Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schaften in Schweigen hüllte, unterzog er im Hause der Abgeordneten die
Verwaltung der königlichen Museen einer unbarmherzigen Kritik." -- "Daß
die Organisation derselben der Verbesserung fähig und bedürftig sei, wird
Niemand bestreiten; aber es ist eigenthümlich, daß Mommsen zu seiner scho¬
nungsloser Anklage just den Moment benutzte, wo es sich nicht mehr ab¬
leugnen ließ, daß die Verwaltung der Museen, welche eben erst bei dem An¬
kaufe der Moabiter Alterthümer eine so unerfreuliche Erfahrung gemacht hatte,
aufs Neue durch die auf Mommsen's Betrieb erfolgte Erwerbung der Pariser
Schleuderbleie compromittirt worden war. Die Moabiter Falfificate brachte
auch ein zweiter Abgeordneter zur Sprache, hinzufügend, daß ihm auch andere
Fälle bekannt seien, in welchen die Verwaltung die nöthige Vorsicht beim
Ankauf nicht angewandt habe. Mommsen gestand in Betreff der Moabiter-
Angelegenheit zu, daß eine Fälschung der schlimmsten Sorte vorliege, allein
das Ministerium treffe kein Vorwurf, sondern lediglich den deutschen Gelehr¬
tenstand, indem die deutsche Morgenländische Gesellschaft sich zu sehr auf ein¬
zelne Autoritäten verlassen und in Folge dessen den Ankauf empfohlen habe.
Nun, die Verhältnisse sind in beiden Fällen wesentlich gleich, und so viel ich
weiß, ist der Kammerjunker Mommsen (el, wer wird solche Anspielungen
machen!) eine Person mit dem Berliner Professor und Akademiker. Zur
Entschuldigung der bei dem Moabiter Handel Betheiligten fügt Mommsen
hinzu, daß die Zeit zur Prüfung solcher Alterthümer vor dem Ankauf nur
sehr knapp bemessen sei. Dies mag anderwärts richtig sein, trifft jedoch bei
dem Pariser Handel nicht zu; denn Mommsen selbst rühmt am 1. Juli 1876
das ehrenhafte Verfahren der Herrn Rollin und Feuardent, welche auf die
Mittheilung, daß Zweifel gegen die Echtheit der Biele laut geworden, sofort
erklärten, daß, falls dieselben nicht bei näherer Untersuchung gehoben werden
sollten, sie die ganze Sammlung jederzeit zurücknehmen würden. Wenn
schließlich Schöne als Vertreter des Ministeriums, um den Sturm des Un¬
willens zu beschwichtigen, einige Oeltropfen ausgteßt und die Erwartung
ausspricht (die beiläufig in keiner Weise gerechtfertigt war und von dem
Herrn Rath auch schwerlich gehegt wurde) daß, wenn auch die Fälschung sehr
groß sei, doch ein Theil der Moabiter Alterthümer sich als nicht gefälscht
herausstellen würde, so läßt in Betreff der Pariser Schleudergeschosse das
jüngste Gutachten Zangemeister's -- sofern man diesen Zeugen als competent
gelten läßt, für eine solche Hoffnung wenig Raum.




schaften in Schweigen hüllte, unterzog er im Hause der Abgeordneten die
Verwaltung der königlichen Museen einer unbarmherzigen Kritik." — »Daß
die Organisation derselben der Verbesserung fähig und bedürftig sei, wird
Niemand bestreiten; aber es ist eigenthümlich, daß Mommsen zu seiner scho¬
nungsloser Anklage just den Moment benutzte, wo es sich nicht mehr ab¬
leugnen ließ, daß die Verwaltung der Museen, welche eben erst bei dem An¬
kaufe der Moabiter Alterthümer eine so unerfreuliche Erfahrung gemacht hatte,
aufs Neue durch die auf Mommsen's Betrieb erfolgte Erwerbung der Pariser
Schleuderbleie compromittirt worden war. Die Moabiter Falfificate brachte
auch ein zweiter Abgeordneter zur Sprache, hinzufügend, daß ihm auch andere
Fälle bekannt seien, in welchen die Verwaltung die nöthige Vorsicht beim
Ankauf nicht angewandt habe. Mommsen gestand in Betreff der Moabiter-
Angelegenheit zu, daß eine Fälschung der schlimmsten Sorte vorliege, allein
das Ministerium treffe kein Vorwurf, sondern lediglich den deutschen Gelehr¬
tenstand, indem die deutsche Morgenländische Gesellschaft sich zu sehr auf ein¬
zelne Autoritäten verlassen und in Folge dessen den Ankauf empfohlen habe.
Nun, die Verhältnisse sind in beiden Fällen wesentlich gleich, und so viel ich
weiß, ist der Kammerjunker Mommsen (el, wer wird solche Anspielungen
machen!) eine Person mit dem Berliner Professor und Akademiker. Zur
Entschuldigung der bei dem Moabiter Handel Betheiligten fügt Mommsen
hinzu, daß die Zeit zur Prüfung solcher Alterthümer vor dem Ankauf nur
sehr knapp bemessen sei. Dies mag anderwärts richtig sein, trifft jedoch bei
dem Pariser Handel nicht zu; denn Mommsen selbst rühmt am 1. Juli 1876
das ehrenhafte Verfahren der Herrn Rollin und Feuardent, welche auf die
Mittheilung, daß Zweifel gegen die Echtheit der Biele laut geworden, sofort
erklärten, daß, falls dieselben nicht bei näherer Untersuchung gehoben werden
sollten, sie die ganze Sammlung jederzeit zurücknehmen würden. Wenn
schließlich Schöne als Vertreter des Ministeriums, um den Sturm des Un¬
willens zu beschwichtigen, einige Oeltropfen ausgteßt und die Erwartung
ausspricht (die beiläufig in keiner Weise gerechtfertigt war und von dem
Herrn Rath auch schwerlich gehegt wurde) daß, wenn auch die Fälschung sehr
groß sei, doch ein Theil der Moabiter Alterthümer sich als nicht gefälscht
herausstellen würde, so läßt in Betreff der Pariser Schleudergeschosse das
jüngste Gutachten Zangemeister's — sofern man diesen Zeugen als competent
gelten läßt, für eine solche Hoffnung wenig Raum.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136451"/>
          <p xml:id="ID_872" prev="#ID_871"> schaften in Schweigen hüllte, unterzog er im Hause der Abgeordneten die<lb/>
Verwaltung der königlichen Museen einer unbarmherzigen Kritik." &#x2014; »Daß<lb/>
die Organisation derselben der Verbesserung fähig und bedürftig sei, wird<lb/>
Niemand bestreiten; aber es ist eigenthümlich, daß Mommsen zu seiner scho¬<lb/>
nungsloser Anklage just den Moment benutzte, wo es sich nicht mehr ab¬<lb/>
leugnen ließ, daß die Verwaltung der Museen, welche eben erst bei dem An¬<lb/>
kaufe der Moabiter Alterthümer eine so unerfreuliche Erfahrung gemacht hatte,<lb/>
aufs Neue durch die auf Mommsen's Betrieb erfolgte Erwerbung der Pariser<lb/>
Schleuderbleie compromittirt worden war. Die Moabiter Falfificate brachte<lb/>
auch ein zweiter Abgeordneter zur Sprache, hinzufügend, daß ihm auch andere<lb/>
Fälle bekannt seien, in welchen die Verwaltung die nöthige Vorsicht beim<lb/>
Ankauf nicht angewandt habe. Mommsen gestand in Betreff der Moabiter-<lb/>
Angelegenheit zu, daß eine Fälschung der schlimmsten Sorte vorliege, allein<lb/>
das Ministerium treffe kein Vorwurf, sondern lediglich den deutschen Gelehr¬<lb/>
tenstand, indem die deutsche Morgenländische Gesellschaft sich zu sehr auf ein¬<lb/>
zelne Autoritäten verlassen und in Folge dessen den Ankauf empfohlen habe.<lb/>
Nun, die Verhältnisse sind in beiden Fällen wesentlich gleich, und so viel ich<lb/>
weiß, ist der Kammerjunker Mommsen (el, wer wird solche Anspielungen<lb/>
machen!) eine Person mit dem Berliner Professor und Akademiker. Zur<lb/>
Entschuldigung der bei dem Moabiter Handel Betheiligten fügt Mommsen<lb/>
hinzu, daß die Zeit zur Prüfung solcher Alterthümer vor dem Ankauf nur<lb/>
sehr knapp bemessen sei. Dies mag anderwärts richtig sein, trifft jedoch bei<lb/>
dem Pariser Handel nicht zu; denn Mommsen selbst rühmt am 1. Juli 1876<lb/>
das ehrenhafte Verfahren der Herrn Rollin und Feuardent, welche auf die<lb/>
Mittheilung, daß Zweifel gegen die Echtheit der Biele laut geworden, sofort<lb/>
erklärten, daß, falls dieselben nicht bei näherer Untersuchung gehoben werden<lb/>
sollten, sie die ganze Sammlung jederzeit zurücknehmen würden. Wenn<lb/>
schließlich Schöne als Vertreter des Ministeriums, um den Sturm des Un¬<lb/>
willens zu beschwichtigen, einige Oeltropfen ausgteßt und die Erwartung<lb/>
ausspricht (die beiläufig in keiner Weise gerechtfertigt war und von dem<lb/>
Herrn Rath auch schwerlich gehegt wurde) daß, wenn auch die Fälschung sehr<lb/>
groß sei, doch ein Theil der Moabiter Alterthümer sich als nicht gefälscht<lb/>
herausstellen würde, so läßt in Betreff der Pariser Schleudergeschosse das<lb/>
jüngste Gutachten Zangemeister's &#x2014; sofern man diesen Zeugen als competent<lb/>
gelten läßt, für eine solche Hoffnung wenig Raum.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0340] schaften in Schweigen hüllte, unterzog er im Hause der Abgeordneten die Verwaltung der königlichen Museen einer unbarmherzigen Kritik." — »Daß die Organisation derselben der Verbesserung fähig und bedürftig sei, wird Niemand bestreiten; aber es ist eigenthümlich, daß Mommsen zu seiner scho¬ nungsloser Anklage just den Moment benutzte, wo es sich nicht mehr ab¬ leugnen ließ, daß die Verwaltung der Museen, welche eben erst bei dem An¬ kaufe der Moabiter Alterthümer eine so unerfreuliche Erfahrung gemacht hatte, aufs Neue durch die auf Mommsen's Betrieb erfolgte Erwerbung der Pariser Schleuderbleie compromittirt worden war. Die Moabiter Falfificate brachte auch ein zweiter Abgeordneter zur Sprache, hinzufügend, daß ihm auch andere Fälle bekannt seien, in welchen die Verwaltung die nöthige Vorsicht beim Ankauf nicht angewandt habe. Mommsen gestand in Betreff der Moabiter- Angelegenheit zu, daß eine Fälschung der schlimmsten Sorte vorliege, allein das Ministerium treffe kein Vorwurf, sondern lediglich den deutschen Gelehr¬ tenstand, indem die deutsche Morgenländische Gesellschaft sich zu sehr auf ein¬ zelne Autoritäten verlassen und in Folge dessen den Ankauf empfohlen habe. Nun, die Verhältnisse sind in beiden Fällen wesentlich gleich, und so viel ich weiß, ist der Kammerjunker Mommsen (el, wer wird solche Anspielungen machen!) eine Person mit dem Berliner Professor und Akademiker. Zur Entschuldigung der bei dem Moabiter Handel Betheiligten fügt Mommsen hinzu, daß die Zeit zur Prüfung solcher Alterthümer vor dem Ankauf nur sehr knapp bemessen sei. Dies mag anderwärts richtig sein, trifft jedoch bei dem Pariser Handel nicht zu; denn Mommsen selbst rühmt am 1. Juli 1876 das ehrenhafte Verfahren der Herrn Rollin und Feuardent, welche auf die Mittheilung, daß Zweifel gegen die Echtheit der Biele laut geworden, sofort erklärten, daß, falls dieselben nicht bei näherer Untersuchung gehoben werden sollten, sie die ganze Sammlung jederzeit zurücknehmen würden. Wenn schließlich Schöne als Vertreter des Ministeriums, um den Sturm des Un¬ willens zu beschwichtigen, einige Oeltropfen ausgteßt und die Erwartung ausspricht (die beiläufig in keiner Weise gerechtfertigt war und von dem Herrn Rath auch schwerlich gehegt wurde) daß, wenn auch die Fälschung sehr groß sei, doch ein Theil der Moabiter Alterthümer sich als nicht gefälscht herausstellen würde, so läßt in Betreff der Pariser Schleudergeschosse das jüngste Gutachten Zangemeister's — sofern man diesen Zeugen als competent gelten läßt, für eine solche Hoffnung wenig Raum.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/340
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/340>, abgerufen am 19.10.2024.