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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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lutherischen Gottesmann einher treten sieht, mit einem alten verschabten Rock,
der ehedem schwarz war, nun aber wegen des Marasmus Senilis in's Rothe
fällt, mit einer Perücke, die in zehn Jahren nicht in die Hände des Friseurs
gekommen ist, mit Hosen, die den Hosen eines Schusters in allem gleich
kommen, sogar in Absicht des Glanzes, und mit Wäsche, wie sie die Boots¬
knechte tragen." Der Rock ist nicht der Mann, hier aber entsprach das
Innere gewöhnlich dem Aeußeren. Diese Pastoren waren zwar auf Universi¬
täten gewesen, hatten aber, da sie von den elenden Schulen ihrer Heimath
keine auch nur halbwegs genügende Vorbildung mit gebracht, dort nichts ge¬
lernt, und von Studiren nach dem Eintritt ins Amt war selten die Rede,
da die Mehrzahl außer etlichen alten Scharteken, die vom Vater auf den
Sohn forterbten, keine Bücher besaß. Es gab infolge dessen Ignoranten
unter ihnen, "welche kaum ihre Namen lateinisch schreiben und lesen konnten."
Die katholischen und reformtrten Prediger waren wenig besser, sie gingen nur
besser gekleidet, tranken bessere Weine und ..hatten der guten Atzung wegen
dickere Bäuche als die lutherischen".

Auch darin glichen die Pfälzer Pfarrer vor hundert Jahren denen der
Reformationszeit, daß sie craß orthodox waren und wie die Streittheologen
einander auf das bitterste haßten, befehdeten und verketzerten. Und schließlich
fehlte ihnen auch die letzte der oben an den Geistlichen der Tage Luther's
bemerkten Eigenschaften nicht: die Pastoren aller Bekenntnisse der Pfalz waren
maßlos liederlich.

Ehebruchs- und Verführungsgeschichten waren in den dortigen Prediger¬
häusern etwas ganz Gewöhnliches. Die Gemeinden machten davon nicht
viel Aufhebens, und geschah es dann Und wann, daß die Bauern eines
Dorfes ihren Pfarrer wegen Unzucht bei der Behörde verklagten -- was
meist aus Gründen geschah, die mit der Sittlichkeit nichts zu schaffen hatten,
so kam es selten zu einer Bestrafung des Schuldigen, da man höhern Orts
dergleichen Dinge für ziemlich harmlos ansah und in groben Fällen ein paar
in die Privatkasse des Richters gezahlte Thaler die Schuld engten. Noch
allgemeiner als die Liederlichkeit in geschlechtlichen Dingen war unter dem
Pfälzer Geistlichen die Trunksucht verbreitet, die häufig zu den ordinärsten
Auftritten führte. "Da sitzen sie," sagt unser Gewährsmann, "in den Dorf¬
schenken, lassen sich von den Bauern tractiren, saufen sich voll und prügeln
sich mitunter sehr erbaulich/' Ein von Lauckhard namentlich angeführter
Pfarrer bekam im Wirthshaus einmal so fürchterliche Hiebe, daß er drei
Wochen lang nicht predigen konnte. Bei seinem Vorgesetzten schadete es ihm
nicht, man nahm es hier mit derartigen Vorkommnissen nicht so genau wie
anderswo. --

Daß die Edelleute ihre Pfarrer zu Trinktournieren mit berühmten


lutherischen Gottesmann einher treten sieht, mit einem alten verschabten Rock,
der ehedem schwarz war, nun aber wegen des Marasmus Senilis in's Rothe
fällt, mit einer Perücke, die in zehn Jahren nicht in die Hände des Friseurs
gekommen ist, mit Hosen, die den Hosen eines Schusters in allem gleich
kommen, sogar in Absicht des Glanzes, und mit Wäsche, wie sie die Boots¬
knechte tragen." Der Rock ist nicht der Mann, hier aber entsprach das
Innere gewöhnlich dem Aeußeren. Diese Pastoren waren zwar auf Universi¬
täten gewesen, hatten aber, da sie von den elenden Schulen ihrer Heimath
keine auch nur halbwegs genügende Vorbildung mit gebracht, dort nichts ge¬
lernt, und von Studiren nach dem Eintritt ins Amt war selten die Rede,
da die Mehrzahl außer etlichen alten Scharteken, die vom Vater auf den
Sohn forterbten, keine Bücher besaß. Es gab infolge dessen Ignoranten
unter ihnen, „welche kaum ihre Namen lateinisch schreiben und lesen konnten."
Die katholischen und reformtrten Prediger waren wenig besser, sie gingen nur
besser gekleidet, tranken bessere Weine und ..hatten der guten Atzung wegen
dickere Bäuche als die lutherischen".

Auch darin glichen die Pfälzer Pfarrer vor hundert Jahren denen der
Reformationszeit, daß sie craß orthodox waren und wie die Streittheologen
einander auf das bitterste haßten, befehdeten und verketzerten. Und schließlich
fehlte ihnen auch die letzte der oben an den Geistlichen der Tage Luther's
bemerkten Eigenschaften nicht: die Pastoren aller Bekenntnisse der Pfalz waren
maßlos liederlich.

Ehebruchs- und Verführungsgeschichten waren in den dortigen Prediger¬
häusern etwas ganz Gewöhnliches. Die Gemeinden machten davon nicht
viel Aufhebens, und geschah es dann Und wann, daß die Bauern eines
Dorfes ihren Pfarrer wegen Unzucht bei der Behörde verklagten — was
meist aus Gründen geschah, die mit der Sittlichkeit nichts zu schaffen hatten,
so kam es selten zu einer Bestrafung des Schuldigen, da man höhern Orts
dergleichen Dinge für ziemlich harmlos ansah und in groben Fällen ein paar
in die Privatkasse des Richters gezahlte Thaler die Schuld engten. Noch
allgemeiner als die Liederlichkeit in geschlechtlichen Dingen war unter dem
Pfälzer Geistlichen die Trunksucht verbreitet, die häufig zu den ordinärsten
Auftritten führte. „Da sitzen sie," sagt unser Gewährsmann, „in den Dorf¬
schenken, lassen sich von den Bauern tractiren, saufen sich voll und prügeln
sich mitunter sehr erbaulich/' Ein von Lauckhard namentlich angeführter
Pfarrer bekam im Wirthshaus einmal so fürchterliche Hiebe, daß er drei
Wochen lang nicht predigen konnte. Bei seinem Vorgesetzten schadete es ihm
nicht, man nahm es hier mit derartigen Vorkommnissen nicht so genau wie
anderswo. —

Daß die Edelleute ihre Pfarrer zu Trinktournieren mit berühmten


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[0387] lutherischen Gottesmann einher treten sieht, mit einem alten verschabten Rock, der ehedem schwarz war, nun aber wegen des Marasmus Senilis in's Rothe fällt, mit einer Perücke, die in zehn Jahren nicht in die Hände des Friseurs gekommen ist, mit Hosen, die den Hosen eines Schusters in allem gleich kommen, sogar in Absicht des Glanzes, und mit Wäsche, wie sie die Boots¬ knechte tragen." Der Rock ist nicht der Mann, hier aber entsprach das Innere gewöhnlich dem Aeußeren. Diese Pastoren waren zwar auf Universi¬ täten gewesen, hatten aber, da sie von den elenden Schulen ihrer Heimath keine auch nur halbwegs genügende Vorbildung mit gebracht, dort nichts ge¬ lernt, und von Studiren nach dem Eintritt ins Amt war selten die Rede, da die Mehrzahl außer etlichen alten Scharteken, die vom Vater auf den Sohn forterbten, keine Bücher besaß. Es gab infolge dessen Ignoranten unter ihnen, „welche kaum ihre Namen lateinisch schreiben und lesen konnten." Die katholischen und reformtrten Prediger waren wenig besser, sie gingen nur besser gekleidet, tranken bessere Weine und ..hatten der guten Atzung wegen dickere Bäuche als die lutherischen". Auch darin glichen die Pfälzer Pfarrer vor hundert Jahren denen der Reformationszeit, daß sie craß orthodox waren und wie die Streittheologen einander auf das bitterste haßten, befehdeten und verketzerten. Und schließlich fehlte ihnen auch die letzte der oben an den Geistlichen der Tage Luther's bemerkten Eigenschaften nicht: die Pastoren aller Bekenntnisse der Pfalz waren maßlos liederlich. Ehebruchs- und Verführungsgeschichten waren in den dortigen Prediger¬ häusern etwas ganz Gewöhnliches. Die Gemeinden machten davon nicht viel Aufhebens, und geschah es dann Und wann, daß die Bauern eines Dorfes ihren Pfarrer wegen Unzucht bei der Behörde verklagten — was meist aus Gründen geschah, die mit der Sittlichkeit nichts zu schaffen hatten, so kam es selten zu einer Bestrafung des Schuldigen, da man höhern Orts dergleichen Dinge für ziemlich harmlos ansah und in groben Fällen ein paar in die Privatkasse des Richters gezahlte Thaler die Schuld engten. Noch allgemeiner als die Liederlichkeit in geschlechtlichen Dingen war unter dem Pfälzer Geistlichen die Trunksucht verbreitet, die häufig zu den ordinärsten Auftritten führte. „Da sitzen sie," sagt unser Gewährsmann, „in den Dorf¬ schenken, lassen sich von den Bauern tractiren, saufen sich voll und prügeln sich mitunter sehr erbaulich/' Ein von Lauckhard namentlich angeführter Pfarrer bekam im Wirthshaus einmal so fürchterliche Hiebe, daß er drei Wochen lang nicht predigen konnte. Bei seinem Vorgesetzten schadete es ihm nicht, man nahm es hier mit derartigen Vorkommnissen nicht so genau wie anderswo. — Daß die Edelleute ihre Pfarrer zu Trinktournieren mit berühmten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/387>, abgerufen am 28.07.2024.