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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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sich aber nicht ebenso rasch vermindern ließ, so sahen sie sich natürlich einem
Verluste an ihrem bisherigen Einkommen gegenüber und gewöhnten sich
überhaupt, die Wiederherstellung der Zahlungen in klingender Münze als eine
Benachtheiligung der Industrie zu betrachten und sich ablehnend dagegen zu
verhalten. Sie übersahen dabei gerne, daß die früher gewonnene Mehrein¬
nahme ein ganz unberechtigter Vortheil gewesen war, den sie eigentlich bei
der Bewegung zur Besserung rechtmäßig wieder zurückerstatten mußten. Die
Verständigeren unter den Producenten fangen aber an bereits einzusehen, daß
die Schwankungen des Agios und der Preise sowie die noch hinzukommende
Preiserhöhung, wegen der doppelten Prämie für die Gefahr der Schwankungen,
sie gegenüber ihren Concurrenten im Auslande in bleibenden Nachtheil versetzt,
weil sie theuerer als diese produciren.

Die österreichische Industrie ist aber nicht bloß dadurch im Nachtheil
gegen ihre ausländischen Concurrenten. daß sie während des Zwangcurses ver¬
hältnißmäßig höhere Preise und Löhne anzulegen hat. -- letztere wenigstens
in Beziehung zu Deutschland und der Schweiz -- sondern daß sie auch alle
Schwankungen des ausländischen Geldmarktes lebhafter mitzufühlen hat.
Von Anfang März 1875 bis zum Juli war das Silberagio in rapider Weise
von 5 pCt. bis auf 2/" pCt. herabgesunken. Mitte Oktober hatte es sich wieder
auf 6 pCt. erhoben und Ende Oktober war es wieder auf 3"/s PCt. gefallen.
Solche enorme Schwankungen können nicht anders als verderblich auf die
Production wirken, weil dieselbe mit Rücksicht auf ihren Absatz und ihre
Concurrenten demselben nicht so schnell nachfolgen kann. Namentlich wird
die Concurrenz mit dem Auslande im höchsten Grade erschwert. Diese letzteren
Schwankungen aber rührten lediglich von der deutschen Münzreform her und
den gewaltsamen Maßregeln der Diseontoerhöhung, zu welcher die deutsche
Negierung durch die begangenen Fehler genöthigt worden war. Als so Ende
September 1875 der Discontosatz der preußischen Bank auf 6 pCt. erhöht
worden war. der Zinssatz der österreichischen Nationalbank aber noch auf
4'/-" PCt. stand mußte natürlich auf dem österreichischen Capitalmarkte eine
Restriction sich fühlbar machen, umsomehr als derselbe auf einen Zufluß
deutschen Capitals regelmäßig zu rechnen pflegt. Nun ist es noch eine andere
mit dem Zwangscurs verknüpfte nachtheilige Erscheinung, daß die Geschäfts¬
leute alles aufbieten, um die Nationalbank zu reichlicher Discontirung bei
niedrigem Zinsfuß z" veranlassen. Die letzte Herabsetzung derselben von
5 auf 4Vz PCt. war der Nationalbank gegen den Willen ihres geschickten
Leiters. Herrn von Lucan aufgezwungen worden. Solche Nöthigungen sind,
wenn man den Gang der Dinge im großen Ganzen und in Beziehung auf
längere Perioden betrachtet um so schädlicher, als der Zinssatz unter dem
Zwangscurs überhaupt nicht so regelmäßig wie es sein sollte den Schwan-


sich aber nicht ebenso rasch vermindern ließ, so sahen sie sich natürlich einem
Verluste an ihrem bisherigen Einkommen gegenüber und gewöhnten sich
überhaupt, die Wiederherstellung der Zahlungen in klingender Münze als eine
Benachtheiligung der Industrie zu betrachten und sich ablehnend dagegen zu
verhalten. Sie übersahen dabei gerne, daß die früher gewonnene Mehrein¬
nahme ein ganz unberechtigter Vortheil gewesen war, den sie eigentlich bei
der Bewegung zur Besserung rechtmäßig wieder zurückerstatten mußten. Die
Verständigeren unter den Producenten fangen aber an bereits einzusehen, daß
die Schwankungen des Agios und der Preise sowie die noch hinzukommende
Preiserhöhung, wegen der doppelten Prämie für die Gefahr der Schwankungen,
sie gegenüber ihren Concurrenten im Auslande in bleibenden Nachtheil versetzt,
weil sie theuerer als diese produciren.

Die österreichische Industrie ist aber nicht bloß dadurch im Nachtheil
gegen ihre ausländischen Concurrenten. daß sie während des Zwangcurses ver¬
hältnißmäßig höhere Preise und Löhne anzulegen hat. — letztere wenigstens
in Beziehung zu Deutschland und der Schweiz — sondern daß sie auch alle
Schwankungen des ausländischen Geldmarktes lebhafter mitzufühlen hat.
Von Anfang März 1875 bis zum Juli war das Silberagio in rapider Weise
von 5 pCt. bis auf 2/» pCt. herabgesunken. Mitte Oktober hatte es sich wieder
auf 6 pCt. erhoben und Ende Oktober war es wieder auf 3»/s PCt. gefallen.
Solche enorme Schwankungen können nicht anders als verderblich auf die
Production wirken, weil dieselbe mit Rücksicht auf ihren Absatz und ihre
Concurrenten demselben nicht so schnell nachfolgen kann. Namentlich wird
die Concurrenz mit dem Auslande im höchsten Grade erschwert. Diese letzteren
Schwankungen aber rührten lediglich von der deutschen Münzreform her und
den gewaltsamen Maßregeln der Diseontoerhöhung, zu welcher die deutsche
Negierung durch die begangenen Fehler genöthigt worden war. Als so Ende
September 1875 der Discontosatz der preußischen Bank auf 6 pCt. erhöht
worden war. der Zinssatz der österreichischen Nationalbank aber noch auf
4'/-» PCt. stand mußte natürlich auf dem österreichischen Capitalmarkte eine
Restriction sich fühlbar machen, umsomehr als derselbe auf einen Zufluß
deutschen Capitals regelmäßig zu rechnen pflegt. Nun ist es noch eine andere
mit dem Zwangscurs verknüpfte nachtheilige Erscheinung, daß die Geschäfts¬
leute alles aufbieten, um die Nationalbank zu reichlicher Discontirung bei
niedrigem Zinsfuß z» veranlassen. Die letzte Herabsetzung derselben von
5 auf 4Vz PCt. war der Nationalbank gegen den Willen ihres geschickten
Leiters. Herrn von Lucan aufgezwungen worden. Solche Nöthigungen sind,
wenn man den Gang der Dinge im großen Ganzen und in Beziehung auf
längere Perioden betrachtet um so schädlicher, als der Zinssatz unter dem
Zwangscurs überhaupt nicht so regelmäßig wie es sein sollte den Schwan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/19>, abgerufen am 19.10.2024.