Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeitungen in Breslau; nur hin und wieder erschien in den ultramontanen
kleinen Blättern eine Bemerkung der Abwehr, und ein Arzt in Beuthen,
nicht Oberschlesier von Geburt, sondern Pommer, bekämpfte meine Ausfüh¬
rungen aus persönlicher Sympathie für die Polen und ihre Sprache mit Er¬
bitterung, fast möchte ich sagen mit blinder Wuth. Besonders auffallend
war es, daß der Gedanke bei den Großgrundbesitzern, welche in Oberschlesien
durchweg der deutschen Nationalität angehören, durchaus keinen Anklang
findet, während diejenigen Posens und Westpreußens mehr oder weniger mit
Anträgen auf Germanisirung ihrer Gutsnamen vorangehen. Von einem
Staatsbeamten erfuhr ich sogar, daß die Grubenbesitzer unter ihnen der
Namen-Umwandlung auf das entschiedenste widerstreben, weil sie dadurch
eine Beeinträchtigung und Verdunkelung ihrer Grundrechte befürchten, wie
mich dünkt, ohne alle Veranlassung.

Der Grund der Gleichgiltigkeit der deutschen Oberschlesier gegen die pol¬
nischen Laute in ihren Ortsnamen scheint mir einzig darin zu liegen, daß sich
ihr deutsches Bewußtsein niemals, wie in Posen und Westpreußen, im Kampf
mit dem Polenthum entwickelt hat. Die polnischen Oberschlesier haben nie¬
mals, bis in den letzten Jahren ein Bund zwischen ihrer ultramontanen
Geistlichkeit und der nationalpolnischen Partei geschlossen wurde, im gegnerischen
oder feindlichen Verhältniß zur Staatsregierung und zu ihren deutschsprechen¬
den Mitbürgern gestanden. Darum hat sich bei letzteren auch keine Besorg-
niß von der Eigenart und Sprache jener herausgebildet; man betrachtet beide
mit Geringschätzung, aber mit einer gewissen Duldsamkeit, die in Lässigkeit
übergeht, so daß man selbst dem Einfluß des heruntergekommenen slawischen
Wesens unterliegt, so namentlich auch in der Benennung der Ortschaften.
Diesen Schlendrian zu verlassen, ist es jetzt aber um so mehr an der Zeit,
als die polnische Propaganda in Oberschlesien seit einigen Jahren mit un¬
glaublicher Keckheit getrieben wird und nicht zum wenigsten auf den polnischen
Charakter der Ortsnamen den Anspruch auf den Bezirk als auf "polnische
Erde" stützt. Deutsche Männer dürften auch endlich aufhören, sich der Ein¬
sicht zu verschließen, daß es ihrer Nationalehre widerspricht, auf deutschem
Boden Ortschaften zu bewohnen oder Güter zu besitzen, mit Namen, wie
Xiadylas (syr. Kschondschlas), Przeschlevin, Zawadzky, Skrzydlowitz, ohne sie
mindestens dem deutschen Ohr und der deutschen Zunge einigermaßen anzu¬
passen, und Jndustrieplätze zu schaffen, wie Rosdzin, Orzesche und besonders
Zabrze, aber peinlich den Namen der ursprünglichen polnischen Pustkowien
(Weiler) beizubehalten. Kein Ortsname in Oberschlesien ist so anstößig als
das unaussprechliche Zabrze, weil nach ihm jetzt ein ganzer Kreis benannt
wird und der Ort selbst, der mit den anstoßenden Ortschaften mehr als
20,000 Seelen zählt, nunmehr zu einer Stadt erhoben werden soll. Dennoch


Zeitungen in Breslau; nur hin und wieder erschien in den ultramontanen
kleinen Blättern eine Bemerkung der Abwehr, und ein Arzt in Beuthen,
nicht Oberschlesier von Geburt, sondern Pommer, bekämpfte meine Ausfüh¬
rungen aus persönlicher Sympathie für die Polen und ihre Sprache mit Er¬
bitterung, fast möchte ich sagen mit blinder Wuth. Besonders auffallend
war es, daß der Gedanke bei den Großgrundbesitzern, welche in Oberschlesien
durchweg der deutschen Nationalität angehören, durchaus keinen Anklang
findet, während diejenigen Posens und Westpreußens mehr oder weniger mit
Anträgen auf Germanisirung ihrer Gutsnamen vorangehen. Von einem
Staatsbeamten erfuhr ich sogar, daß die Grubenbesitzer unter ihnen der
Namen-Umwandlung auf das entschiedenste widerstreben, weil sie dadurch
eine Beeinträchtigung und Verdunkelung ihrer Grundrechte befürchten, wie
mich dünkt, ohne alle Veranlassung.

Der Grund der Gleichgiltigkeit der deutschen Oberschlesier gegen die pol¬
nischen Laute in ihren Ortsnamen scheint mir einzig darin zu liegen, daß sich
ihr deutsches Bewußtsein niemals, wie in Posen und Westpreußen, im Kampf
mit dem Polenthum entwickelt hat. Die polnischen Oberschlesier haben nie¬
mals, bis in den letzten Jahren ein Bund zwischen ihrer ultramontanen
Geistlichkeit und der nationalpolnischen Partei geschlossen wurde, im gegnerischen
oder feindlichen Verhältniß zur Staatsregierung und zu ihren deutschsprechen¬
den Mitbürgern gestanden. Darum hat sich bei letzteren auch keine Besorg-
niß von der Eigenart und Sprache jener herausgebildet; man betrachtet beide
mit Geringschätzung, aber mit einer gewissen Duldsamkeit, die in Lässigkeit
übergeht, so daß man selbst dem Einfluß des heruntergekommenen slawischen
Wesens unterliegt, so namentlich auch in der Benennung der Ortschaften.
Diesen Schlendrian zu verlassen, ist es jetzt aber um so mehr an der Zeit,
als die polnische Propaganda in Oberschlesien seit einigen Jahren mit un¬
glaublicher Keckheit getrieben wird und nicht zum wenigsten auf den polnischen
Charakter der Ortsnamen den Anspruch auf den Bezirk als auf „polnische
Erde" stützt. Deutsche Männer dürften auch endlich aufhören, sich der Ein¬
sicht zu verschließen, daß es ihrer Nationalehre widerspricht, auf deutschem
Boden Ortschaften zu bewohnen oder Güter zu besitzen, mit Namen, wie
Xiadylas (syr. Kschondschlas), Przeschlevin, Zawadzky, Skrzydlowitz, ohne sie
mindestens dem deutschen Ohr und der deutschen Zunge einigermaßen anzu¬
passen, und Jndustrieplätze zu schaffen, wie Rosdzin, Orzesche und besonders
Zabrze, aber peinlich den Namen der ursprünglichen polnischen Pustkowien
(Weiler) beizubehalten. Kein Ortsname in Oberschlesien ist so anstößig als
das unaussprechliche Zabrze, weil nach ihm jetzt ein ganzer Kreis benannt
wird und der Ort selbst, der mit den anstoßenden Ortschaften mehr als
20,000 Seelen zählt, nunmehr zu einer Stadt erhoben werden soll. Dennoch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135885"/>
          <p xml:id="ID_986" prev="#ID_985"> Zeitungen in Breslau; nur hin und wieder erschien in den ultramontanen<lb/>
kleinen Blättern eine Bemerkung der Abwehr, und ein Arzt in Beuthen,<lb/>
nicht Oberschlesier von Geburt, sondern Pommer, bekämpfte meine Ausfüh¬<lb/>
rungen aus persönlicher Sympathie für die Polen und ihre Sprache mit Er¬<lb/>
bitterung, fast möchte ich sagen mit blinder Wuth. Besonders auffallend<lb/>
war es, daß der Gedanke bei den Großgrundbesitzern, welche in Oberschlesien<lb/>
durchweg der deutschen Nationalität angehören, durchaus keinen Anklang<lb/>
findet, während diejenigen Posens und Westpreußens mehr oder weniger mit<lb/>
Anträgen auf Germanisirung ihrer Gutsnamen vorangehen. Von einem<lb/>
Staatsbeamten erfuhr ich sogar, daß die Grubenbesitzer unter ihnen der<lb/>
Namen-Umwandlung auf das entschiedenste widerstreben, weil sie dadurch<lb/>
eine Beeinträchtigung und Verdunkelung ihrer Grundrechte befürchten, wie<lb/>
mich dünkt, ohne alle Veranlassung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> Der Grund der Gleichgiltigkeit der deutschen Oberschlesier gegen die pol¬<lb/>
nischen Laute in ihren Ortsnamen scheint mir einzig darin zu liegen, daß sich<lb/>
ihr deutsches Bewußtsein niemals, wie in Posen und Westpreußen, im Kampf<lb/>
mit dem Polenthum entwickelt hat. Die polnischen Oberschlesier haben nie¬<lb/>
mals, bis in den letzten Jahren ein Bund zwischen ihrer ultramontanen<lb/>
Geistlichkeit und der nationalpolnischen Partei geschlossen wurde, im gegnerischen<lb/>
oder feindlichen Verhältniß zur Staatsregierung und zu ihren deutschsprechen¬<lb/>
den Mitbürgern gestanden. Darum hat sich bei letzteren auch keine Besorg-<lb/>
niß von der Eigenart und Sprache jener herausgebildet; man betrachtet beide<lb/>
mit Geringschätzung, aber mit einer gewissen Duldsamkeit, die in Lässigkeit<lb/>
übergeht, so daß man selbst dem Einfluß des heruntergekommenen slawischen<lb/>
Wesens unterliegt, so namentlich auch in der Benennung der Ortschaften.<lb/>
Diesen Schlendrian zu verlassen, ist es jetzt aber um so mehr an der Zeit,<lb/>
als die polnische Propaganda in Oberschlesien seit einigen Jahren mit un¬<lb/>
glaublicher Keckheit getrieben wird und nicht zum wenigsten auf den polnischen<lb/>
Charakter der Ortsnamen den Anspruch auf den Bezirk als auf &#x201E;polnische<lb/>
Erde" stützt. Deutsche Männer dürften auch endlich aufhören, sich der Ein¬<lb/>
sicht zu verschließen, daß es ihrer Nationalehre widerspricht, auf deutschem<lb/>
Boden Ortschaften zu bewohnen oder Güter zu besitzen, mit Namen, wie<lb/>
Xiadylas (syr. Kschondschlas), Przeschlevin, Zawadzky, Skrzydlowitz, ohne sie<lb/>
mindestens dem deutschen Ohr und der deutschen Zunge einigermaßen anzu¬<lb/>
passen, und Jndustrieplätze zu schaffen, wie Rosdzin, Orzesche und besonders<lb/>
Zabrze, aber peinlich den Namen der ursprünglichen polnischen Pustkowien<lb/>
(Weiler) beizubehalten. Kein Ortsname in Oberschlesien ist so anstößig als<lb/>
das unaussprechliche Zabrze, weil nach ihm jetzt ein ganzer Kreis benannt<lb/>
wird und der Ort selbst, der mit den anstoßenden Ortschaften mehr als<lb/>
20,000 Seelen zählt, nunmehr zu einer Stadt erhoben werden soll. Dennoch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0304] Zeitungen in Breslau; nur hin und wieder erschien in den ultramontanen kleinen Blättern eine Bemerkung der Abwehr, und ein Arzt in Beuthen, nicht Oberschlesier von Geburt, sondern Pommer, bekämpfte meine Ausfüh¬ rungen aus persönlicher Sympathie für die Polen und ihre Sprache mit Er¬ bitterung, fast möchte ich sagen mit blinder Wuth. Besonders auffallend war es, daß der Gedanke bei den Großgrundbesitzern, welche in Oberschlesien durchweg der deutschen Nationalität angehören, durchaus keinen Anklang findet, während diejenigen Posens und Westpreußens mehr oder weniger mit Anträgen auf Germanisirung ihrer Gutsnamen vorangehen. Von einem Staatsbeamten erfuhr ich sogar, daß die Grubenbesitzer unter ihnen der Namen-Umwandlung auf das entschiedenste widerstreben, weil sie dadurch eine Beeinträchtigung und Verdunkelung ihrer Grundrechte befürchten, wie mich dünkt, ohne alle Veranlassung. Der Grund der Gleichgiltigkeit der deutschen Oberschlesier gegen die pol¬ nischen Laute in ihren Ortsnamen scheint mir einzig darin zu liegen, daß sich ihr deutsches Bewußtsein niemals, wie in Posen und Westpreußen, im Kampf mit dem Polenthum entwickelt hat. Die polnischen Oberschlesier haben nie¬ mals, bis in den letzten Jahren ein Bund zwischen ihrer ultramontanen Geistlichkeit und der nationalpolnischen Partei geschlossen wurde, im gegnerischen oder feindlichen Verhältniß zur Staatsregierung und zu ihren deutschsprechen¬ den Mitbürgern gestanden. Darum hat sich bei letzteren auch keine Besorg- niß von der Eigenart und Sprache jener herausgebildet; man betrachtet beide mit Geringschätzung, aber mit einer gewissen Duldsamkeit, die in Lässigkeit übergeht, so daß man selbst dem Einfluß des heruntergekommenen slawischen Wesens unterliegt, so namentlich auch in der Benennung der Ortschaften. Diesen Schlendrian zu verlassen, ist es jetzt aber um so mehr an der Zeit, als die polnische Propaganda in Oberschlesien seit einigen Jahren mit un¬ glaublicher Keckheit getrieben wird und nicht zum wenigsten auf den polnischen Charakter der Ortsnamen den Anspruch auf den Bezirk als auf „polnische Erde" stützt. Deutsche Männer dürften auch endlich aufhören, sich der Ein¬ sicht zu verschließen, daß es ihrer Nationalehre widerspricht, auf deutschem Boden Ortschaften zu bewohnen oder Güter zu besitzen, mit Namen, wie Xiadylas (syr. Kschondschlas), Przeschlevin, Zawadzky, Skrzydlowitz, ohne sie mindestens dem deutschen Ohr und der deutschen Zunge einigermaßen anzu¬ passen, und Jndustrieplätze zu schaffen, wie Rosdzin, Orzesche und besonders Zabrze, aber peinlich den Namen der ursprünglichen polnischen Pustkowien (Weiler) beizubehalten. Kein Ortsname in Oberschlesien ist so anstößig als das unaussprechliche Zabrze, weil nach ihm jetzt ein ganzer Kreis benannt wird und der Ort selbst, der mit den anstoßenden Ortschaften mehr als 20,000 Seelen zählt, nunmehr zu einer Stadt erhoben werden soll. Dennoch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/304
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/304>, abgerufen am 27.11.2024.