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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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kräftet und mehrere von den weniger wichtigen Behauptungen der Herren
Svein und Kautsch widerlegt hat.*)

Ehe wir einen Blick auf diese neue Erörterung des Gegenstandes werfen,
erwähne ich des erheiternden Zwischenfalls, daß einer der Kritiker des "Athe¬
näum" das Buch von Svein und Kautsch in der Nummer dieses Blattes vom
26. Februar mit Entrüstung als eine Vertheidigung der Echtheit der Scha-
pira'schen Thonwaaren heruntermacht. Der Gute kann nicht annehmen,
daß Gelehrte wie die Genannten, "bewußt die Hand dazu bieten würden,
solche Fälschungen herauszustreichen"; "eher möchte er glauben, daß sie bei
gänzlicher Urkunde von jeder Form der Archäologie von Herrn Schlottmann
bezaubert worden seien." Er will von dem Buche "nicht unfreundlich sprechen",
hofft aber, "man werde ihm zu sagen erlauben, daß er selten einem so merk¬
würdigen Beispiele übelangewendeter Gelehrsamkeit begegnet." Der gute
Mann hat natürlich von der Schrift nicht eine Zeile außer dem Titel gelesen
und ist auf die "Aechtheit" in letzterem reingefallen. Die Geschichte gehört
gleich neben die vom Theaterrecensenten, der ein Stück herunterriß, welches
an den Ecken angekündigt worden war, dann aber nicht aufgeführt wurde.

Das Buch Koch's ist mir noch nicht zur Hand, ich habe vor mir aber
Recensionen desselben von Rottele (Liter. Centralbl. Ur. 13) und Svein
(Ausland Ur. 13). die mir vorläufig genügen. Enthält jenes mehr von Werth,
was hier unbeachtet geblieben ist, so wird ein berichtigender oder ergänzender
Nachtrag folgen. Nach meinen beiden Gewährsmännern hat Koch nachge¬
wiesen, oder doch der Wahrscheinlichkeit nahe gebracht, daß Selim El Gari
nicht schuldig oder doch nicht in der Weise schuldig ist, als Svein annahm.
Damit aber wäre noch lange nicht dargethan, daß hier kein Betrug vorliegt;
denn, wie uns gerade Koch wieder recht deutlich zeigt, wimmelt es in Palä¬
stina von Betrügern und Betrogenen aller Art. Er führt den Beweis, daß
gewisse, angeblich moabitische Steininschriften allesammt, nur die des Mesa aus¬
genommen, gefälscht sind. Die wichtigsten dieser Inscriptionen tragen aber
in Schrift und angeblicher Sprache wesentlich denselben Charakter wie die auf
den Thonwaaren, nur daß bei diesen die bedenklichen Züge noch stärker her¬
vortreten. "Werden nun nicht schon dadurch diese Thonsachen in das ver¬
dächtigste Licht gebracht?" fragt Rottele. Svein glaubt jetzt, daß die Ver¬
fertiger der Thonwaaren andere gewesen sind, als die der Steininschriften,
aber mit dem Resultate von Koch's Untersuchung, daß zwischen beiden kein
Zusammenhang existire, kann er sich "durchaus nicht einverstanden erklären".
Die Sinnlosigkeit der Inschriften auf den Thonwaaren, einer der Hauptgründe
gegen deren Echtheit, erkennt Koch an. Das fadenscheinige Auskunftsmittel,



") Moavitisch oder Selimisch? Die Frage der moavitischen Alterthümer neu untersucht
von Adolph Koch, Professor in Schaffhausen. Stuttgart, Schweizerbart, 1876.

kräftet und mehrere von den weniger wichtigen Behauptungen der Herren
Svein und Kautsch widerlegt hat.*)

Ehe wir einen Blick auf diese neue Erörterung des Gegenstandes werfen,
erwähne ich des erheiternden Zwischenfalls, daß einer der Kritiker des „Athe¬
näum" das Buch von Svein und Kautsch in der Nummer dieses Blattes vom
26. Februar mit Entrüstung als eine Vertheidigung der Echtheit der Scha-
pira'schen Thonwaaren heruntermacht. Der Gute kann nicht annehmen,
daß Gelehrte wie die Genannten, „bewußt die Hand dazu bieten würden,
solche Fälschungen herauszustreichen"; „eher möchte er glauben, daß sie bei
gänzlicher Urkunde von jeder Form der Archäologie von Herrn Schlottmann
bezaubert worden seien." Er will von dem Buche „nicht unfreundlich sprechen",
hofft aber, „man werde ihm zu sagen erlauben, daß er selten einem so merk¬
würdigen Beispiele übelangewendeter Gelehrsamkeit begegnet." Der gute
Mann hat natürlich von der Schrift nicht eine Zeile außer dem Titel gelesen
und ist auf die „Aechtheit" in letzterem reingefallen. Die Geschichte gehört
gleich neben die vom Theaterrecensenten, der ein Stück herunterriß, welches
an den Ecken angekündigt worden war, dann aber nicht aufgeführt wurde.

Das Buch Koch's ist mir noch nicht zur Hand, ich habe vor mir aber
Recensionen desselben von Rottele (Liter. Centralbl. Ur. 13) und Svein
(Ausland Ur. 13). die mir vorläufig genügen. Enthält jenes mehr von Werth,
was hier unbeachtet geblieben ist, so wird ein berichtigender oder ergänzender
Nachtrag folgen. Nach meinen beiden Gewährsmännern hat Koch nachge¬
wiesen, oder doch der Wahrscheinlichkeit nahe gebracht, daß Selim El Gari
nicht schuldig oder doch nicht in der Weise schuldig ist, als Svein annahm.
Damit aber wäre noch lange nicht dargethan, daß hier kein Betrug vorliegt;
denn, wie uns gerade Koch wieder recht deutlich zeigt, wimmelt es in Palä¬
stina von Betrügern und Betrogenen aller Art. Er führt den Beweis, daß
gewisse, angeblich moabitische Steininschriften allesammt, nur die des Mesa aus¬
genommen, gefälscht sind. Die wichtigsten dieser Inscriptionen tragen aber
in Schrift und angeblicher Sprache wesentlich denselben Charakter wie die auf
den Thonwaaren, nur daß bei diesen die bedenklichen Züge noch stärker her¬
vortreten. „Werden nun nicht schon dadurch diese Thonsachen in das ver¬
dächtigste Licht gebracht?" fragt Rottele. Svein glaubt jetzt, daß die Ver¬
fertiger der Thonwaaren andere gewesen sind, als die der Steininschriften,
aber mit dem Resultate von Koch's Untersuchung, daß zwischen beiden kein
Zusammenhang existire, kann er sich „durchaus nicht einverstanden erklären".
Die Sinnlosigkeit der Inschriften auf den Thonwaaren, einer der Hauptgründe
gegen deren Echtheit, erkennt Koch an. Das fadenscheinige Auskunftsmittel,



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/97>, abgerufen am 27.11.2024.