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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Stadt nicht an solchen, die mit den Empörern offen sympathifirten und die
Feigheit der bischöflichen Regierung, welche im Schutze der Nacht entfloh,
stärkte natürlich die Stellung der Gegner.

Mehr als 30,000 Mann, mit Sensen und Gabeln bewaffnet, waren es,
denen man nun die Thore öffnete; auch Hohbarr, die Beste die oberhalb der
Stadt liegt, forderten sie zur Uebergabe auf, doch der Vogt derselben weigerte
sich entschlossen. Bald darauf kam das lothringische Heer und mit ihm die
verhängnißvolle Entscheidung; nach der furchtbaren Niederlage bei Lupstein
blieb den Bauern keine Wahl als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Unter gewissen Bedingungen ward ihnen der Abzug aus Zabern bewilligt,
doch als am 17. Mai die entwaffnete Schaar aus den Thoren zog, da sollte erst
das schrecklichste Blutbad beginnen. Auf den Wiesen und Feldern ringsum
lagen in dichter Menge Landsknechte und Söldnerschaaren, Deutsche, Nieder¬
länder und Italiener; durch ihre Reihen mußten die besiegten Bauern ziehen.
Ja -- sie waren besiegt, aber noch war der Gedanke, den sie vertraten, nicht
ganz überwunden, sie fühlten unbewußt daß ihr natürliches Recht von bes¬
seren Händen gehalten ward und so rief einer mit lauter Stimme: "Luther
soll leben." Das war das Zeichen zum allgemeinen Widerstand; "schlagt
drauf, uns ist es erlaubt", schrie nun die Landsknechtsschaar und mit zügel¬
loser Mordbegier stürzte sich bald das wilde Heer auf die wehrlosen Männer.
Mehr als 16000 Leichen bedeckten binnen wenigen Stunden das Feld und
die Gassen der Stadt strömten von Blut, vergeblich suchten die Führer das
Wüthen ihrer Truppe zu hemmen.

Der Anführer der Bauern war Erasmus Gerber, man fand ihn des
Abends lebendig an einen Weiterbauen geknüpft, nicht fern vom Lager der
Lothringer Soldaten; aber alle Schmach, die man ihm angethan hatte, konnte
seinen wilden Sinn nicht beugen. Gebunden schmähte er noch aus die gott¬
losen Bedränger und drohte ihnen Rache, bis jene endlich seinen Tod ver¬
langten. Er wurde erdrosselt, der Mann, der sich herbeiließ, die mörderische
Hand an ihn zu legen, stand ehedem in seinen Diensten.

Tagelang währte die Bestattung der Gefallenen, die Massengräber in
denen man ihre Leichen barg, hießen beim Volk die "Ketzergrube", aber viele
blieben auch unbestattet liegen, so daß die Fremden noch lange Zeit den
Weg durch Zabern vermieden. Ueber einer Kapelle, die den Gefallenen ge¬
widmet war, standen die Worte:


Ist das nicht sondere Klag
Dreizehntausend in einem Grab!

So endeten die Stürme, die der Geist der Zeit damals heraufbeschworen,
aber bald kamen noch andere, noch schlimmere Stürme. Hier lag doch wenig¬
stens eine edlere Regung zu Grunde, hier griff der Geist der Freiheit zum


Stadt nicht an solchen, die mit den Empörern offen sympathifirten und die
Feigheit der bischöflichen Regierung, welche im Schutze der Nacht entfloh,
stärkte natürlich die Stellung der Gegner.

Mehr als 30,000 Mann, mit Sensen und Gabeln bewaffnet, waren es,
denen man nun die Thore öffnete; auch Hohbarr, die Beste die oberhalb der
Stadt liegt, forderten sie zur Uebergabe auf, doch der Vogt derselben weigerte
sich entschlossen. Bald darauf kam das lothringische Heer und mit ihm die
verhängnißvolle Entscheidung; nach der furchtbaren Niederlage bei Lupstein
blieb den Bauern keine Wahl als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Unter gewissen Bedingungen ward ihnen der Abzug aus Zabern bewilligt,
doch als am 17. Mai die entwaffnete Schaar aus den Thoren zog, da sollte erst
das schrecklichste Blutbad beginnen. Auf den Wiesen und Feldern ringsum
lagen in dichter Menge Landsknechte und Söldnerschaaren, Deutsche, Nieder¬
länder und Italiener; durch ihre Reihen mußten die besiegten Bauern ziehen.
Ja — sie waren besiegt, aber noch war der Gedanke, den sie vertraten, nicht
ganz überwunden, sie fühlten unbewußt daß ihr natürliches Recht von bes¬
seren Händen gehalten ward und so rief einer mit lauter Stimme: „Luther
soll leben." Das war das Zeichen zum allgemeinen Widerstand; „schlagt
drauf, uns ist es erlaubt", schrie nun die Landsknechtsschaar und mit zügel¬
loser Mordbegier stürzte sich bald das wilde Heer auf die wehrlosen Männer.
Mehr als 16000 Leichen bedeckten binnen wenigen Stunden das Feld und
die Gassen der Stadt strömten von Blut, vergeblich suchten die Führer das
Wüthen ihrer Truppe zu hemmen.

Der Anführer der Bauern war Erasmus Gerber, man fand ihn des
Abends lebendig an einen Weiterbauen geknüpft, nicht fern vom Lager der
Lothringer Soldaten; aber alle Schmach, die man ihm angethan hatte, konnte
seinen wilden Sinn nicht beugen. Gebunden schmähte er noch aus die gott¬
losen Bedränger und drohte ihnen Rache, bis jene endlich seinen Tod ver¬
langten. Er wurde erdrosselt, der Mann, der sich herbeiließ, die mörderische
Hand an ihn zu legen, stand ehedem in seinen Diensten.

Tagelang währte die Bestattung der Gefallenen, die Massengräber in
denen man ihre Leichen barg, hießen beim Volk die „Ketzergrube", aber viele
blieben auch unbestattet liegen, so daß die Fremden noch lange Zeit den
Weg durch Zabern vermieden. Ueber einer Kapelle, die den Gefallenen ge¬
widmet war, standen die Worte:


Ist das nicht sondere Klag
Dreizehntausend in einem Grab!

So endeten die Stürme, die der Geist der Zeit damals heraufbeschworen,
aber bald kamen noch andere, noch schlimmere Stürme. Hier lag doch wenig¬
stens eine edlere Regung zu Grunde, hier griff der Geist der Freiheit zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/306>, abgerufen am 27.11.2024.