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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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doch ist nichts darinn fremd für uns, als die Gerichts-Szene -- und wegen
der politischen Anspielungen Figaro's Monolog. Alles übrige müßte bey
uns in jeder großen Stadt so lebhaft treffen, als dort in der Hauptstadt des
Königreichs -- wenn es die Schauspieler so vorzustellen wüßten."

Als "Julius Cäsar" und "Figaro's Hochzeit" gegeben sind, schreibt Götter
in einem Briefe vom 19. Mai 1785, an dessen Schlüsse auch amüsante Per¬
sonalnotizen sich befinden:

"Am guten Erfolge des Julius Cäsar habe ich nie gezweifelt. Ich
kenne die Stärke Ihrer vorzüglichsten Schauspieler im Tragischen. Auch war
ich schon in voraus von der glücklichen Vertheilung der Rollen unterrichtet.
Daß mir aber für das Schicksal des Figaro bange, und um so bänger war,
als ich von der unglaublichen Kürze des zum Einstudieren gesetzten Zeitraums
hörte -- das bekenne ich nochmals; bereit, den Herren und Damen eine förm¬
liche Ehrenerklärung zu thun, wenn sie in dieser Besorgniß ein beleidigendes
Mißtrauen gegen ihre Talente finden sollten. Wie froh bin ich, daß die un¬
schätzbare Mühe, die Eurer Excellenz beyde Stücke verursacht haben, Ihnen
durch die allgemeine Zufriedenheit des Publikums einigermaßen vergütet worden
ist! Vom Ersaze der beträchtlichen, die Kräfte jeder andern Theaterkasse über¬
steigenden Kosten ist wohl noch nicht die Rede. Aber Figaro, dächte ich,
müßte beständige Waare für den Plaz bleiben, wenn auch gleich die Volks¬
menge von Mannheim sich mit der von Paris so wenig messen kann, als
der deutsche Schauspielenthusiasmus mit dem französischen. -- Susanne-
Witthöft zu sehen ist einer meiner brennendsten Wünsche, und ich habe
Standhaftigkeit nöthig, mich in die Härte des Schicksals zu ergeben, das mich
täglich fester an die Karre anzuschmieden scheint. In dieser Lage gleiche ich
einem Invaliden, deßen einziges Labsal -- Zeitungen sind. Er träumt sich
im Lesen wieder auf das Schlachtfeld und in die Laufgraben.

Schon vor einiger Zeit hat mir ein gewißer Erfurt geschrieben, der
mit der Meddoxischen Horde dieses Frühjahr in Altenburg gespielt hat. Er
stüzte sich vorzüglich auf die Verdienste seiner Frau, erster Liebhaberin bey
der gedachten Truppe.

Eine andere Spekulation für Ihr Theater habe ich auf Mad. Schouwärt,
die das Bondinische verlaßen hat. um sich mit einem H. von Forst ern,
Sachs. Offizier von der Garde, im Irrgarten der Liebe herumzutummeln.
Ein Roman dieser Art dauert selten über ein Paar Monate und die sind
meist rasch verflossen. Madame ist des Liebhabers, oder der Liebhaber ist
ihrer müde. Kurz man sagt, daß sie wieder Engagement suche. Ich habe
sogleich einem Freunde aufgetragen, hinter die Wahrheit zu kommen."

Doch "die unglückliche schöne Abenteurerin", der Götter "wieder zu Ehre


doch ist nichts darinn fremd für uns, als die Gerichts-Szene — und wegen
der politischen Anspielungen Figaro's Monolog. Alles übrige müßte bey
uns in jeder großen Stadt so lebhaft treffen, als dort in der Hauptstadt des
Königreichs — wenn es die Schauspieler so vorzustellen wüßten."

Als „Julius Cäsar" und „Figaro's Hochzeit" gegeben sind, schreibt Götter
in einem Briefe vom 19. Mai 1785, an dessen Schlüsse auch amüsante Per¬
sonalnotizen sich befinden:

„Am guten Erfolge des Julius Cäsar habe ich nie gezweifelt. Ich
kenne die Stärke Ihrer vorzüglichsten Schauspieler im Tragischen. Auch war
ich schon in voraus von der glücklichen Vertheilung der Rollen unterrichtet.
Daß mir aber für das Schicksal des Figaro bange, und um so bänger war,
als ich von der unglaublichen Kürze des zum Einstudieren gesetzten Zeitraums
hörte — das bekenne ich nochmals; bereit, den Herren und Damen eine förm¬
liche Ehrenerklärung zu thun, wenn sie in dieser Besorgniß ein beleidigendes
Mißtrauen gegen ihre Talente finden sollten. Wie froh bin ich, daß die un¬
schätzbare Mühe, die Eurer Excellenz beyde Stücke verursacht haben, Ihnen
durch die allgemeine Zufriedenheit des Publikums einigermaßen vergütet worden
ist! Vom Ersaze der beträchtlichen, die Kräfte jeder andern Theaterkasse über¬
steigenden Kosten ist wohl noch nicht die Rede. Aber Figaro, dächte ich,
müßte beständige Waare für den Plaz bleiben, wenn auch gleich die Volks¬
menge von Mannheim sich mit der von Paris so wenig messen kann, als
der deutsche Schauspielenthusiasmus mit dem französischen. — Susanne-
Witthöft zu sehen ist einer meiner brennendsten Wünsche, und ich habe
Standhaftigkeit nöthig, mich in die Härte des Schicksals zu ergeben, das mich
täglich fester an die Karre anzuschmieden scheint. In dieser Lage gleiche ich
einem Invaliden, deßen einziges Labsal — Zeitungen sind. Er träumt sich
im Lesen wieder auf das Schlachtfeld und in die Laufgraben.

Schon vor einiger Zeit hat mir ein gewißer Erfurt geschrieben, der
mit der Meddoxischen Horde dieses Frühjahr in Altenburg gespielt hat. Er
stüzte sich vorzüglich auf die Verdienste seiner Frau, erster Liebhaberin bey
der gedachten Truppe.

Eine andere Spekulation für Ihr Theater habe ich auf Mad. Schouwärt,
die das Bondinische verlaßen hat. um sich mit einem H. von Forst ern,
Sachs. Offizier von der Garde, im Irrgarten der Liebe herumzutummeln.
Ein Roman dieser Art dauert selten über ein Paar Monate und die sind
meist rasch verflossen. Madame ist des Liebhabers, oder der Liebhaber ist
ihrer müde. Kurz man sagt, daß sie wieder Engagement suche. Ich habe
sogleich einem Freunde aufgetragen, hinter die Wahrheit zu kommen."

Doch „die unglückliche schöne Abenteurerin", der Götter „wieder zu Ehre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/56>, abgerufen am 27.07.2024.