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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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die in ihrer breiten und wohlstilisirten Art an die Reden erinnern, die Livius
seinen Helden in den Mund legt. Doch trifft den Verfasser bei den meisten
dieser Elaborate allerdings nur die Hälfte der Schuld, da er sie Herrn Jules
Favre in gutem Glauben nachgeschrieben hat, dem er beiläufig auch nach¬
erzählt, in dem Jagdsaale zu Schloß Ferriöres, wo jenes Mitglied der da-
maltgen pariser Machthaber die bekannten Unterredungen mit dem Bundes¬
kanzler hatte, sei "die preußische Post eingerichtet" gewesen, während ihn viel¬
mehr die Räthe und Secretäre des auswärtigen Amtes innehalten. Ein paar
andere kleine Irrthümer sind folgende. In Göttingen wettete der Student
v. Bismarck nach dem Verfasser mit einem "Engländer" Namens "Corvin".
in zwanzig Jahren werde Deutschland einig sein. Diese bezeichnende Anek¬
dote ist richtig bis auf den Engländer, der eigentlich ein Amerikaner war,
und bis auf den Corvin, der in Wahrheit Coffin hieß. Das Haus auf der
Rue de Provence in Versailles, welches Fürst Bismarck fünf Monate be¬
wohnte, war nicht Nummer 12. sondern Nummer 14. Zu Seite 524 ist zu
bemerken, daß der amerikanische General Sheridan sich nicht erst am S. Oc-
tober im Hauptquartier einstellte, sondern sich demselben schon in Pont Z,
Moussou anschloß, an der Seite des Bundeskanzlers der Schlacht bei Grave-
lotte beiwohnte und mit einigen Unterbrechungen bis in die erste Woche des
Oetober in seiner Begleitung blieb. Bei dem Nachtlager unter den Arkaden
des horsitzer Marktes ging es anders zu, als Seite 364 berichtet wird; auch
hat der Fürst in dieser Nacht nach der Schlacht bet Königgrätz sich ganz
sicher nicht mit den Betrachtungen beschäftigt, die ihm Herr v. Köppen dort
durch den Kops gehen läßt, sondern sich vielmehr ganz prosaisch ein besseres
Unterkommen als unter den Spuren der dort vorbeigetriebnen Kuhheerde
gewünscht. Wir erwähnen das Letztere nur, um an einem von mehrern
Beispielen zu zeigen, daß der Verfasser bisweilen für den Reichskanzler denkt,
und daß er dieß in der Regel mit Pathos, aber nicht immer der Sache und
Gelegenheit angemessen verrichtet.

Unter den zahlreichen Holzschnitten, mit denen das Buch illustrirt ist,
befindet sich eine Anzahl gute. Viele sind mittelgut, einige stehen nur in
entfernter, andere in gar keiner Beziehung zum Leben des Reichskanzlers,
höchstens zu einer der unnöthigen Abschweifungen von demselben, die der
Verfasser sich gelegentlich erlaubt. Was soll u. A. Carl Mathy vor dem
Großherzog von Baden, was soll der Rückzug der Dänen aus Holstein, was
sollen die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm den Vierten
die Wahlen zum Reichstag, die Mitglieder des Reichstags vor einer dicken
Schiffskanone, und was sollen nun gar die Königsparade der Düppelstürmer,
die Fahnenparade aus Seite 217 und die letzte Königsparade der alten Ritter
des eisernen Kreuzes mit Papa Wrangel in diesem Zusammenhange? Doch


die in ihrer breiten und wohlstilisirten Art an die Reden erinnern, die Livius
seinen Helden in den Mund legt. Doch trifft den Verfasser bei den meisten
dieser Elaborate allerdings nur die Hälfte der Schuld, da er sie Herrn Jules
Favre in gutem Glauben nachgeschrieben hat, dem er beiläufig auch nach¬
erzählt, in dem Jagdsaale zu Schloß Ferriöres, wo jenes Mitglied der da-
maltgen pariser Machthaber die bekannten Unterredungen mit dem Bundes¬
kanzler hatte, sei „die preußische Post eingerichtet" gewesen, während ihn viel¬
mehr die Räthe und Secretäre des auswärtigen Amtes innehalten. Ein paar
andere kleine Irrthümer sind folgende. In Göttingen wettete der Student
v. Bismarck nach dem Verfasser mit einem „Engländer" Namens „Corvin".
in zwanzig Jahren werde Deutschland einig sein. Diese bezeichnende Anek¬
dote ist richtig bis auf den Engländer, der eigentlich ein Amerikaner war,
und bis auf den Corvin, der in Wahrheit Coffin hieß. Das Haus auf der
Rue de Provence in Versailles, welches Fürst Bismarck fünf Monate be¬
wohnte, war nicht Nummer 12. sondern Nummer 14. Zu Seite 524 ist zu
bemerken, daß der amerikanische General Sheridan sich nicht erst am S. Oc-
tober im Hauptquartier einstellte, sondern sich demselben schon in Pont Z,
Moussou anschloß, an der Seite des Bundeskanzlers der Schlacht bei Grave-
lotte beiwohnte und mit einigen Unterbrechungen bis in die erste Woche des
Oetober in seiner Begleitung blieb. Bei dem Nachtlager unter den Arkaden
des horsitzer Marktes ging es anders zu, als Seite 364 berichtet wird; auch
hat der Fürst in dieser Nacht nach der Schlacht bet Königgrätz sich ganz
sicher nicht mit den Betrachtungen beschäftigt, die ihm Herr v. Köppen dort
durch den Kops gehen läßt, sondern sich vielmehr ganz prosaisch ein besseres
Unterkommen als unter den Spuren der dort vorbeigetriebnen Kuhheerde
gewünscht. Wir erwähnen das Letztere nur, um an einem von mehrern
Beispielen zu zeigen, daß der Verfasser bisweilen für den Reichskanzler denkt,
und daß er dieß in der Regel mit Pathos, aber nicht immer der Sache und
Gelegenheit angemessen verrichtet.

Unter den zahlreichen Holzschnitten, mit denen das Buch illustrirt ist,
befindet sich eine Anzahl gute. Viele sind mittelgut, einige stehen nur in
entfernter, andere in gar keiner Beziehung zum Leben des Reichskanzlers,
höchstens zu einer der unnöthigen Abschweifungen von demselben, die der
Verfasser sich gelegentlich erlaubt. Was soll u. A. Carl Mathy vor dem
Großherzog von Baden, was soll der Rückzug der Dänen aus Holstein, was
sollen die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm den Vierten
die Wahlen zum Reichstag, die Mitglieder des Reichstags vor einer dicken
Schiffskanone, und was sollen nun gar die Königsparade der Düppelstürmer,
die Fahnenparade aus Seite 217 und die letzte Königsparade der alten Ritter
des eisernen Kreuzes mit Papa Wrangel in diesem Zusammenhange? Doch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/83>, abgerufen am 27.11.2024.