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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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wohl nur paradiren, im Widerspruch mit der alten guten Regel "Nullum,
non nuits,", die Menge der Illustrationen schwellen und -- alte Vorräthe
noch einmal verwerthen helfen. Das Haus endlich, in welchem Fürst Bismarck
in Versailles wohnte, ist hier kaum wiederzuerkennen. Die Rue de Provence
hat nicht nur keine solchen Bäume, wie man sie hier zu sehen bekommt, son>
dern überhaupt keine, und die Villa der Madame Jesse steht nicht wie hier
dicht an der Straße, sondern ist von ihr durch eine Mauer und ein Gitter
abgesperrt, welche das Parterre nur theilweise sehen lassen. Ein richtiges Bild
aber wäre leicht zu haben gewesen, da eine gute Photographie davon existirt.
Vielleicht berücksichtigt das die Verlagshandlung, wenn eine zweite Auflage
nöthig wird, die wir dem Buche trotz unsrer Ausstellungen als einem von
patriotischem Geiste getragenen wünschen wollen.


Der Rattenfänger von Hameln. Eine Aventiure von Julius Wolff.
Berlin, Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1875.

Eine freie Behandlung der bekannten, in d. Bl. vor Kurzem gedeuteten
Mythe mit Einflechtung einer Liebesgeschichte. Mit Ausnahme einiger Stellen,
die nicht mehr als in Verse gebrachte Prosa sind, ist diese Dichtung als
Ganzes, sowohl in der Composition als in Stil und Sprache, eine sehr be"
achtenswerthe und ansprechende Leistung, die sich mit ihrem Gefühl wie mit
ihrem Humor weit über das übrige Poetengezwitscher der Gegenwart erhebt.
Einige von den eingestreuten lyrischen Stücken (die Lieder des Spielmanns
in Ur. 4 und Ur. 15) gehören zu dem Besten, was in Nachahmung oder
besser Nachempfindung der mittelalterlichen Lyrik seit Uhland gesungen
worden ist.


Reise durch Griechenland, Kleinasien, die^troische Ebene, Constan-
tinopel, Rom und Sicilien. -- Aus den Tagebüchern und Briefen von Fritz
von Farenheid. Königsberg, Hartung'sche Verlagsbuchdruckerei. 1875.

Daß man die Tagebücher einer vor vierunddreißig Jahren unternommenen
Reise in seitdem vielbesuchte Länder selbst noch mit Interesse betrachtet, auch
wenn sie außer einer guten Schilderung der betreffenden Gegenden, Orte und
Menschen, nichts enthalten, was neu oder wenigstens auf besondere
Weise dargestellt wäre, ist natürlich; daß man sie für gute Freunde drucken
läßt, zeigt einen vollen Beutel und ein wohlwollendes Herz. Daß man sie
in den Buchhandel giebt, ist durch nichts gerechtfertigt, auch nicht durch die
elegante Ausstattung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel " Herrmann in Leipzig.

wohl nur paradiren, im Widerspruch mit der alten guten Regel «Nullum,
non nuits,", die Menge der Illustrationen schwellen und — alte Vorräthe
noch einmal verwerthen helfen. Das Haus endlich, in welchem Fürst Bismarck
in Versailles wohnte, ist hier kaum wiederzuerkennen. Die Rue de Provence
hat nicht nur keine solchen Bäume, wie man sie hier zu sehen bekommt, son>
dern überhaupt keine, und die Villa der Madame Jesse steht nicht wie hier
dicht an der Straße, sondern ist von ihr durch eine Mauer und ein Gitter
abgesperrt, welche das Parterre nur theilweise sehen lassen. Ein richtiges Bild
aber wäre leicht zu haben gewesen, da eine gute Photographie davon existirt.
Vielleicht berücksichtigt das die Verlagshandlung, wenn eine zweite Auflage
nöthig wird, die wir dem Buche trotz unsrer Ausstellungen als einem von
patriotischem Geiste getragenen wünschen wollen.


Der Rattenfänger von Hameln. Eine Aventiure von Julius Wolff.
Berlin, Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1875.

Eine freie Behandlung der bekannten, in d. Bl. vor Kurzem gedeuteten
Mythe mit Einflechtung einer Liebesgeschichte. Mit Ausnahme einiger Stellen,
die nicht mehr als in Verse gebrachte Prosa sind, ist diese Dichtung als
Ganzes, sowohl in der Composition als in Stil und Sprache, eine sehr be»
achtenswerthe und ansprechende Leistung, die sich mit ihrem Gefühl wie mit
ihrem Humor weit über das übrige Poetengezwitscher der Gegenwart erhebt.
Einige von den eingestreuten lyrischen Stücken (die Lieder des Spielmanns
in Ur. 4 und Ur. 15) gehören zu dem Besten, was in Nachahmung oder
besser Nachempfindung der mittelalterlichen Lyrik seit Uhland gesungen
worden ist.


Reise durch Griechenland, Kleinasien, die^troische Ebene, Constan-
tinopel, Rom und Sicilien. — Aus den Tagebüchern und Briefen von Fritz
von Farenheid. Königsberg, Hartung'sche Verlagsbuchdruckerei. 1875.

Daß man die Tagebücher einer vor vierunddreißig Jahren unternommenen
Reise in seitdem vielbesuchte Länder selbst noch mit Interesse betrachtet, auch
wenn sie außer einer guten Schilderung der betreffenden Gegenden, Orte und
Menschen, nichts enthalten, was neu oder wenigstens auf besondere
Weise dargestellt wäre, ist natürlich; daß man sie für gute Freunde drucken
läßt, zeigt einen vollen Beutel und ein wohlwollendes Herz. Daß man sie
in den Buchhandel giebt, ist durch nichts gerechtfertigt, auch nicht durch die
elegante Ausstattung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel » Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/84>, abgerufen am 27.07.2024.