Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

unter dem Zwangscurs die Circulation von Staatspapiergeld oder Noten im
Verhältniß zu den Ansätzen vermehrt wird, um so höher steigt das Gold-
vder Silberagio; oder jemehr die Transaetionen bei unveränderter Circulation
an Umfang zunehmen, destomehr sinkt das Agio. In dem letzteren ist aber
nicht bloß der Procentsatz ausgedrückt, um welchen die Circulation durch das
Zwangspapiergeld über das Bedürfniß hinaus vermehrt ist, sondern es ist
darin auch jene oben erwähnte Prämie enthalten, gegen das Risico der Ver¬
luste, welche die fortwährenden Schwankungen des Agios mit sich bringen.

Diese mit der Regelmäßigkeit eines Gesetzes auftretenden und in allen
Ländern, welche vom Zwangscurs heimgesucht werden, beobachteten Erschei¬
nungen, haben sich auch in Oesterreich-Ungarn auf das deutlichste geltend ge¬
macht. Die Wirkung der Entwerthung der Circulationsmittel ist indessen
da nicht bei allen Geschäften und Transactionen zu gleicher Zeit eingetreten.
Die Erhöhung der Preise, welche eine nothwendige Folge dieser Entwerthung,
ist zuerst bei denjenigen Waaren oder Leistungen eingetreten, welche unmittel¬
bar unter dem Einfluß des Weltmarktes stehen, also bei denjenigen Artikeln
mit denen der auswärtige Handel sich beschäftigt, welche aus- und eingeführt
werden und sodann beim Großhandel überhaupt. Erst einige Zeit darauf
folgt der Detailhandel und die Wirthschaften nach. Erst zuletzt kam eine
entsprechende Steigerung der Löhne und der Gehalte, und Jahre vergingen,
bis die Besoldungen der Staatsdiener und derjenigen Beamten, deren Ein¬
kommen gesetzlich oder statutarisch firirt ist, dem wirklichen Werthverhältnisse
der Umlaufsmittel angepaßt waren. sooft nun auf der andern Seite das
Gold oder Silberagio anhaltend und bedeutend sank und eine ansehnliche
Verbesserung des Werthverhältnisses der Circulationsmittel eintrat, so machte
sich in derselben Weise auch die entgegengesetzte Bewegung geltend. In allen
jenen ähnlichen Perioden, wie wir sie oben aufgeführt haben, fiel wieder zuerst
der Preis der Waaren des Großhandels, später der der Artikel des Detail-
Verkehrs und zuletzt erst kamen die Löhne der Arbeiter an die Reihe, oft aber
auch gar nicht, weil die Besserung des Werthes der Circulationsmittel nicht
so lange dauerte, sondern schon vorher wieder eine Erhöhung des Metallagios
eintrat. Die Summe dieser Erscheinungen führte dazu, daß die großen
Fabrikanten, welche den Gang der ökonomischen Entwicklung nicht im Großen
und auf lange Zeit hinaus zu übersehen pflegen, sich mehr oder weniger mit
dem Zwangscurs befreundeten, weil sie denselben als eine Art Schutzzoll an¬
sehen. Beim Eintreten und Steigen des Metallagios erhöhten sie nämlich
den Preis ihrer Waaren sofort im entsprechenden Verhältnisse, bezahlten aber
noch längere Zeit den alten niedrigeren Lohn und steckten die Differenz in
die Tasche. Sobald dann aber das Metallagio wieder sank und die Preise
ihrer Artikel demgemäß herabgesetzt werden mußten, der Lohn der Arbeiter


unter dem Zwangscurs die Circulation von Staatspapiergeld oder Noten im
Verhältniß zu den Ansätzen vermehrt wird, um so höher steigt das Gold-
vder Silberagio; oder jemehr die Transaetionen bei unveränderter Circulation
an Umfang zunehmen, destomehr sinkt das Agio. In dem letzteren ist aber
nicht bloß der Procentsatz ausgedrückt, um welchen die Circulation durch das
Zwangspapiergeld über das Bedürfniß hinaus vermehrt ist, sondern es ist
darin auch jene oben erwähnte Prämie enthalten, gegen das Risico der Ver¬
luste, welche die fortwährenden Schwankungen des Agios mit sich bringen.

Diese mit der Regelmäßigkeit eines Gesetzes auftretenden und in allen
Ländern, welche vom Zwangscurs heimgesucht werden, beobachteten Erschei¬
nungen, haben sich auch in Oesterreich-Ungarn auf das deutlichste geltend ge¬
macht. Die Wirkung der Entwerthung der Circulationsmittel ist indessen
da nicht bei allen Geschäften und Transactionen zu gleicher Zeit eingetreten.
Die Erhöhung der Preise, welche eine nothwendige Folge dieser Entwerthung,
ist zuerst bei denjenigen Waaren oder Leistungen eingetreten, welche unmittel¬
bar unter dem Einfluß des Weltmarktes stehen, also bei denjenigen Artikeln
mit denen der auswärtige Handel sich beschäftigt, welche aus- und eingeführt
werden und sodann beim Großhandel überhaupt. Erst einige Zeit darauf
folgt der Detailhandel und die Wirthschaften nach. Erst zuletzt kam eine
entsprechende Steigerung der Löhne und der Gehalte, und Jahre vergingen,
bis die Besoldungen der Staatsdiener und derjenigen Beamten, deren Ein¬
kommen gesetzlich oder statutarisch firirt ist, dem wirklichen Werthverhältnisse
der Umlaufsmittel angepaßt waren. sooft nun auf der andern Seite das
Gold oder Silberagio anhaltend und bedeutend sank und eine ansehnliche
Verbesserung des Werthverhältnisses der Circulationsmittel eintrat, so machte
sich in derselben Weise auch die entgegengesetzte Bewegung geltend. In allen
jenen ähnlichen Perioden, wie wir sie oben aufgeführt haben, fiel wieder zuerst
der Preis der Waaren des Großhandels, später der der Artikel des Detail-
Verkehrs und zuletzt erst kamen die Löhne der Arbeiter an die Reihe, oft aber
auch gar nicht, weil die Besserung des Werthes der Circulationsmittel nicht
so lange dauerte, sondern schon vorher wieder eine Erhöhung des Metallagios
eintrat. Die Summe dieser Erscheinungen führte dazu, daß die großen
Fabrikanten, welche den Gang der ökonomischen Entwicklung nicht im Großen
und auf lange Zeit hinaus zu übersehen pflegen, sich mehr oder weniger mit
dem Zwangscurs befreundeten, weil sie denselben als eine Art Schutzzoll an¬
sehen. Beim Eintreten und Steigen des Metallagios erhöhten sie nämlich
den Preis ihrer Waaren sofort im entsprechenden Verhältnisse, bezahlten aber
noch längere Zeit den alten niedrigeren Lohn und steckten die Differenz in
die Tasche. Sobald dann aber das Metallagio wieder sank und die Preise
ihrer Artikel demgemäß herabgesetzt werden mußten, der Lohn der Arbeiter


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136129"/>
          <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> unter dem Zwangscurs die Circulation von Staatspapiergeld oder Noten im<lb/>
Verhältniß zu den Ansätzen vermehrt wird, um so höher steigt das Gold-<lb/>
vder Silberagio; oder jemehr die Transaetionen bei unveränderter Circulation<lb/>
an Umfang zunehmen, destomehr sinkt das Agio. In dem letzteren ist aber<lb/>
nicht bloß der Procentsatz ausgedrückt, um welchen die Circulation durch das<lb/>
Zwangspapiergeld über das Bedürfniß hinaus vermehrt ist, sondern es ist<lb/>
darin auch jene oben erwähnte Prämie enthalten, gegen das Risico der Ver¬<lb/>
luste, welche die fortwährenden Schwankungen des Agios mit sich bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_27" next="#ID_28"> Diese mit der Regelmäßigkeit eines Gesetzes auftretenden und in allen<lb/>
Ländern, welche vom Zwangscurs heimgesucht werden, beobachteten Erschei¬<lb/>
nungen, haben sich auch in Oesterreich-Ungarn auf das deutlichste geltend ge¬<lb/>
macht. Die Wirkung der Entwerthung der Circulationsmittel ist indessen<lb/>
da nicht bei allen Geschäften und Transactionen zu gleicher Zeit eingetreten.<lb/>
Die Erhöhung der Preise, welche eine nothwendige Folge dieser Entwerthung,<lb/>
ist zuerst bei denjenigen Waaren oder Leistungen eingetreten, welche unmittel¬<lb/>
bar unter dem Einfluß des Weltmarktes stehen, also bei denjenigen Artikeln<lb/>
mit denen der auswärtige Handel sich beschäftigt, welche aus- und eingeführt<lb/>
werden und sodann beim Großhandel überhaupt. Erst einige Zeit darauf<lb/>
folgt der Detailhandel und die Wirthschaften nach. Erst zuletzt kam eine<lb/>
entsprechende Steigerung der Löhne und der Gehalte, und Jahre vergingen,<lb/>
bis die Besoldungen der Staatsdiener und derjenigen Beamten, deren Ein¬<lb/>
kommen gesetzlich oder statutarisch firirt ist, dem wirklichen Werthverhältnisse<lb/>
der Umlaufsmittel angepaßt waren. sooft nun auf der andern Seite das<lb/>
Gold oder Silberagio anhaltend und bedeutend sank und eine ansehnliche<lb/>
Verbesserung des Werthverhältnisses der Circulationsmittel eintrat, so machte<lb/>
sich in derselben Weise auch die entgegengesetzte Bewegung geltend. In allen<lb/>
jenen ähnlichen Perioden, wie wir sie oben aufgeführt haben, fiel wieder zuerst<lb/>
der Preis der Waaren des Großhandels, später der der Artikel des Detail-<lb/>
Verkehrs und zuletzt erst kamen die Löhne der Arbeiter an die Reihe, oft aber<lb/>
auch gar nicht, weil die Besserung des Werthes der Circulationsmittel nicht<lb/>
so lange dauerte, sondern schon vorher wieder eine Erhöhung des Metallagios<lb/>
eintrat. Die Summe dieser Erscheinungen führte dazu, daß die großen<lb/>
Fabrikanten, welche den Gang der ökonomischen Entwicklung nicht im Großen<lb/>
und auf lange Zeit hinaus zu übersehen pflegen, sich mehr oder weniger mit<lb/>
dem Zwangscurs befreundeten, weil sie denselben als eine Art Schutzzoll an¬<lb/>
sehen. Beim Eintreten und Steigen des Metallagios erhöhten sie nämlich<lb/>
den Preis ihrer Waaren sofort im entsprechenden Verhältnisse, bezahlten aber<lb/>
noch längere Zeit den alten niedrigeren Lohn und steckten die Differenz in<lb/>
die Tasche. Sobald dann aber das Metallagio wieder sank und die Preise<lb/>
ihrer Artikel demgemäß herabgesetzt werden mußten, der Lohn der Arbeiter</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] unter dem Zwangscurs die Circulation von Staatspapiergeld oder Noten im Verhältniß zu den Ansätzen vermehrt wird, um so höher steigt das Gold- vder Silberagio; oder jemehr die Transaetionen bei unveränderter Circulation an Umfang zunehmen, destomehr sinkt das Agio. In dem letzteren ist aber nicht bloß der Procentsatz ausgedrückt, um welchen die Circulation durch das Zwangspapiergeld über das Bedürfniß hinaus vermehrt ist, sondern es ist darin auch jene oben erwähnte Prämie enthalten, gegen das Risico der Ver¬ luste, welche die fortwährenden Schwankungen des Agios mit sich bringen. Diese mit der Regelmäßigkeit eines Gesetzes auftretenden und in allen Ländern, welche vom Zwangscurs heimgesucht werden, beobachteten Erschei¬ nungen, haben sich auch in Oesterreich-Ungarn auf das deutlichste geltend ge¬ macht. Die Wirkung der Entwerthung der Circulationsmittel ist indessen da nicht bei allen Geschäften und Transactionen zu gleicher Zeit eingetreten. Die Erhöhung der Preise, welche eine nothwendige Folge dieser Entwerthung, ist zuerst bei denjenigen Waaren oder Leistungen eingetreten, welche unmittel¬ bar unter dem Einfluß des Weltmarktes stehen, also bei denjenigen Artikeln mit denen der auswärtige Handel sich beschäftigt, welche aus- und eingeführt werden und sodann beim Großhandel überhaupt. Erst einige Zeit darauf folgt der Detailhandel und die Wirthschaften nach. Erst zuletzt kam eine entsprechende Steigerung der Löhne und der Gehalte, und Jahre vergingen, bis die Besoldungen der Staatsdiener und derjenigen Beamten, deren Ein¬ kommen gesetzlich oder statutarisch firirt ist, dem wirklichen Werthverhältnisse der Umlaufsmittel angepaßt waren. sooft nun auf der andern Seite das Gold oder Silberagio anhaltend und bedeutend sank und eine ansehnliche Verbesserung des Werthverhältnisses der Circulationsmittel eintrat, so machte sich in derselben Weise auch die entgegengesetzte Bewegung geltend. In allen jenen ähnlichen Perioden, wie wir sie oben aufgeführt haben, fiel wieder zuerst der Preis der Waaren des Großhandels, später der der Artikel des Detail- Verkehrs und zuletzt erst kamen die Löhne der Arbeiter an die Reihe, oft aber auch gar nicht, weil die Besserung des Werthes der Circulationsmittel nicht so lange dauerte, sondern schon vorher wieder eine Erhöhung des Metallagios eintrat. Die Summe dieser Erscheinungen führte dazu, daß die großen Fabrikanten, welche den Gang der ökonomischen Entwicklung nicht im Großen und auf lange Zeit hinaus zu übersehen pflegen, sich mehr oder weniger mit dem Zwangscurs befreundeten, weil sie denselben als eine Art Schutzzoll an¬ sehen. Beim Eintreten und Steigen des Metallagios erhöhten sie nämlich den Preis ihrer Waaren sofort im entsprechenden Verhältnisse, bezahlten aber noch längere Zeit den alten niedrigeren Lohn und steckten die Differenz in die Tasche. Sobald dann aber das Metallagio wieder sank und die Preise ihrer Artikel demgemäß herabgesetzt werden mußten, der Lohn der Arbeiter

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/18>, abgerufen am 19.10.2024.