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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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diente" -- beide nicht zu verwechseln mit Konrad Ernst Ackermann und dessen
Frau, verwittwet gewesenen Schröder, des berühmten Friedrich Ludwig
Schröder Mutter.

Ueber jene Ackermanns also -- während Goethe's Schwager Vulpius die
Frau begeistert besang, und Wieland auf sie die Verse dichtete:


"Ich sah die Grazien Dir gegenüber schweben,
Sie kamen nicht, Dir neuen Neiz zu geben, --
Dich zu kopiren kamen siel" --

über die nämlichen Ackermanns urtheilt Götter:

"Die Primadonna Bellomos dürfte in Man heim -- kaum auf die
zweyten Rollen Anspruch machen. Gute Figur, angenehme Sprache und
leidliche Singstimme sind ihre Vorzüge; beyder etwas Anstand und Erziehungs-
Anstrich. Aber eigentliche Theateranlagen hat sie wenig oder nicht. Sobald
sie sich über das Fach der Operetten und kleinen Konversationsstücke erhebt,
Me sie in die frostigste Monotonie. Ihr Mann ist sehr musikalisch.
Vielleicht hat er auch ehemals Stimme gehabt. Jetzt ist ihm ein Mittelton
geblieben, den er für Baß ausgiebt, der aber bey starkem Akkompagnement
kaum hörbar ist. Dagegen fehlt es ihm nicht an komischer Laune, wohl aber
an Einsicht und Fleiß. Er memorirt keine Rolle und karrikirt -- zum Er-
barmen."

Wenn das am grünen Holze der ersten Fächer der damaligen Weimari¬
schen Bühne geschah -- wie mag es mit dem dürren der s. g. "Beiläufer"
ausgesehen haben! --

Aus dem nämlichen Briefe Götter's erfahren wir noch Einiges über das
Mannheimer Theater, das damals an Dlle. Witthöft von Berlin soeben eine
treffliche Erwerbung gemacht hatte:

"Die Antwort der guten Witthöft hat mir sehr viel Freude gemacht.
Sie unterscheidet sich rühmlich von dem Gänsegeschnatter und dem Hahnen¬
pfoten gewöhnlicher Theaterprinzeßinnen.

Die zwey großen Schauspiele, die Eure Excell. den Mannheimern zube¬
reiten -- spannen meine ganze Erwartung. Darf ich unbescheiden genug seyn
"'ein Befremden zu äußern, daß Sie Julius Cäsar*) nicht lieber auf den
Winter verschieben?

In meinen Augen ist Figaro**) das erste Stück der neuen französi¬
schen Bühne. Ich schmeichle mir, daß ich ihn ganz fühle und verstehe. Auch
weiß ich mir dessen rasenden Beyfall in Paris eben so zu erklären, als ich
ihm auf deutschen Bühnen einen weit geringern Erfolg prophezeihe. Und




") Die Aufführung fand am 24. April 1785 statt.
") Das Lustspiel des Beaumarchais. Es schritt im Mai 178b über die Mannheimer
Bretter.

diente" — beide nicht zu verwechseln mit Konrad Ernst Ackermann und dessen
Frau, verwittwet gewesenen Schröder, des berühmten Friedrich Ludwig
Schröder Mutter.

Ueber jene Ackermanns also — während Goethe's Schwager Vulpius die
Frau begeistert besang, und Wieland auf sie die Verse dichtete:


„Ich sah die Grazien Dir gegenüber schweben,
Sie kamen nicht, Dir neuen Neiz zu geben, —
Dich zu kopiren kamen siel" —

über die nämlichen Ackermanns urtheilt Götter:

„Die Primadonna Bellomos dürfte in Man heim — kaum auf die
zweyten Rollen Anspruch machen. Gute Figur, angenehme Sprache und
leidliche Singstimme sind ihre Vorzüge; beyder etwas Anstand und Erziehungs-
Anstrich. Aber eigentliche Theateranlagen hat sie wenig oder nicht. Sobald
sie sich über das Fach der Operetten und kleinen Konversationsstücke erhebt,
Me sie in die frostigste Monotonie. Ihr Mann ist sehr musikalisch.
Vielleicht hat er auch ehemals Stimme gehabt. Jetzt ist ihm ein Mittelton
geblieben, den er für Baß ausgiebt, der aber bey starkem Akkompagnement
kaum hörbar ist. Dagegen fehlt es ihm nicht an komischer Laune, wohl aber
an Einsicht und Fleiß. Er memorirt keine Rolle und karrikirt — zum Er-
barmen."

Wenn das am grünen Holze der ersten Fächer der damaligen Weimari¬
schen Bühne geschah — wie mag es mit dem dürren der s. g. „Beiläufer"
ausgesehen haben! —

Aus dem nämlichen Briefe Götter's erfahren wir noch Einiges über das
Mannheimer Theater, das damals an Dlle. Witthöft von Berlin soeben eine
treffliche Erwerbung gemacht hatte:

„Die Antwort der guten Witthöft hat mir sehr viel Freude gemacht.
Sie unterscheidet sich rühmlich von dem Gänsegeschnatter und dem Hahnen¬
pfoten gewöhnlicher Theaterprinzeßinnen.

Die zwey großen Schauspiele, die Eure Excell. den Mannheimern zube¬
reiten — spannen meine ganze Erwartung. Darf ich unbescheiden genug seyn
"'ein Befremden zu äußern, daß Sie Julius Cäsar*) nicht lieber auf den
Winter verschieben?

In meinen Augen ist Figaro**) das erste Stück der neuen französi¬
schen Bühne. Ich schmeichle mir, daß ich ihn ganz fühle und verstehe. Auch
weiß ich mir dessen rasenden Beyfall in Paris eben so zu erklären, als ich
ihm auf deutschen Bühnen einen weit geringern Erfolg prophezeihe. Und




") Die Aufführung fand am 24. April 1785 statt.
") Das Lustspiel des Beaumarchais. Es schritt im Mai 178b über die Mannheimer
Bretter.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/55>, abgerufen am 24.11.2024.