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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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in der Pfalz. Eine Bildersammlung aus den Kreisen der Pfälzer Geistlich¬
keit um die Zeit kurz nach dem siebenjährigen Kriege möge diese Darstellun¬
gen beschließen. Es ist ein Sohn der Pfalz, Friedrich Karl Lauckhard, der
jetzt vergessene Vielschreiber, dessen Schriften diese Porträts entnommen sind").
Daß sie in der Hauptsache wahrheitsgetreu sind, ist trotz aller Erbärmlich¬
keit des Zeichners, der, selbst aus einen Pastorenhause der Unterpfalz stammend,
das Muster eines verlotterten Talents ist, leider nicht zu bezweifeln.

Die Pfalz ist ein von der Natur wohlbedachtes Ländchen, bewohnt von
leichtlebigen Menschen, die gute Weine nicht nur zu bauen und zu keltern,
sondern auch zu schätzen und zu trinken wissen. In der guten alten Zeit
aber war dieses reich gesegnete Eckchen der deutschen Erde ein wahrer Prä-
sentirteller aller Thorheiten und alles Unfugs der Kleinstaaterei, die sich auf
dieser damals eingenistet hatte und nach Herzenslust breit machen durfte.
Nirgendwo sonst gab es so viel Zwergpotentaten mit ihrem Schweife von lieder¬
lichen Hofgesinde, Günstlingen, Maitressen und ungerechten Amtleuten
Nirgendwo anders lag die Handhabung der Justiz so im Argen, war die
Aussaugung des Volkes durch Steuern und Sporteln bis zu einem so schänd¬
lichen Grade gediehen, war so wenig für die Hebung von Handel und Ge¬
werbe geschehen, waren die Schulen so vernachlässigt. Nirgendwo anders
lebte die Geistlichkeit der evangelischen wie der katholischen Kirche in so wüster
Weise wie hier. In der That, werfen wir einen Blick auf die Schilderung,
die Lauckhard von dieser Cleriset entwirft, so möchte man glauben, daß die
Zustände, die zur Zeit Luther's herrschten, hier entweder wiedergekommen oder
niemals gebessert worden wären, und selbst, wenn man annimmt, daß der
Berichterstatter hier und da aus Vergnügen an der Gemeinheit übertreibt
oder, was dieselbe Wirkung hat, die Lichtseite seines Gegenstandes unerwähnt
läßt, bleibt noch genug des Greuelvollen übrig, um den Betrachter des Bildes
mit Ekel und Abscheu zu erfüllen.

Wie alle andern Aemter und Stellen, so wurden auch die geistlichen
Pfründen damals in der Pfalz in der Regel an den Meistbietenden verkauft.
Wenigstens gilt dieß von den besseren, und zwar namentlich von den lutheri¬
schen, die zum Theil von katholischen Patronen, z. B. dem Erzbtschof von
Mainz, vergeben wurden. Die guten Pfarren befanden sich größtenthells in
den Händen der Katholiken und Reformirten. und so kam es, daß mancher
lutherische Pastor mehr von der Gnade und Barmherzigkeit seiner Bauern
leben mußte, als von dem, was seine Pfründe trug. Darnach sah er denn
auch gewöhnlich aus. "Kaum kann man sich", schreibt Lauckhard, "des
Weinens oder des Lachens enthalten, wenn man einen solchen pfälzischen



*) Ich folge dabei den Auszügen von Prutz in "Menschen und Bücher" S. 3!)4 ff.

in der Pfalz. Eine Bildersammlung aus den Kreisen der Pfälzer Geistlich¬
keit um die Zeit kurz nach dem siebenjährigen Kriege möge diese Darstellun¬
gen beschließen. Es ist ein Sohn der Pfalz, Friedrich Karl Lauckhard, der
jetzt vergessene Vielschreiber, dessen Schriften diese Porträts entnommen sind").
Daß sie in der Hauptsache wahrheitsgetreu sind, ist trotz aller Erbärmlich¬
keit des Zeichners, der, selbst aus einen Pastorenhause der Unterpfalz stammend,
das Muster eines verlotterten Talents ist, leider nicht zu bezweifeln.

Die Pfalz ist ein von der Natur wohlbedachtes Ländchen, bewohnt von
leichtlebigen Menschen, die gute Weine nicht nur zu bauen und zu keltern,
sondern auch zu schätzen und zu trinken wissen. In der guten alten Zeit
aber war dieses reich gesegnete Eckchen der deutschen Erde ein wahrer Prä-
sentirteller aller Thorheiten und alles Unfugs der Kleinstaaterei, die sich auf
dieser damals eingenistet hatte und nach Herzenslust breit machen durfte.
Nirgendwo sonst gab es so viel Zwergpotentaten mit ihrem Schweife von lieder¬
lichen Hofgesinde, Günstlingen, Maitressen und ungerechten Amtleuten
Nirgendwo anders lag die Handhabung der Justiz so im Argen, war die
Aussaugung des Volkes durch Steuern und Sporteln bis zu einem so schänd¬
lichen Grade gediehen, war so wenig für die Hebung von Handel und Ge¬
werbe geschehen, waren die Schulen so vernachlässigt. Nirgendwo anders
lebte die Geistlichkeit der evangelischen wie der katholischen Kirche in so wüster
Weise wie hier. In der That, werfen wir einen Blick auf die Schilderung,
die Lauckhard von dieser Cleriset entwirft, so möchte man glauben, daß die
Zustände, die zur Zeit Luther's herrschten, hier entweder wiedergekommen oder
niemals gebessert worden wären, und selbst, wenn man annimmt, daß der
Berichterstatter hier und da aus Vergnügen an der Gemeinheit übertreibt
oder, was dieselbe Wirkung hat, die Lichtseite seines Gegenstandes unerwähnt
läßt, bleibt noch genug des Greuelvollen übrig, um den Betrachter des Bildes
mit Ekel und Abscheu zu erfüllen.

Wie alle andern Aemter und Stellen, so wurden auch die geistlichen
Pfründen damals in der Pfalz in der Regel an den Meistbietenden verkauft.
Wenigstens gilt dieß von den besseren, und zwar namentlich von den lutheri¬
schen, die zum Theil von katholischen Patronen, z. B. dem Erzbtschof von
Mainz, vergeben wurden. Die guten Pfarren befanden sich größtenthells in
den Händen der Katholiken und Reformirten. und so kam es, daß mancher
lutherische Pastor mehr von der Gnade und Barmherzigkeit seiner Bauern
leben mußte, als von dem, was seine Pfründe trug. Darnach sah er denn
auch gewöhnlich aus. „Kaum kann man sich", schreibt Lauckhard, „des
Weinens oder des Lachens enthalten, wenn man einen solchen pfälzischen



*) Ich folge dabei den Auszügen von Prutz in „Menschen und Bücher" S. 3!)4 ff.
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[0386] in der Pfalz. Eine Bildersammlung aus den Kreisen der Pfälzer Geistlich¬ keit um die Zeit kurz nach dem siebenjährigen Kriege möge diese Darstellun¬ gen beschließen. Es ist ein Sohn der Pfalz, Friedrich Karl Lauckhard, der jetzt vergessene Vielschreiber, dessen Schriften diese Porträts entnommen sind"). Daß sie in der Hauptsache wahrheitsgetreu sind, ist trotz aller Erbärmlich¬ keit des Zeichners, der, selbst aus einen Pastorenhause der Unterpfalz stammend, das Muster eines verlotterten Talents ist, leider nicht zu bezweifeln. Die Pfalz ist ein von der Natur wohlbedachtes Ländchen, bewohnt von leichtlebigen Menschen, die gute Weine nicht nur zu bauen und zu keltern, sondern auch zu schätzen und zu trinken wissen. In der guten alten Zeit aber war dieses reich gesegnete Eckchen der deutschen Erde ein wahrer Prä- sentirteller aller Thorheiten und alles Unfugs der Kleinstaaterei, die sich auf dieser damals eingenistet hatte und nach Herzenslust breit machen durfte. Nirgendwo sonst gab es so viel Zwergpotentaten mit ihrem Schweife von lieder¬ lichen Hofgesinde, Günstlingen, Maitressen und ungerechten Amtleuten Nirgendwo anders lag die Handhabung der Justiz so im Argen, war die Aussaugung des Volkes durch Steuern und Sporteln bis zu einem so schänd¬ lichen Grade gediehen, war so wenig für die Hebung von Handel und Ge¬ werbe geschehen, waren die Schulen so vernachlässigt. Nirgendwo anders lebte die Geistlichkeit der evangelischen wie der katholischen Kirche in so wüster Weise wie hier. In der That, werfen wir einen Blick auf die Schilderung, die Lauckhard von dieser Cleriset entwirft, so möchte man glauben, daß die Zustände, die zur Zeit Luther's herrschten, hier entweder wiedergekommen oder niemals gebessert worden wären, und selbst, wenn man annimmt, daß der Berichterstatter hier und da aus Vergnügen an der Gemeinheit übertreibt oder, was dieselbe Wirkung hat, die Lichtseite seines Gegenstandes unerwähnt läßt, bleibt noch genug des Greuelvollen übrig, um den Betrachter des Bildes mit Ekel und Abscheu zu erfüllen. Wie alle andern Aemter und Stellen, so wurden auch die geistlichen Pfründen damals in der Pfalz in der Regel an den Meistbietenden verkauft. Wenigstens gilt dieß von den besseren, und zwar namentlich von den lutheri¬ schen, die zum Theil von katholischen Patronen, z. B. dem Erzbtschof von Mainz, vergeben wurden. Die guten Pfarren befanden sich größtenthells in den Händen der Katholiken und Reformirten. und so kam es, daß mancher lutherische Pastor mehr von der Gnade und Barmherzigkeit seiner Bauern leben mußte, als von dem, was seine Pfründe trug. Darnach sah er denn auch gewöhnlich aus. „Kaum kann man sich", schreibt Lauckhard, „des Weinens oder des Lachens enthalten, wenn man einen solchen pfälzischen *) Ich folge dabei den Auszügen von Prutz in „Menschen und Bücher" S. 3!)4 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/386>, abgerufen am 27.07.2024.