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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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polnischen Regierungs-Bezirk geschehen soll, ohne damit im geringsten weiter
gehenden Anträgen aus der Mitte der Bevölkerung entgegenzutreten. Ein
solcher Antrag ist denn auch u. a. von dem Kreistage von Chodschesen
im Spätherbst 1875 ausgegangen, wonach der Name des Kreises und der
Stadt Chodschesen nach dem Namen des dortigen verdienten Landraths in
Kolmar umgewandelt werden sollte. Ob dem Antrage von dem Könige,
bei dem die Entscheidung über dergleichen ruht, stattgegeben worden ist, darüber
hat seitdem noch nichts weiter verlautet.

Kehren wir zu der Einführung der deutschen Rechtschreibung zurück, so
ist zu bemerken, daß darin in Westpreußen bei den Namen der Städte wenig
nachzuholen ist, da letztere mit wenig Ausnahmen schon im Mtttelalter von
Deutschen gegründet wurden und damals gleich einen deutschen oder doch der
deutschen Zunge angepaßten Namen erhielten. Es bleiben nur Gurzno im
Kreise Straßburg und Podgorze, Thorn gegenüber, hierin übrig. Dagegen bleibt
im Regierungs-Bezirk Posen in der Beziehung noch viel zu thun; so wird
das Städtchen Xionz, das durch seinen staatskatholischen Pfarrer Kubeczak in
den letzten Jahren einen so ausgebreiteten Ruf erlangte, stets ein harter Anstoß
für jeden Deutschen sein, und er wird sich kaum vermindern, wenn man
erfährt, daß diese wunderliche Buchstabenzusammensetzung "Kschons" ausgespro¬
chen wird. Warum kann man den Namen den Polen nicht unverkürzt in ihrer
Sprache belassen und für die Deutschen einen deutschen Namen an die Stelle
setzen, wie das z. B. auch bei "Ostrzeßow" durch "Schildberg" geschehen ist?

Im Reg.-Bez. Bromberg find unter dem Präsidium des Herrn v. Wegnern
nach diesem Grundsatz die beiden Städte mit ganz deutschen Namen versehen
worden: Czerniajewo und Miasteczko, welche jetzt Schwarzenau (übersetzt) und
Friedheim heißen. Schon früher ist der mittelalterliche Name Rohrbruch für
Rinarzewo wiederhergestellt worden. Trzemeßno wurde unter dem Wider¬
spruch der Stadtverordneten in Tremessen umgewandelt. Obgleich hier die
Sprachgesetze so weit beobachtet wurden, daß kein wesentlicher Buchstabe ver¬
loren ging, so daß die Polen meines Erachtens ihren alten Namen künftig
sofort wiedererkennen können und auch der Geschichtsschreiber darüber nicht
im Unklaren bleiben wird, so wurde doch diese Veränderung von verschiedenen
Seiten mit dem Anschein von Sprach, und Geschichtskundigkeit mit Ereiferung
getadelt. Eine Stimme aus Thorn nannte sie "beliebig" und "principlos" und
stellte sie neben die allerdings geschmacklose Verwandlung von Bylizyn in
Bildschön. Die "Posener Zeitung" aber hatte so viel Mißfallen daran, daß
sie erklärte, sie würde die Stadt auch ferner Trzemeßno nennen, was sie
nachher doch nicht that. Ich finde diese Opposition lediglich in deutscher
Querköpfigkeit begründet und den Namen Tremessen vortrefflich gelungen nach
den alten Vorbildern Krossen, Lessen, Plessen u. dergl. Wenn die "Pos. Ztg."


polnischen Regierungs-Bezirk geschehen soll, ohne damit im geringsten weiter
gehenden Anträgen aus der Mitte der Bevölkerung entgegenzutreten. Ein
solcher Antrag ist denn auch u. a. von dem Kreistage von Chodschesen
im Spätherbst 1875 ausgegangen, wonach der Name des Kreises und der
Stadt Chodschesen nach dem Namen des dortigen verdienten Landraths in
Kolmar umgewandelt werden sollte. Ob dem Antrage von dem Könige,
bei dem die Entscheidung über dergleichen ruht, stattgegeben worden ist, darüber
hat seitdem noch nichts weiter verlautet.

Kehren wir zu der Einführung der deutschen Rechtschreibung zurück, so
ist zu bemerken, daß darin in Westpreußen bei den Namen der Städte wenig
nachzuholen ist, da letztere mit wenig Ausnahmen schon im Mtttelalter von
Deutschen gegründet wurden und damals gleich einen deutschen oder doch der
deutschen Zunge angepaßten Namen erhielten. Es bleiben nur Gurzno im
Kreise Straßburg und Podgorze, Thorn gegenüber, hierin übrig. Dagegen bleibt
im Regierungs-Bezirk Posen in der Beziehung noch viel zu thun; so wird
das Städtchen Xionz, das durch seinen staatskatholischen Pfarrer Kubeczak in
den letzten Jahren einen so ausgebreiteten Ruf erlangte, stets ein harter Anstoß
für jeden Deutschen sein, und er wird sich kaum vermindern, wenn man
erfährt, daß diese wunderliche Buchstabenzusammensetzung „Kschons" ausgespro¬
chen wird. Warum kann man den Namen den Polen nicht unverkürzt in ihrer
Sprache belassen und für die Deutschen einen deutschen Namen an die Stelle
setzen, wie das z. B. auch bei „Ostrzeßow" durch „Schildberg" geschehen ist?

Im Reg.-Bez. Bromberg find unter dem Präsidium des Herrn v. Wegnern
nach diesem Grundsatz die beiden Städte mit ganz deutschen Namen versehen
worden: Czerniajewo und Miasteczko, welche jetzt Schwarzenau (übersetzt) und
Friedheim heißen. Schon früher ist der mittelalterliche Name Rohrbruch für
Rinarzewo wiederhergestellt worden. Trzemeßno wurde unter dem Wider¬
spruch der Stadtverordneten in Tremessen umgewandelt. Obgleich hier die
Sprachgesetze so weit beobachtet wurden, daß kein wesentlicher Buchstabe ver¬
loren ging, so daß die Polen meines Erachtens ihren alten Namen künftig
sofort wiedererkennen können und auch der Geschichtsschreiber darüber nicht
im Unklaren bleiben wird, so wurde doch diese Veränderung von verschiedenen
Seiten mit dem Anschein von Sprach, und Geschichtskundigkeit mit Ereiferung
getadelt. Eine Stimme aus Thorn nannte sie „beliebig" und „principlos" und
stellte sie neben die allerdings geschmacklose Verwandlung von Bylizyn in
Bildschön. Die „Posener Zeitung" aber hatte so viel Mißfallen daran, daß
sie erklärte, sie würde die Stadt auch ferner Trzemeßno nennen, was sie
nachher doch nicht that. Ich finde diese Opposition lediglich in deutscher
Querköpfigkeit begründet und den Namen Tremessen vortrefflich gelungen nach
den alten Vorbildern Krossen, Lessen, Plessen u. dergl. Wenn die „Pos. Ztg."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/299>, abgerufen am 28.07.2024.