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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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rothe und graue Marmorfliesen bedecken den Boden. Die in sieben Abthei¬
lungen gegliederte Decke hat der Pinsel Altomonte's mit mythologischen und
allegorischen Fresken geschmückt, das Innere des Saales stammet's Schnitz¬
kunst verziert. Vor allem im Mittelraum erheben sich die allegorischen Statuen,
welche Tod, Gericht, Hölle und Himmel versinnbilden. Der erstere ist ein
Gerippe mit der Sense, das zweite repräsentirt durch eine männliche, jugend¬
liche Figur, aus deren schönen Zügen die Angst lebendig spricht, die dritte
durch eine wahrhaft abstoßend häßliche Gestalt mit Schweinskopf und Hängen-
Brüsten und Schweinsfüßen, der vierte endlich durch eine weibliche Figur,
die mit dem Ausdruck höchsten Glückes in den Zügen sich empor schwingt.
Mag auch dem modernen Beschauer die Symbolik oft gesucht erscheinen, mag
die "Hölle" einen geradezu widerwärtigen Eindruck machen, immerhin wird man
in diesen z. Th. leidenschaftlich bewegten Figuren eine wunderbare Meisterschaft der
Technik anerkennen müssen, eine wahrhaft virtuose Sicherheit in der Führung
des Schnitzmessers und in der Behandlung des Materials, das übrigens durch
Broncirung ganz unkenntlich gemacht ist. Der wette hohe Raum, die rothen
Marmorsäulen mit goldnem Capitäl und grauem Postament, die rothgrauen
Fliesen des Fußbodens, die weißgoldenen Schränke, der Bilderschmuck der
Decke und die Broncegestalten in der Mitte, das Ganze erleuchtet durch hohe
Bogenfenster, durch welche der Blick hinausschweift nach den ragenden
Gipfeln, das Alles bringt einen prächtig harmonischen Eindruck hervor. Der
Inhalt nun, den dieses kostbare Gehäuse birgt, ist dieser Hülle nicht un¬
würdig. Gegen 80.000 Bände, 1000 Handschriften, 800 Jncunabeln sind
hier in stilvollen Schränken aufgestellt. An vielen der Manuscripte scheinen
die Jahrhunderte spurlos vorübergegangen zu sein, und die gerade sind es,
an denen die 800jährige ununterbrochene Geschichte des Stifts ihre redenden
Zeugen hat. Als eine der ältesten zeigt man jene ehrwürdige Handschrift
der Vulgata in vier mächtigen Foliobänden, welche die ersten Mönche aus
Salzburg mit sich führten. Auch die Jncunabeln sind reich vertreten; so durch
°me deutsche Bibel von 1477 und durch Ausgaben des Theuerdank, die der
hohe Dichter Kaiser Maxiliman dem Kloster schenkte. Im übrigen wiegen
Natürlich ältere Werke vor. Aber die Bibliothek wird fortwährend vermehrt;
denn das Stift hat seine Aufgabe noch nicht vergessen. In den naturwissen¬
schaftlichen Fächern finden sich die wichtigsten neueren Erscheinungen vor, und
^ Macht einen recht befriedigenden Eindruck, in den historischen Schränken
nicht nur die Ncmumontg, Sol-irumias sondern auch Hauffer's deutsche Ge¬
schichte zu bemerken.

Bibliothek und Kirche repräsentiren gewissermaßen die beiden wichtigsten
leiten der Thätigkeit des Stifrs. Die kirchliche Wirksamkeit seiner gegen-
bärtig 87 zählenden Mitglieder, von denen nur gegen 20 anwesend sind, be-


rothe und graue Marmorfliesen bedecken den Boden. Die in sieben Abthei¬
lungen gegliederte Decke hat der Pinsel Altomonte's mit mythologischen und
allegorischen Fresken geschmückt, das Innere des Saales stammet's Schnitz¬
kunst verziert. Vor allem im Mittelraum erheben sich die allegorischen Statuen,
welche Tod, Gericht, Hölle und Himmel versinnbilden. Der erstere ist ein
Gerippe mit der Sense, das zweite repräsentirt durch eine männliche, jugend¬
liche Figur, aus deren schönen Zügen die Angst lebendig spricht, die dritte
durch eine wahrhaft abstoßend häßliche Gestalt mit Schweinskopf und Hängen-
Brüsten und Schweinsfüßen, der vierte endlich durch eine weibliche Figur,
die mit dem Ausdruck höchsten Glückes in den Zügen sich empor schwingt.
Mag auch dem modernen Beschauer die Symbolik oft gesucht erscheinen, mag
die „Hölle" einen geradezu widerwärtigen Eindruck machen, immerhin wird man
in diesen z. Th. leidenschaftlich bewegten Figuren eine wunderbare Meisterschaft der
Technik anerkennen müssen, eine wahrhaft virtuose Sicherheit in der Führung
des Schnitzmessers und in der Behandlung des Materials, das übrigens durch
Broncirung ganz unkenntlich gemacht ist. Der wette hohe Raum, die rothen
Marmorsäulen mit goldnem Capitäl und grauem Postament, die rothgrauen
Fliesen des Fußbodens, die weißgoldenen Schränke, der Bilderschmuck der
Decke und die Broncegestalten in der Mitte, das Ganze erleuchtet durch hohe
Bogenfenster, durch welche der Blick hinausschweift nach den ragenden
Gipfeln, das Alles bringt einen prächtig harmonischen Eindruck hervor. Der
Inhalt nun, den dieses kostbare Gehäuse birgt, ist dieser Hülle nicht un¬
würdig. Gegen 80.000 Bände, 1000 Handschriften, 800 Jncunabeln sind
hier in stilvollen Schränken aufgestellt. An vielen der Manuscripte scheinen
die Jahrhunderte spurlos vorübergegangen zu sein, und die gerade sind es,
an denen die 800jährige ununterbrochene Geschichte des Stifts ihre redenden
Zeugen hat. Als eine der ältesten zeigt man jene ehrwürdige Handschrift
der Vulgata in vier mächtigen Foliobänden, welche die ersten Mönche aus
Salzburg mit sich führten. Auch die Jncunabeln sind reich vertreten; so durch
°me deutsche Bibel von 1477 und durch Ausgaben des Theuerdank, die der
hohe Dichter Kaiser Maxiliman dem Kloster schenkte. Im übrigen wiegen
Natürlich ältere Werke vor. Aber die Bibliothek wird fortwährend vermehrt;
denn das Stift hat seine Aufgabe noch nicht vergessen. In den naturwissen¬
schaftlichen Fächern finden sich die wichtigsten neueren Erscheinungen vor, und
^ Macht einen recht befriedigenden Eindruck, in den historischen Schränken
nicht nur die Ncmumontg, Sol-irumias sondern auch Hauffer's deutsche Ge¬
schichte zu bemerken.

Bibliothek und Kirche repräsentiren gewissermaßen die beiden wichtigsten
leiten der Thätigkeit des Stifrs. Die kirchliche Wirksamkeit seiner gegen-
bärtig 87 zählenden Mitglieder, von denen nur gegen 20 anwesend sind, be-


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[0227] rothe und graue Marmorfliesen bedecken den Boden. Die in sieben Abthei¬ lungen gegliederte Decke hat der Pinsel Altomonte's mit mythologischen und allegorischen Fresken geschmückt, das Innere des Saales stammet's Schnitz¬ kunst verziert. Vor allem im Mittelraum erheben sich die allegorischen Statuen, welche Tod, Gericht, Hölle und Himmel versinnbilden. Der erstere ist ein Gerippe mit der Sense, das zweite repräsentirt durch eine männliche, jugend¬ liche Figur, aus deren schönen Zügen die Angst lebendig spricht, die dritte durch eine wahrhaft abstoßend häßliche Gestalt mit Schweinskopf und Hängen- Brüsten und Schweinsfüßen, der vierte endlich durch eine weibliche Figur, die mit dem Ausdruck höchsten Glückes in den Zügen sich empor schwingt. Mag auch dem modernen Beschauer die Symbolik oft gesucht erscheinen, mag die „Hölle" einen geradezu widerwärtigen Eindruck machen, immerhin wird man in diesen z. Th. leidenschaftlich bewegten Figuren eine wunderbare Meisterschaft der Technik anerkennen müssen, eine wahrhaft virtuose Sicherheit in der Führung des Schnitzmessers und in der Behandlung des Materials, das übrigens durch Broncirung ganz unkenntlich gemacht ist. Der wette hohe Raum, die rothen Marmorsäulen mit goldnem Capitäl und grauem Postament, die rothgrauen Fliesen des Fußbodens, die weißgoldenen Schränke, der Bilderschmuck der Decke und die Broncegestalten in der Mitte, das Ganze erleuchtet durch hohe Bogenfenster, durch welche der Blick hinausschweift nach den ragenden Gipfeln, das Alles bringt einen prächtig harmonischen Eindruck hervor. Der Inhalt nun, den dieses kostbare Gehäuse birgt, ist dieser Hülle nicht un¬ würdig. Gegen 80.000 Bände, 1000 Handschriften, 800 Jncunabeln sind hier in stilvollen Schränken aufgestellt. An vielen der Manuscripte scheinen die Jahrhunderte spurlos vorübergegangen zu sein, und die gerade sind es, an denen die 800jährige ununterbrochene Geschichte des Stifts ihre redenden Zeugen hat. Als eine der ältesten zeigt man jene ehrwürdige Handschrift der Vulgata in vier mächtigen Foliobänden, welche die ersten Mönche aus Salzburg mit sich führten. Auch die Jncunabeln sind reich vertreten; so durch °me deutsche Bibel von 1477 und durch Ausgaben des Theuerdank, die der hohe Dichter Kaiser Maxiliman dem Kloster schenkte. Im übrigen wiegen Natürlich ältere Werke vor. Aber die Bibliothek wird fortwährend vermehrt; denn das Stift hat seine Aufgabe noch nicht vergessen. In den naturwissen¬ schaftlichen Fächern finden sich die wichtigsten neueren Erscheinungen vor, und ^ Macht einen recht befriedigenden Eindruck, in den historischen Schränken nicht nur die Ncmumontg, Sol-irumias sondern auch Hauffer's deutsche Ge¬ schichte zu bemerken. Bibliothek und Kirche repräsentiren gewissermaßen die beiden wichtigsten leiten der Thätigkeit des Stifrs. Die kirchliche Wirksamkeit seiner gegen- bärtig 87 zählenden Mitglieder, von denen nur gegen 20 anwesend sind, be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/227>, abgerufen am 27.09.2024.