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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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einflusses zur Aufgabe gesetzt hatte. Es schien sich herauszustellen, daß mit
Zabel's Ausspruch höchstens die Redacteure des Börsentheils der Rat,-Ztg. ge¬
meint sein könnten und in jenen Flugschriften wurde der langjährige Leiter
dieses Börsentheils, l)r. Schweitzer, als Gegenstand der Beschuldigungen be¬
zeichnet. Die demokratische "Staatsbürger-Ztg." präcifirte dann letztere sehr
genau. Sie suchte unter Angabe von Daten, Namen und Zahlen ihre Be¬
hauptung zu begründen, der Genannte sei "bei zwei der blutigsten Grün¬
dungen" (Nienburger Zuckerfabrik und Staßfurter chemische Fabrik) betheiligt
gewesen und habe, "um hierüber dem Publikum Sand in die Augen zu
streuen, seinen eigenen Namen in seiner eigenen Zeitung gefälscht" (nämlich
aus Schweitzer in Schweiger). Endlich brachte die Kreuz-Ztg. vom 26 Januar
dieses Jahres einen Artikel, welcher mit der Behauptung schloß, "der National¬
zeitung" seien "für Empfehlung von Eisenbahnen Tausende von Thalern zu¬
geflossen", insbesondere von der Berlin-Dresdener Bahn nach Zeugenaussagen
etwa 6000 Thaler. Diese Behauptungen erklärte am 1. Februar dieses
Jahres "im Namen der Nationalzeitung der Verlag der Nationalzeitung
Wort für Wort für durchaus und in jeder Beziehung erfunden und aus der
Luft gegriffen"; von jener Bahn habe "die Nationalzeitung" bei der
Actienausgabe nur den tarifmäßigen Jnsertionspreis erhalten, ebenso von
anderen Bahnen. Trotzdem wurde die Behauptung wegen der 6000 Thaler
Von dem Organ der Agrarier, der "Deutschen Landeszeitung" aufgegriffen.
Dieselbe gab Einzelheiten an und nannte die Bankiers, welche die Vermittler
gespielt hätten. Hiergegen brachte die Rat.-Z. am 4. Februar dieses Jahres
einen Red acti on s artikel, "in welchem dieses ganze Vordringen von An¬
fang bis zu Ende" für Lüge erklärt wurde, unter Abdruck völlig entlastender
Briefe jener Bankiers. Herr von Diest erwiederte hierauf in der Kreuz-Ztg.,
"von einem Verlage der Rat.-Z." sei in dem Artikel seines Organs mit
keinem Worte die Rede gewesen, daher es ihm nicht recht einleuchten wolle,
wie der Verlag zu der Entgegnung komme, deren Inhalt er ihm gern glau¬
ben wolle. Habe die Rat.-Z. oder deren Redaction keine anderen Waffen
gegen seine Behauptung als die Entgegnung, durch den Verlag in eine
Polemik nicht weiter eintreten zu wollen, so gebe dies mindestens Stoff zum
Nachdenken. Daß ich, fügte er hinzu, eine solche Angabe öffentlich mit meiner
Namensunterschrift nicht machen werde, ohne den juristischen Beweis dafür in der
Tasche zu haben, wird sich die Redaction der Rat.-Z. wohl selber sagen können."

Dies war die stärkste Provocation, welche in den Formen des Anstand"
sich denken ließ. In gleicher Lage würde nach allgemeinen Begriffen von
Anstand und Ehrgefühl jeder Privatmann, der sich frei von Schuld fühlt,
nicht säumen, den -- man kann nicht anders sagen als offen und ehrlich ge.
zeigten -- Weg des correctesten Auftrags der Sache zu beschreiten. Es ist kein


Grenzboten II. 187V. 55

einflusses zur Aufgabe gesetzt hatte. Es schien sich herauszustellen, daß mit
Zabel's Ausspruch höchstens die Redacteure des Börsentheils der Rat,-Ztg. ge¬
meint sein könnten und in jenen Flugschriften wurde der langjährige Leiter
dieses Börsentheils, l)r. Schweitzer, als Gegenstand der Beschuldigungen be¬
zeichnet. Die demokratische „Staatsbürger-Ztg." präcifirte dann letztere sehr
genau. Sie suchte unter Angabe von Daten, Namen und Zahlen ihre Be¬
hauptung zu begründen, der Genannte sei „bei zwei der blutigsten Grün¬
dungen" (Nienburger Zuckerfabrik und Staßfurter chemische Fabrik) betheiligt
gewesen und habe, „um hierüber dem Publikum Sand in die Augen zu
streuen, seinen eigenen Namen in seiner eigenen Zeitung gefälscht" (nämlich
aus Schweitzer in Schweiger). Endlich brachte die Kreuz-Ztg. vom 26 Januar
dieses Jahres einen Artikel, welcher mit der Behauptung schloß, „der National¬
zeitung" seien „für Empfehlung von Eisenbahnen Tausende von Thalern zu¬
geflossen", insbesondere von der Berlin-Dresdener Bahn nach Zeugenaussagen
etwa 6000 Thaler. Diese Behauptungen erklärte am 1. Februar dieses
Jahres „im Namen der Nationalzeitung der Verlag der Nationalzeitung
Wort für Wort für durchaus und in jeder Beziehung erfunden und aus der
Luft gegriffen"; von jener Bahn habe „die Nationalzeitung" bei der
Actienausgabe nur den tarifmäßigen Jnsertionspreis erhalten, ebenso von
anderen Bahnen. Trotzdem wurde die Behauptung wegen der 6000 Thaler
Von dem Organ der Agrarier, der „Deutschen Landeszeitung" aufgegriffen.
Dieselbe gab Einzelheiten an und nannte die Bankiers, welche die Vermittler
gespielt hätten. Hiergegen brachte die Rat.-Z. am 4. Februar dieses Jahres
einen Red acti on s artikel, „in welchem dieses ganze Vordringen von An¬
fang bis zu Ende" für Lüge erklärt wurde, unter Abdruck völlig entlastender
Briefe jener Bankiers. Herr von Diest erwiederte hierauf in der Kreuz-Ztg.,
„von einem Verlage der Rat.-Z." sei in dem Artikel seines Organs mit
keinem Worte die Rede gewesen, daher es ihm nicht recht einleuchten wolle,
wie der Verlag zu der Entgegnung komme, deren Inhalt er ihm gern glau¬
ben wolle. Habe die Rat.-Z. oder deren Redaction keine anderen Waffen
gegen seine Behauptung als die Entgegnung, durch den Verlag in eine
Polemik nicht weiter eintreten zu wollen, so gebe dies mindestens Stoff zum
Nachdenken. Daß ich, fügte er hinzu, eine solche Angabe öffentlich mit meiner
Namensunterschrift nicht machen werde, ohne den juristischen Beweis dafür in der
Tasche zu haben, wird sich die Redaction der Rat.-Z. wohl selber sagen können."

Dies war die stärkste Provocation, welche in den Formen des Anstand«
sich denken ließ. In gleicher Lage würde nach allgemeinen Begriffen von
Anstand und Ehrgefühl jeder Privatmann, der sich frei von Schuld fühlt,
nicht säumen, den — man kann nicht anders sagen als offen und ehrlich ge.
zeigten — Weg des correctesten Auftrags der Sache zu beschreiten. Es ist kein


Grenzboten II. 187V. 55
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[0437] einflusses zur Aufgabe gesetzt hatte. Es schien sich herauszustellen, daß mit Zabel's Ausspruch höchstens die Redacteure des Börsentheils der Rat,-Ztg. ge¬ meint sein könnten und in jenen Flugschriften wurde der langjährige Leiter dieses Börsentheils, l)r. Schweitzer, als Gegenstand der Beschuldigungen be¬ zeichnet. Die demokratische „Staatsbürger-Ztg." präcifirte dann letztere sehr genau. Sie suchte unter Angabe von Daten, Namen und Zahlen ihre Be¬ hauptung zu begründen, der Genannte sei „bei zwei der blutigsten Grün¬ dungen" (Nienburger Zuckerfabrik und Staßfurter chemische Fabrik) betheiligt gewesen und habe, „um hierüber dem Publikum Sand in die Augen zu streuen, seinen eigenen Namen in seiner eigenen Zeitung gefälscht" (nämlich aus Schweitzer in Schweiger). Endlich brachte die Kreuz-Ztg. vom 26 Januar dieses Jahres einen Artikel, welcher mit der Behauptung schloß, „der National¬ zeitung" seien „für Empfehlung von Eisenbahnen Tausende von Thalern zu¬ geflossen", insbesondere von der Berlin-Dresdener Bahn nach Zeugenaussagen etwa 6000 Thaler. Diese Behauptungen erklärte am 1. Februar dieses Jahres „im Namen der Nationalzeitung der Verlag der Nationalzeitung Wort für Wort für durchaus und in jeder Beziehung erfunden und aus der Luft gegriffen"; von jener Bahn habe „die Nationalzeitung" bei der Actienausgabe nur den tarifmäßigen Jnsertionspreis erhalten, ebenso von anderen Bahnen. Trotzdem wurde die Behauptung wegen der 6000 Thaler Von dem Organ der Agrarier, der „Deutschen Landeszeitung" aufgegriffen. Dieselbe gab Einzelheiten an und nannte die Bankiers, welche die Vermittler gespielt hätten. Hiergegen brachte die Rat.-Z. am 4. Februar dieses Jahres einen Red acti on s artikel, „in welchem dieses ganze Vordringen von An¬ fang bis zu Ende" für Lüge erklärt wurde, unter Abdruck völlig entlastender Briefe jener Bankiers. Herr von Diest erwiederte hierauf in der Kreuz-Ztg., „von einem Verlage der Rat.-Z." sei in dem Artikel seines Organs mit keinem Worte die Rede gewesen, daher es ihm nicht recht einleuchten wolle, wie der Verlag zu der Entgegnung komme, deren Inhalt er ihm gern glau¬ ben wolle. Habe die Rat.-Z. oder deren Redaction keine anderen Waffen gegen seine Behauptung als die Entgegnung, durch den Verlag in eine Polemik nicht weiter eintreten zu wollen, so gebe dies mindestens Stoff zum Nachdenken. Daß ich, fügte er hinzu, eine solche Angabe öffentlich mit meiner Namensunterschrift nicht machen werde, ohne den juristischen Beweis dafür in der Tasche zu haben, wird sich die Redaction der Rat.-Z. wohl selber sagen können." Dies war die stärkste Provocation, welche in den Formen des Anstand« sich denken ließ. In gleicher Lage würde nach allgemeinen Begriffen von Anstand und Ehrgefühl jeder Privatmann, der sich frei von Schuld fühlt, nicht säumen, den — man kann nicht anders sagen als offen und ehrlich ge. zeigten — Weg des correctesten Auftrags der Sache zu beschreiten. Es ist kein Grenzboten II. 187V. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/437>, abgerufen am 28.07.2024.