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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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lungen des internationalen Geldmarktes angepaßt wird, weil man sich durch
die Ausgabe uneinlöslicher Noten leichter die erforderlichen Mittel schaffen
zu können glaubt. Unter solchen Umständen bleibt nichts übrig, als daß ge¬
wissermaßen der Kraftmesser des Geldmarktes in den Wechselcurs und das
Metallagio verlegt wird. Nachdem der Diskontosatz der preußischen Bank
auf 6 pCt. erhöht war und das deutsche Capital wegen des um 1^ pCt.
niedrigeren Zinsfußes der österreichischen Nationalbank sich von Oesterreich
zurückzuhalten begann, wurde die österreichische Nationalbank natürlich mit
stärkeren Discontforderungen bestürmt und ihre Discontirungen stiegen im
Oktober um 13 Millionen Gulden. Da der Zinssatz nicht verändert wurde,
so mußte natürlicher Weise das Silberagio steigen, dasselbe erhöhte sich von
180 auf 8 pCt. oder um 3Vs PCt. innerhalb drei Wochen. Erst Ende Oktober
ist es wieder um 1^/5 pCt. gesunken, aus dem naheliegenden Grunde, daß
die Disconroerhöhung der preußischen Bank ihre Wirkung nicht verfehlt hatte
und allen außerordentlichen Anforderungen ein Ende gemacht.

Alle diese Nachtheile welche der Zwangscurs mit sich führt, sind sowohl
von Seite der Negierung, wie von der Volksrepräsentation längst erkannt.
Wenn auch, insbesondere zur Zeit des Ausbruches der Krisis, noch Stimmen
laut wurden, welche Abhilfe in einer Vermehrung des Staatspapiergeldes er¬
warteten, so haben diese Stimmen doch keinen Anhang gefunden und es
unterliegt keinem Zweifel mehr, daß alle Einsichtigen von den Nachtheilen des
Zwangscurses überzeugt sind.

Während also fast Jedermann darüber einig ist, daß es von großem
Vortheil, für den Staat sowohl als für die Privatgeschäfte wäre, zur Zah¬
lung in klingender Münze zurückzukehren, walten nur noch Zweifel darüber,
ob es schon gegenwärtig möglich oder nützlich sei, die Vorbereitungen dazu zu
beginnen. Die Einen, und unter ihnen vorzugsweise die großen Fabrikanten
sind aus Grund der oben geschilderten Preisbewegung der Ansicht, daß das
Metallagio gleich einem Schutzzoll wirke und daß man es daher bei der in
Folge der Krisis ungewöhnlich gedrückten Lage der Industrie nicht beseitigen
könne. Ueberdieß würde die mit der Rückkehr zum Metallgeld nothwendig
verbundene Einschränkung der Circulationsmittel eine Erhöhung des Dis-
contosatzes zur Folge haben. Die Anderen halten es gegenwärtig für un¬
möglich, die Geldmittel aufzubringen, welche die Operation der Wiederherstel¬
lung der Zahlungen in Metallgeld erfordern würde. Noch Andere fürchten,
daß alle finanziellen Opfer, auch wenn jene Schwierigkeiten überwunden
würden, vergeblich gebracht sein würden, sobald der Friede gestört würde,
weil die Regierung im Kriegsfall genöthigt sein würde, ihre Zuflucht wieder
zu einem Zwangsanlehen in Gestalt einer Vermehrung des Papiergeldes zu
nehmen.


lungen des internationalen Geldmarktes angepaßt wird, weil man sich durch
die Ausgabe uneinlöslicher Noten leichter die erforderlichen Mittel schaffen
zu können glaubt. Unter solchen Umständen bleibt nichts übrig, als daß ge¬
wissermaßen der Kraftmesser des Geldmarktes in den Wechselcurs und das
Metallagio verlegt wird. Nachdem der Diskontosatz der preußischen Bank
auf 6 pCt. erhöht war und das deutsche Capital wegen des um 1^ pCt.
niedrigeren Zinsfußes der österreichischen Nationalbank sich von Oesterreich
zurückzuhalten begann, wurde die österreichische Nationalbank natürlich mit
stärkeren Discontforderungen bestürmt und ihre Discontirungen stiegen im
Oktober um 13 Millionen Gulden. Da der Zinssatz nicht verändert wurde,
so mußte natürlicher Weise das Silberagio steigen, dasselbe erhöhte sich von
180 auf 8 pCt. oder um 3Vs PCt. innerhalb drei Wochen. Erst Ende Oktober
ist es wieder um 1^/5 pCt. gesunken, aus dem naheliegenden Grunde, daß
die Disconroerhöhung der preußischen Bank ihre Wirkung nicht verfehlt hatte
und allen außerordentlichen Anforderungen ein Ende gemacht.

Alle diese Nachtheile welche der Zwangscurs mit sich führt, sind sowohl
von Seite der Negierung, wie von der Volksrepräsentation längst erkannt.
Wenn auch, insbesondere zur Zeit des Ausbruches der Krisis, noch Stimmen
laut wurden, welche Abhilfe in einer Vermehrung des Staatspapiergeldes er¬
warteten, so haben diese Stimmen doch keinen Anhang gefunden und es
unterliegt keinem Zweifel mehr, daß alle Einsichtigen von den Nachtheilen des
Zwangscurses überzeugt sind.

Während also fast Jedermann darüber einig ist, daß es von großem
Vortheil, für den Staat sowohl als für die Privatgeschäfte wäre, zur Zah¬
lung in klingender Münze zurückzukehren, walten nur noch Zweifel darüber,
ob es schon gegenwärtig möglich oder nützlich sei, die Vorbereitungen dazu zu
beginnen. Die Einen, und unter ihnen vorzugsweise die großen Fabrikanten
sind aus Grund der oben geschilderten Preisbewegung der Ansicht, daß das
Metallagio gleich einem Schutzzoll wirke und daß man es daher bei der in
Folge der Krisis ungewöhnlich gedrückten Lage der Industrie nicht beseitigen
könne. Ueberdieß würde die mit der Rückkehr zum Metallgeld nothwendig
verbundene Einschränkung der Circulationsmittel eine Erhöhung des Dis-
contosatzes zur Folge haben. Die Anderen halten es gegenwärtig für un¬
möglich, die Geldmittel aufzubringen, welche die Operation der Wiederherstel¬
lung der Zahlungen in Metallgeld erfordern würde. Noch Andere fürchten,
daß alle finanziellen Opfer, auch wenn jene Schwierigkeiten überwunden
würden, vergeblich gebracht sein würden, sobald der Friede gestört würde,
weil die Regierung im Kriegsfall genöthigt sein würde, ihre Zuflucht wieder
zu einem Zwangsanlehen in Gestalt einer Vermehrung des Papiergeldes zu
nehmen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/20>, abgerufen am 19.10.2024.