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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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schränkt sich aber keineswegs auf das "gemeinsame Leben" im Kloster, viel¬
mehr üben sie in einem weiten Kreise die Seelensorge. Die Stiftskirche selbst
gilt als Pfarrkirche des "Marktes" Admont, außerdem sind 5 Pfarren allein
im Thale dem Stift "incorporirt", d. h. mit Stiftspriestern besetzt, dazu
noch 31 in weiterer Entfernung. Ohne Zweifel muß dies als eine Wohl¬
that für diese größtentheils armen Gemeinden betrachtet werden, die gar
nicht im Stande sein würden, selbständige Pfarreien zu erhalten, und doch
zuweilen so weit von einander entfernt liegen, daß eine Verbindung mehrerer
zu einer Pfarrgemeinde mit den größten Schwierigkeiten verknüpft wäre.

Allgemeinere Anerkennung als diese Thätigkeit -- und es ist doch wahr¬
scheinlich nichts Kleines, in einem einsamen, abgelegnen steirischen Alpendorfe,
das im Winter oft wochenlang von jeder Verbindung abgeschnitten ist, das
Pfarramt zu verwalten! -- dürfte die wissenschaftliche und pädagogische
Wirksamkeit der Admonter verdienen. Zwar besitzt die Abtei gegenwärtig
kein Gymnasium mehr, sondern nur eine vierclassige Volksschule, die es vor
der Hand vollständig unterhält, aber es hat doch noch etwas von der alten
Bedeutung der Benedictinerklöster bewahrt, Sitze der Wissenschaft zu sein-
Von den Mönchen -- der Ausdruck scheint allerdings fast nie gebraucht zu
werden -- leben stets die meisten auswärts, besonders in schulamtlichen oder
akademischen Stellungen. In Judenburg waren 1819 -- 1857 Admonter
Benedictiner am Gymnasium thätig; das akademische Gymnasium zu Graz
befand sich 1804 -- 1849 und dann wieder 18S7 -- 1870 ganz in ihren
Händen, und auch gegenwärtig gehören der Director und mehrere Professoren
desselben Admont an. Auch in Löcher ist der Director des Landesrealgym¬
nasiums ein Admonter, ebenso in Innsbruck der des Staatsgymnasiums; ein
anderer fungirt als Schulrath in Innsbruck, ja die k. ungarische Central-
anstalt für Geologie in Buda-Pest steht unter einem Admonter Stiftspriester.
Auch schriftstellerisch haben sich nichts wenige Mitglieder des Stifts hervor¬
gethan. Der verdienstvolle Geschichtsschreiber der Stetermark Albert von
Muchar gehörte ihm an (1- 1849); Gregor Fuchs schrieb die Geschichte des
Stifts; der gegenwärtige Archivar ?. Jacob Wichner ist mit der Bearbeitung
eines neuen und umfangreicheren Werkes über denselben Gegenstand be¬
schäftigt, Thassilo Weymayr (1- 1874) machte sich um die Topographie
des Admonter Thales verdient, auch die Botanik hat eifrige Pfleger ge'
funden.

Uns norddeutschen Ketzern erscheint jedes Kloster, und jetzt mehr als je,
leicht als ein Anachronismus, und wir werden in der That nie vergessen
können, um welchen furchtbaren Preis eben in Steiermark die Erhaltung
dieser Stifter erkauft worden ist. Aber das darf allerdings nicht von der
Anerkennung abhalten, einmal daß diese alten Benedictinerklöster, die seit


schränkt sich aber keineswegs auf das „gemeinsame Leben" im Kloster, viel¬
mehr üben sie in einem weiten Kreise die Seelensorge. Die Stiftskirche selbst
gilt als Pfarrkirche des „Marktes" Admont, außerdem sind 5 Pfarren allein
im Thale dem Stift „incorporirt", d. h. mit Stiftspriestern besetzt, dazu
noch 31 in weiterer Entfernung. Ohne Zweifel muß dies als eine Wohl¬
that für diese größtentheils armen Gemeinden betrachtet werden, die gar
nicht im Stande sein würden, selbständige Pfarreien zu erhalten, und doch
zuweilen so weit von einander entfernt liegen, daß eine Verbindung mehrerer
zu einer Pfarrgemeinde mit den größten Schwierigkeiten verknüpft wäre.

Allgemeinere Anerkennung als diese Thätigkeit — und es ist doch wahr¬
scheinlich nichts Kleines, in einem einsamen, abgelegnen steirischen Alpendorfe,
das im Winter oft wochenlang von jeder Verbindung abgeschnitten ist, das
Pfarramt zu verwalten! — dürfte die wissenschaftliche und pädagogische
Wirksamkeit der Admonter verdienen. Zwar besitzt die Abtei gegenwärtig
kein Gymnasium mehr, sondern nur eine vierclassige Volksschule, die es vor
der Hand vollständig unterhält, aber es hat doch noch etwas von der alten
Bedeutung der Benedictinerklöster bewahrt, Sitze der Wissenschaft zu sein-
Von den Mönchen — der Ausdruck scheint allerdings fast nie gebraucht zu
werden — leben stets die meisten auswärts, besonders in schulamtlichen oder
akademischen Stellungen. In Judenburg waren 1819 — 1857 Admonter
Benedictiner am Gymnasium thätig; das akademische Gymnasium zu Graz
befand sich 1804 — 1849 und dann wieder 18S7 — 1870 ganz in ihren
Händen, und auch gegenwärtig gehören der Director und mehrere Professoren
desselben Admont an. Auch in Löcher ist der Director des Landesrealgym¬
nasiums ein Admonter, ebenso in Innsbruck der des Staatsgymnasiums; ein
anderer fungirt als Schulrath in Innsbruck, ja die k. ungarische Central-
anstalt für Geologie in Buda-Pest steht unter einem Admonter Stiftspriester.
Auch schriftstellerisch haben sich nichts wenige Mitglieder des Stifts hervor¬
gethan. Der verdienstvolle Geschichtsschreiber der Stetermark Albert von
Muchar gehörte ihm an (1- 1849); Gregor Fuchs schrieb die Geschichte des
Stifts; der gegenwärtige Archivar ?. Jacob Wichner ist mit der Bearbeitung
eines neuen und umfangreicheren Werkes über denselben Gegenstand be¬
schäftigt, Thassilo Weymayr (1- 1874) machte sich um die Topographie
des Admonter Thales verdient, auch die Botanik hat eifrige Pfleger ge'
funden.

Uns norddeutschen Ketzern erscheint jedes Kloster, und jetzt mehr als je,
leicht als ein Anachronismus, und wir werden in der That nie vergessen
können, um welchen furchtbaren Preis eben in Steiermark die Erhaltung
dieser Stifter erkauft worden ist. Aber das darf allerdings nicht von der
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[0228] schränkt sich aber keineswegs auf das „gemeinsame Leben" im Kloster, viel¬ mehr üben sie in einem weiten Kreise die Seelensorge. Die Stiftskirche selbst gilt als Pfarrkirche des „Marktes" Admont, außerdem sind 5 Pfarren allein im Thale dem Stift „incorporirt", d. h. mit Stiftspriestern besetzt, dazu noch 31 in weiterer Entfernung. Ohne Zweifel muß dies als eine Wohl¬ that für diese größtentheils armen Gemeinden betrachtet werden, die gar nicht im Stande sein würden, selbständige Pfarreien zu erhalten, und doch zuweilen so weit von einander entfernt liegen, daß eine Verbindung mehrerer zu einer Pfarrgemeinde mit den größten Schwierigkeiten verknüpft wäre. Allgemeinere Anerkennung als diese Thätigkeit — und es ist doch wahr¬ scheinlich nichts Kleines, in einem einsamen, abgelegnen steirischen Alpendorfe, das im Winter oft wochenlang von jeder Verbindung abgeschnitten ist, das Pfarramt zu verwalten! — dürfte die wissenschaftliche und pädagogische Wirksamkeit der Admonter verdienen. Zwar besitzt die Abtei gegenwärtig kein Gymnasium mehr, sondern nur eine vierclassige Volksschule, die es vor der Hand vollständig unterhält, aber es hat doch noch etwas von der alten Bedeutung der Benedictinerklöster bewahrt, Sitze der Wissenschaft zu sein- Von den Mönchen — der Ausdruck scheint allerdings fast nie gebraucht zu werden — leben stets die meisten auswärts, besonders in schulamtlichen oder akademischen Stellungen. In Judenburg waren 1819 — 1857 Admonter Benedictiner am Gymnasium thätig; das akademische Gymnasium zu Graz befand sich 1804 — 1849 und dann wieder 18S7 — 1870 ganz in ihren Händen, und auch gegenwärtig gehören der Director und mehrere Professoren desselben Admont an. Auch in Löcher ist der Director des Landesrealgym¬ nasiums ein Admonter, ebenso in Innsbruck der des Staatsgymnasiums; ein anderer fungirt als Schulrath in Innsbruck, ja die k. ungarische Central- anstalt für Geologie in Buda-Pest steht unter einem Admonter Stiftspriester. Auch schriftstellerisch haben sich nichts wenige Mitglieder des Stifts hervor¬ gethan. Der verdienstvolle Geschichtsschreiber der Stetermark Albert von Muchar gehörte ihm an (1- 1849); Gregor Fuchs schrieb die Geschichte des Stifts; der gegenwärtige Archivar ?. Jacob Wichner ist mit der Bearbeitung eines neuen und umfangreicheren Werkes über denselben Gegenstand be¬ schäftigt, Thassilo Weymayr (1- 1874) machte sich um die Topographie des Admonter Thales verdient, auch die Botanik hat eifrige Pfleger ge' funden. Uns norddeutschen Ketzern erscheint jedes Kloster, und jetzt mehr als je, leicht als ein Anachronismus, und wir werden in der That nie vergessen können, um welchen furchtbaren Preis eben in Steiermark die Erhaltung dieser Stifter erkauft worden ist. Aber das darf allerdings nicht von der Anerkennung abhalten, einmal daß diese alten Benedictinerklöster, die seit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/228>, abgerufen am 20.10.2024.