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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Schwert, aber das Schwert, das nun in Zabern zu wüthen beginnt, das
hatte der Geist der Finsterniß gezückt. Ein gespenstiger Aberglaube der sich
allenthalben von Dämonen verfolgt sah, drang in die Gemüther und statt
ihn zu bekämpfen nährte die Kirche nur den Fanatismus, der daraus erwuchs.
Die tiefste Verirrung die der Menschengeist jemals gesehen, die Hexenprocesse,
mit all ihrer Qual begannen und auch Saverne, die Residenz der Bischöfe
von Straßburg rüstete ihre Scheiterhaufen. Durch ein Dekret der bischöflichen
Negierung wurde ein eigenes Buch für die wegen Zauberei verurtheilten und
Hingerichteten Verbrecher angelegt und die Verhörsprotokolle die auf dem
Stadtarchive verwahrt sind, geben uns ein wahrhaft schauerliches Detail jener
geheimen Orgien, zu denen sich die Schuldigen bekannten. Denn nicht nur
das Glück, auch die Qualen schärfen die Phantasie.

Vergebens betheuerte eine der Verhafteten "sie habe nur eine Seele
und könne dieselbe nicht verderben", eine andere die "nur zwei Jahre minder,
denn Einhundert Jahr alt war" wurde "aus besonderer Vergünstigung" er¬
drosselt, aber auch Knaben und Mädchen im Alter von 10 -- 12 Jahren
waren vor Verfolgung nicht sicher. Das rührendste Bild indessen, das jene
schreckliche Zeit des Wahnes uns zeigt, ist die Gestalt eines schönen sechzehn-
jähriger Spielmanns, der am 13. Januar 1618 um zwei Uhr Nachts in
Zabern enthauptet wurde. Er war angeklagt, daß ihn der Teufel verführt,
bei einem Hexentanz in den Zweigen eines Baumes gespielt zu haben und
auf der Folter bekannte er sich denn auch dazu!

Welch berückendes Bild, drunten aus der grünen Matte, wo Schatten
und Mondlicht ineinanderwebt, schlingen nackte junge Gestalten den Reigen
und droben in den Aesten der Linde sitzt halb verzückt der schöne Knabe und
streicht die Fidel immer wilder und wilder und lauscht hinunter nach seiner
Liebsten!

Zwei Pfund Pfennige war der Lohn, den ihm der Böse gab, daß er
"den Hexen gegeigen", aber die Hand desselben "war schwarz und hart wie
Holz" und schon im nächsten Augenblicke war das Geld in thönerne Scherben
verwandelt. Das Alles bekannte er.

Bevor er gerichtet ward, empfing er noch in der Franziskanerkirche das
Abendmahl und dann sprach er zu den sieben Zeugen, vor denen ihm sein
Geständniß abgelesen ward, die wehmüthigen Worte: "Ihr lieben Herrn,
ich will euch gebeten und gewarnet haben, daß ihr Eure Kinder anders ziehet,
als mich meine Eltern gezogen haben, damit sie nicht auch in ein solch armes
Leben gerathen, in welches ich leider gerathen bin. Ich bitte euch um Gottes
willen, ihr wolltet ein Vaterunser für mich beten; dasselbe will auch ich euch
thun, wann ich komme, wo Gott der Allmächtige zu thun hat." Dann bat


Schwert, aber das Schwert, das nun in Zabern zu wüthen beginnt, das
hatte der Geist der Finsterniß gezückt. Ein gespenstiger Aberglaube der sich
allenthalben von Dämonen verfolgt sah, drang in die Gemüther und statt
ihn zu bekämpfen nährte die Kirche nur den Fanatismus, der daraus erwuchs.
Die tiefste Verirrung die der Menschengeist jemals gesehen, die Hexenprocesse,
mit all ihrer Qual begannen und auch Saverne, die Residenz der Bischöfe
von Straßburg rüstete ihre Scheiterhaufen. Durch ein Dekret der bischöflichen
Negierung wurde ein eigenes Buch für die wegen Zauberei verurtheilten und
Hingerichteten Verbrecher angelegt und die Verhörsprotokolle die auf dem
Stadtarchive verwahrt sind, geben uns ein wahrhaft schauerliches Detail jener
geheimen Orgien, zu denen sich die Schuldigen bekannten. Denn nicht nur
das Glück, auch die Qualen schärfen die Phantasie.

Vergebens betheuerte eine der Verhafteten „sie habe nur eine Seele
und könne dieselbe nicht verderben", eine andere die „nur zwei Jahre minder,
denn Einhundert Jahr alt war" wurde „aus besonderer Vergünstigung" er¬
drosselt, aber auch Knaben und Mädchen im Alter von 10 — 12 Jahren
waren vor Verfolgung nicht sicher. Das rührendste Bild indessen, das jene
schreckliche Zeit des Wahnes uns zeigt, ist die Gestalt eines schönen sechzehn-
jähriger Spielmanns, der am 13. Januar 1618 um zwei Uhr Nachts in
Zabern enthauptet wurde. Er war angeklagt, daß ihn der Teufel verführt,
bei einem Hexentanz in den Zweigen eines Baumes gespielt zu haben und
auf der Folter bekannte er sich denn auch dazu!

Welch berückendes Bild, drunten aus der grünen Matte, wo Schatten
und Mondlicht ineinanderwebt, schlingen nackte junge Gestalten den Reigen
und droben in den Aesten der Linde sitzt halb verzückt der schöne Knabe und
streicht die Fidel immer wilder und wilder und lauscht hinunter nach seiner
Liebsten!

Zwei Pfund Pfennige war der Lohn, den ihm der Böse gab, daß er
»den Hexen gegeigen", aber die Hand desselben „war schwarz und hart wie
Holz" und schon im nächsten Augenblicke war das Geld in thönerne Scherben
verwandelt. Das Alles bekannte er.

Bevor er gerichtet ward, empfing er noch in der Franziskanerkirche das
Abendmahl und dann sprach er zu den sieben Zeugen, vor denen ihm sein
Geständniß abgelesen ward, die wehmüthigen Worte: „Ihr lieben Herrn,
ich will euch gebeten und gewarnet haben, daß ihr Eure Kinder anders ziehet,
als mich meine Eltern gezogen haben, damit sie nicht auch in ein solch armes
Leben gerathen, in welches ich leider gerathen bin. Ich bitte euch um Gottes
willen, ihr wolltet ein Vaterunser für mich beten; dasselbe will auch ich euch
thun, wann ich komme, wo Gott der Allmächtige zu thun hat." Dann bat


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[0307] Schwert, aber das Schwert, das nun in Zabern zu wüthen beginnt, das hatte der Geist der Finsterniß gezückt. Ein gespenstiger Aberglaube der sich allenthalben von Dämonen verfolgt sah, drang in die Gemüther und statt ihn zu bekämpfen nährte die Kirche nur den Fanatismus, der daraus erwuchs. Die tiefste Verirrung die der Menschengeist jemals gesehen, die Hexenprocesse, mit all ihrer Qual begannen und auch Saverne, die Residenz der Bischöfe von Straßburg rüstete ihre Scheiterhaufen. Durch ein Dekret der bischöflichen Negierung wurde ein eigenes Buch für die wegen Zauberei verurtheilten und Hingerichteten Verbrecher angelegt und die Verhörsprotokolle die auf dem Stadtarchive verwahrt sind, geben uns ein wahrhaft schauerliches Detail jener geheimen Orgien, zu denen sich die Schuldigen bekannten. Denn nicht nur das Glück, auch die Qualen schärfen die Phantasie. Vergebens betheuerte eine der Verhafteten „sie habe nur eine Seele und könne dieselbe nicht verderben", eine andere die „nur zwei Jahre minder, denn Einhundert Jahr alt war" wurde „aus besonderer Vergünstigung" er¬ drosselt, aber auch Knaben und Mädchen im Alter von 10 — 12 Jahren waren vor Verfolgung nicht sicher. Das rührendste Bild indessen, das jene schreckliche Zeit des Wahnes uns zeigt, ist die Gestalt eines schönen sechzehn- jähriger Spielmanns, der am 13. Januar 1618 um zwei Uhr Nachts in Zabern enthauptet wurde. Er war angeklagt, daß ihn der Teufel verführt, bei einem Hexentanz in den Zweigen eines Baumes gespielt zu haben und auf der Folter bekannte er sich denn auch dazu! Welch berückendes Bild, drunten aus der grünen Matte, wo Schatten und Mondlicht ineinanderwebt, schlingen nackte junge Gestalten den Reigen und droben in den Aesten der Linde sitzt halb verzückt der schöne Knabe und streicht die Fidel immer wilder und wilder und lauscht hinunter nach seiner Liebsten! Zwei Pfund Pfennige war der Lohn, den ihm der Böse gab, daß er »den Hexen gegeigen", aber die Hand desselben „war schwarz und hart wie Holz" und schon im nächsten Augenblicke war das Geld in thönerne Scherben verwandelt. Das Alles bekannte er. Bevor er gerichtet ward, empfing er noch in der Franziskanerkirche das Abendmahl und dann sprach er zu den sieben Zeugen, vor denen ihm sein Geständniß abgelesen ward, die wehmüthigen Worte: „Ihr lieben Herrn, ich will euch gebeten und gewarnet haben, daß ihr Eure Kinder anders ziehet, als mich meine Eltern gezogen haben, damit sie nicht auch in ein solch armes Leben gerathen, in welches ich leider gerathen bin. Ich bitte euch um Gottes willen, ihr wolltet ein Vaterunser für mich beten; dasselbe will auch ich euch thun, wann ich komme, wo Gott der Allmächtige zu thun hat." Dann bat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/307>, abgerufen am 27.07.2024.