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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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schiedenheit, daß Sie mir sagen, was Sie mit einem solchen Betragen
meinen". -- "Wahrhaftig, mein Herr", erwidert Bangs, "es ist ein Irrthum.
Die Sache ist das entsetzliche Werk eines bösen Buben, in den ich vollkommnes
Vertrauen setzte. Er soll für seinen Frevel von mir eigenhändig gezüchtigt
werden. Eine rothe Warze! Schrecklich, mein Herr -- schrecklich! Der
miserable Schurke soll mir dafür büßen -- ja wahrhaftig, büßen soll er
mir." -- "Wie konnt ich das aber auch wissen", murmelt Skinner. "Wie
konnt ich wissen, daß die Leiche keine rothe Warze hatte? Ich kannte einen
Mann Namens Mac Glue, und der hatte eine, und ich dachte, alle Mac
Clues hätten eine. Das hat man von Unregelmäßigkeiten in Familien."

"Und wer", sagt drinnen ein andrer Mann zum Redacteur, "hat Ihnen
die Befugniß gegeben, dieses greulige Blech über meinen verstorbenen Sohn
zu drucken? Wollen Sie mir weiß machen, Bangs. daß es nicht mit
Ihrer Erlaubniß und Einwilligung geschehen ist, wenn Ihr gemeiner Hans¬
wurst mit meiner Anzeige die folgende skandalöse Posse eingerückt hat. Hören
Sie 'mal zu:

Willie hatt' 'nen rothen Affen, der am gelben Stöckchen sprang,
Als er abgeleckt die Farbe, ward er davon tödtlich krank.
In der letzten Stunde nahm er diesen Affen in die Hand.
Bot Ade der Erd' und ging hinüber in ein besser Land.
Nicht mehr schießt er seine Schwester mit dem kleinen Holzgewehr,
Miezens Schwanz verknüpft zum Spaß er, daß sie heult, nun auch nicht mehr.
Der Mieze Schwanz steht grade jetzt, die Flinte nicht mehr droht,
Der Affe hüpft nicht mehr herum, seit unser Willie todt.

Der ungeheuerlich niederträchtige Charakter dieser Verläumdung wird
sich ergeben, wenn ich Ihnen sage, daß mein Sohn zwanzig Jahre alt war,
und daß er an einem Leberleiden gestorben ist." -- "Schändlich! Das
Aeußerste von Schändlichkeit!" stöhnt Bangs, als er mit den Augen die
Zeilen überläuft. "Und der Elende, der dieß verbrochen, ist noch immer un¬
bestraft! Das ist zu stark." -- "Und doch", flüstert Glimmer dem Factor
zu, "sagte er mir. ich solle die düstern Gedanken der heimgesuchten Familie
erheitern und mit den Mitteln meiner Kunst erhellen, und ich dachte bestimmt,
daß jene Idee mit dem Affen einigermaßen diese Wirkung haben würde.
Bangs ist ein undankbarer Mensch."

Wir überlassen den Lesern, nachzusehen, was andere Leidtragende sagen,
die ebenso behandelt worden sind, was Bangs dazu äußert, und was Summer
zu selner Entschuldigung vorbringt, und theilen nur noch eine dieser Episoden
mit. Während der Poet sich noch beklagt, daß die Leute keine Seele, kein


schiedenheit, daß Sie mir sagen, was Sie mit einem solchen Betragen
meinen". — „Wahrhaftig, mein Herr", erwidert Bangs, „es ist ein Irrthum.
Die Sache ist das entsetzliche Werk eines bösen Buben, in den ich vollkommnes
Vertrauen setzte. Er soll für seinen Frevel von mir eigenhändig gezüchtigt
werden. Eine rothe Warze! Schrecklich, mein Herr — schrecklich! Der
miserable Schurke soll mir dafür büßen — ja wahrhaftig, büßen soll er
mir." — „Wie konnt ich das aber auch wissen", murmelt Skinner. „Wie
konnt ich wissen, daß die Leiche keine rothe Warze hatte? Ich kannte einen
Mann Namens Mac Glue, und der hatte eine, und ich dachte, alle Mac
Clues hätten eine. Das hat man von Unregelmäßigkeiten in Familien."

„Und wer", sagt drinnen ein andrer Mann zum Redacteur, „hat Ihnen
die Befugniß gegeben, dieses greulige Blech über meinen verstorbenen Sohn
zu drucken? Wollen Sie mir weiß machen, Bangs. daß es nicht mit
Ihrer Erlaubniß und Einwilligung geschehen ist, wenn Ihr gemeiner Hans¬
wurst mit meiner Anzeige die folgende skandalöse Posse eingerückt hat. Hören
Sie 'mal zu:

Willie hatt' 'nen rothen Affen, der am gelben Stöckchen sprang,
Als er abgeleckt die Farbe, ward er davon tödtlich krank.
In der letzten Stunde nahm er diesen Affen in die Hand.
Bot Ade der Erd' und ging hinüber in ein besser Land.
Nicht mehr schießt er seine Schwester mit dem kleinen Holzgewehr,
Miezens Schwanz verknüpft zum Spaß er, daß sie heult, nun auch nicht mehr.
Der Mieze Schwanz steht grade jetzt, die Flinte nicht mehr droht,
Der Affe hüpft nicht mehr herum, seit unser Willie todt.

Der ungeheuerlich niederträchtige Charakter dieser Verläumdung wird
sich ergeben, wenn ich Ihnen sage, daß mein Sohn zwanzig Jahre alt war,
und daß er an einem Leberleiden gestorben ist." — „Schändlich! Das
Aeußerste von Schändlichkeit!" stöhnt Bangs, als er mit den Augen die
Zeilen überläuft. „Und der Elende, der dieß verbrochen, ist noch immer un¬
bestraft! Das ist zu stark." — „Und doch", flüstert Glimmer dem Factor
zu, „sagte er mir. ich solle die düstern Gedanken der heimgesuchten Familie
erheitern und mit den Mitteln meiner Kunst erhellen, und ich dachte bestimmt,
daß jene Idee mit dem Affen einigermaßen diese Wirkung haben würde.
Bangs ist ein undankbarer Mensch."

Wir überlassen den Lesern, nachzusehen, was andere Leidtragende sagen,
die ebenso behandelt worden sind, was Bangs dazu äußert, und was Summer
zu selner Entschuldigung vorbringt, und theilen nur noch eine dieser Episoden
mit. Während der Poet sich noch beklagt, daß die Leute keine Seele, kein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/420>, abgerufen am 28.07.2024.