiten Belagerung Asculums während des perusinischen Krieges ist ein Phantasiebild) ist in neuester Zeit wieder aufgefunden worden, die alten Geschosse mögen zum Theil in den Handel gekommen sein, (die Bonner Sammlung und die echten Stücke der Pariser Collectio« werden zum Theil daher stammen) der übrigen sowie des Arbeits¬ apparats bemächtigte sich ein Fälscher, um mit Hülfe der antiken Stempel andere Exemplare anzufertigen. Ob diese Fabrik ganz neue Geschosse produ- cirt hat, steht dahin, vorzugsweise scheint sie alte Bleieicheln umgestempelt zu haben. Die Sache war einfach: man brauchte nur der neuen Aufschrift, deren Züge den echten Geschossen täuschend ähnlich waren, ein alterthümliches Aus¬ sehen zu geben, und die Palma, wenn sie durch die Neuprägung gelitten hatte, wieder herzustellen konnte für Fälscher nicht allzu schwierig sein. Wo die Fabrik sich mit einem Stempel begnügte, oder wo Avers und Revers nicht geradezu im Widerspruch zu einander stehen, wird es schwer halten, diese neuen Fabrikate von den alten und echten Stücken zu unterscheiden. Wo sie dagegen unvereinbare Stempel combinirt, ist es leicht, den Betrug zu entlarven, wie bei den Exemplaren mit dem Namen des Paaptus: die Fabrik besaß eben nur diesen einen oskischen Stempel und suchte den seltnen Fund möglichst zu verwerthen." Das Resultat der Belgischen Untersuchung läuft also in dieser Hinsicht auf Folgendes hinaus: 1) In Ascoli kommt vor 1853 eine antike Gießerei mit einem Vorrathe von Schleudergeschossen wieder zu Tage; 2) mit Hülfe der alten Stempel nimmt die moderne Industrie nach Ablauf von fast neun¬ zehn Jahrhunderten die unterbrochene Thätigkeit dieser Waffensabrik wieder auf und bringt ihre Waare untermischt mit alten echten Exemplaren in den Handel; 3) der Evigraphiker, welcher diese ungestempelten Bleigeschosse in die gelehrte Welt einführt und sie öffentlichen Sammlungen zum Ankauf em¬ pfiehlt, arbeitet, wenn auch unbewußt, im Interesse der Fälscher; 4) eine Sammlung, wie die Pariser, die jetzt großentheils in den Besitz des Berliner Museums übergegangen ist, darf man, da sie handgreifliche moderne Fälschun¬ gen enthält, nur mit aller Vorsicht benutzen. Und nun zum letzten Acte dieser Komödie der Irrungen. Die Haupt¬ rolle, früher in den Händen eines berühmteren Schauspielers, hat hier Herr Feuardent inne, „Ermuthigt durch seinen Erfolg, da unter den Auspicien der Berliner Akademie die Echtheit der früheren Sammlung als unanfecht¬ bar bezeichnet ward, und man sich durch den Hinweis auf Carducci nicht beirren ließ, hat er die Sammlung des verstorbenen Grafen Arpini an sich gebracht. Arpini, der in der Nähe von Ascoli wohnte, pflegte häufig in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/338>, abgerufen am 20.10.2024.