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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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vielen Jahrhunderten mit der Cultur und Geschichte des Landes unzertrenn¬
lich verwachsen sind, nichts gemein haben mit den aufdringlichen Orden
neuerer Stiftung, welche von Anfang an nichts waren und nichts sein sollten
als gefügige Werkzeuge jesuitisch-päpstlicher Herrschsucht, gleichgiltig gegen die
Landschaft, in welche ein allmächtiger Wille sie warf, sodann, daß ein Stift
derart eine Art Akademie der Wissenschaften darstellt, in eigenthümlicher, ver¬
alteter Form, daß aber in dieser Form etwas Tüchtiges und Anerkennungs¬
werthes geleistet wird. So viel steht überhaupt fest: ohne Stifter dieser Art,
ohne die geistigen Kräfte, die sie ihm liefern, vermöchte der österreichische Staat
vor der Hand gar nicht auszukommen. Es ist ja wahrscheinlich, daß sie,
wenn sie verschwänden, irgendwie ersetzt werden würden, aber es würde das
eine sehr lange Frist erfordern und zunächst würde ein Mangel eintreten, der
sich sehr empfindlich geltend machen müßte.

Ob die Eigenschaft des Stifts als einer Gutswirthschaft größten Stiles
eine wohlthätige ist, läßt sich so ohne Weiteres nicht entscheiden. Wenn
Oesterreich überhaupt und Steiermark im Besondern das Land des Gro߬
grundbesitzes ist, so erklärt sich das wesentlich aus der Zeit und Art der
deutschen Colonisation in den Ostalpenländern. Sehr frühzeitig, z. Th. noch
vor Karl d. Gr., von Baiern aus begonnen, war sie naturgemäß ausschlie߬
lich das Werk der großen Grundbesitzer, des Königs, der Kirche, des Adels,
die ihre oft colossalen Güter mit ihren Hörigen besetzten, nicht, wie die spätere
des 12. und 13. Jahrhunderts es wenigstens zum großen Theile gewesen ist,
das von freien Bauern- und Stadtgemeinden. Daher noch heute das Ueber¬
wiegen der gewaltigen Adels- und Kirchengüter in diesen Landschaften. Ge¬
wiß haben diese die Germanisirung und Colonisirung sehr energisch betrieben,
mit ganz andern Kräften, als sie einzelnen Ansiedlerhaufen zu Gebote stehen
konnten; aber freilich ist dadurch auch das Aufblühen städtischen Wesens
dauernd gehemmt und die Entwicklung eines kräftigen Bauernstandes außer¬
ordentlich erschwert worden. Auch Admont repräsentirt diese Seite der land¬
schaftlichen' Entwicklung noch heute. Zwar hat es sehr viel von seinem Be¬
sitze eingebüßt, noch 1872 Waldungen in Gallenstein. Johnsbach u. f. f. ver¬
äußert, trotzdem liegt noch jetzt der größte Theil des Grundbesitzes im Enns-
thale und seinen Nebenthälern in seinen Händen: es besitzt sämmtliche Torf¬
moore (ca. 400 Joch), den größten Theil der 13.000 Joch umfassenden
Waldungen, das beinahe ausschließliche Recht der Jagd und Fischerei, das
meiste Acker- und Wiesenland. Reiche Meierhöfe gehören ihm. so der in
Admont selbst, dann die prächtig gelegene Kaiserau. Ja es betreibt in ganz
moderner Weise industrielle Unternehmungen, so ein Eisenwerk bei Rotten¬
mann, eine Weißblechfabrik in Trieben.

Kein Wunder demnach, daß, was nicht "stiftisch" ist, klein und armselig


vielen Jahrhunderten mit der Cultur und Geschichte des Landes unzertrenn¬
lich verwachsen sind, nichts gemein haben mit den aufdringlichen Orden
neuerer Stiftung, welche von Anfang an nichts waren und nichts sein sollten
als gefügige Werkzeuge jesuitisch-päpstlicher Herrschsucht, gleichgiltig gegen die
Landschaft, in welche ein allmächtiger Wille sie warf, sodann, daß ein Stift
derart eine Art Akademie der Wissenschaften darstellt, in eigenthümlicher, ver¬
alteter Form, daß aber in dieser Form etwas Tüchtiges und Anerkennungs¬
werthes geleistet wird. So viel steht überhaupt fest: ohne Stifter dieser Art,
ohne die geistigen Kräfte, die sie ihm liefern, vermöchte der österreichische Staat
vor der Hand gar nicht auszukommen. Es ist ja wahrscheinlich, daß sie,
wenn sie verschwänden, irgendwie ersetzt werden würden, aber es würde das
eine sehr lange Frist erfordern und zunächst würde ein Mangel eintreten, der
sich sehr empfindlich geltend machen müßte.

Ob die Eigenschaft des Stifts als einer Gutswirthschaft größten Stiles
eine wohlthätige ist, läßt sich so ohne Weiteres nicht entscheiden. Wenn
Oesterreich überhaupt und Steiermark im Besondern das Land des Gro߬
grundbesitzes ist, so erklärt sich das wesentlich aus der Zeit und Art der
deutschen Colonisation in den Ostalpenländern. Sehr frühzeitig, z. Th. noch
vor Karl d. Gr., von Baiern aus begonnen, war sie naturgemäß ausschlie߬
lich das Werk der großen Grundbesitzer, des Königs, der Kirche, des Adels,
die ihre oft colossalen Güter mit ihren Hörigen besetzten, nicht, wie die spätere
des 12. und 13. Jahrhunderts es wenigstens zum großen Theile gewesen ist,
das von freien Bauern- und Stadtgemeinden. Daher noch heute das Ueber¬
wiegen der gewaltigen Adels- und Kirchengüter in diesen Landschaften. Ge¬
wiß haben diese die Germanisirung und Colonisirung sehr energisch betrieben,
mit ganz andern Kräften, als sie einzelnen Ansiedlerhaufen zu Gebote stehen
konnten; aber freilich ist dadurch auch das Aufblühen städtischen Wesens
dauernd gehemmt und die Entwicklung eines kräftigen Bauernstandes außer¬
ordentlich erschwert worden. Auch Admont repräsentirt diese Seite der land¬
schaftlichen' Entwicklung noch heute. Zwar hat es sehr viel von seinem Be¬
sitze eingebüßt, noch 1872 Waldungen in Gallenstein. Johnsbach u. f. f. ver¬
äußert, trotzdem liegt noch jetzt der größte Theil des Grundbesitzes im Enns-
thale und seinen Nebenthälern in seinen Händen: es besitzt sämmtliche Torf¬
moore (ca. 400 Joch), den größten Theil der 13.000 Joch umfassenden
Waldungen, das beinahe ausschließliche Recht der Jagd und Fischerei, das
meiste Acker- und Wiesenland. Reiche Meierhöfe gehören ihm. so der in
Admont selbst, dann die prächtig gelegene Kaiserau. Ja es betreibt in ganz
moderner Weise industrielle Unternehmungen, so ein Eisenwerk bei Rotten¬
mann, eine Weißblechfabrik in Trieben.

Kein Wunder demnach, daß, was nicht „stiftisch" ist, klein und armselig


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[0229] vielen Jahrhunderten mit der Cultur und Geschichte des Landes unzertrenn¬ lich verwachsen sind, nichts gemein haben mit den aufdringlichen Orden neuerer Stiftung, welche von Anfang an nichts waren und nichts sein sollten als gefügige Werkzeuge jesuitisch-päpstlicher Herrschsucht, gleichgiltig gegen die Landschaft, in welche ein allmächtiger Wille sie warf, sodann, daß ein Stift derart eine Art Akademie der Wissenschaften darstellt, in eigenthümlicher, ver¬ alteter Form, daß aber in dieser Form etwas Tüchtiges und Anerkennungs¬ werthes geleistet wird. So viel steht überhaupt fest: ohne Stifter dieser Art, ohne die geistigen Kräfte, die sie ihm liefern, vermöchte der österreichische Staat vor der Hand gar nicht auszukommen. Es ist ja wahrscheinlich, daß sie, wenn sie verschwänden, irgendwie ersetzt werden würden, aber es würde das eine sehr lange Frist erfordern und zunächst würde ein Mangel eintreten, der sich sehr empfindlich geltend machen müßte. Ob die Eigenschaft des Stifts als einer Gutswirthschaft größten Stiles eine wohlthätige ist, läßt sich so ohne Weiteres nicht entscheiden. Wenn Oesterreich überhaupt und Steiermark im Besondern das Land des Gro߬ grundbesitzes ist, so erklärt sich das wesentlich aus der Zeit und Art der deutschen Colonisation in den Ostalpenländern. Sehr frühzeitig, z. Th. noch vor Karl d. Gr., von Baiern aus begonnen, war sie naturgemäß ausschlie߬ lich das Werk der großen Grundbesitzer, des Königs, der Kirche, des Adels, die ihre oft colossalen Güter mit ihren Hörigen besetzten, nicht, wie die spätere des 12. und 13. Jahrhunderts es wenigstens zum großen Theile gewesen ist, das von freien Bauern- und Stadtgemeinden. Daher noch heute das Ueber¬ wiegen der gewaltigen Adels- und Kirchengüter in diesen Landschaften. Ge¬ wiß haben diese die Germanisirung und Colonisirung sehr energisch betrieben, mit ganz andern Kräften, als sie einzelnen Ansiedlerhaufen zu Gebote stehen konnten; aber freilich ist dadurch auch das Aufblühen städtischen Wesens dauernd gehemmt und die Entwicklung eines kräftigen Bauernstandes außer¬ ordentlich erschwert worden. Auch Admont repräsentirt diese Seite der land¬ schaftlichen' Entwicklung noch heute. Zwar hat es sehr viel von seinem Be¬ sitze eingebüßt, noch 1872 Waldungen in Gallenstein. Johnsbach u. f. f. ver¬ äußert, trotzdem liegt noch jetzt der größte Theil des Grundbesitzes im Enns- thale und seinen Nebenthälern in seinen Händen: es besitzt sämmtliche Torf¬ moore (ca. 400 Joch), den größten Theil der 13.000 Joch umfassenden Waldungen, das beinahe ausschließliche Recht der Jagd und Fischerei, das meiste Acker- und Wiesenland. Reiche Meierhöfe gehören ihm. so der in Admont selbst, dann die prächtig gelegene Kaiserau. Ja es betreibt in ganz moderner Weise industrielle Unternehmungen, so ein Eisenwerk bei Rotten¬ mann, eine Weißblechfabrik in Trieben. Kein Wunder demnach, daß, was nicht „stiftisch" ist, klein und armselig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/229>, abgerufen am 19.10.2024.