Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erscheint es denn verhältnißmäßig als kein allzugroßer Luxus, wenn er 1898
bei selner "Rathsmahlzeit," die er im eignen Garten abhielt, gegen 100 Gul¬
den aufgehen läßt.

Einzelne Auszeichnungen liefern Beiträge zu den traurigen Sanitätsver¬
hältnissen jener Zeit. Die moderne Klage der Wasferfanatiker, daß die
Aerzte die Leute nicht gesund, sondern erst recht krank machen, können wir
schon in unserm Familienbuche finden: von dem oben erwähnten Baumeister
von Bamberg erzählt der ältere Planck, daß er erblindet und "durch die ertz
umb seine gesundheit komen" sei. Die Therapie lag allerdings sehr im Argen.
Eine Schwester Planck's bekam mit 16 Jahren "ein gewex an einen fuß aus
dem Brett" (Fußsohle). Da wurde kurzer Prozeß gemacht und ihr der Fuß
abgeschnitten "gleich über dem Knorr (Knöchel), weil dan der grosse schmertz
sie so heimsucht, daß sie nit die Person darnach war, solchen auszustehen, starb
sie endlich, ehe sie Hehl war." Am schlimmsten waren die Kinder daran; sie
starben wirklich wie die Fliegen dahin. Den alten Christoph Planck über¬
lebten von 17 Kindern nur 10, die übrigen starben in früher Kindheit; dem
Leipziger Planck starben von seinen 9 Kindern 5, ebenfalls in den ersten
Lebensjahren, dem jüngern Planck von 8 Kindern 6; der eine Knabe hatte
"an dem gemachte den Keil bekommen, welches hernach zugenommen und ein
rechter Bruch drauß worden", die drei letzten Kinder rafften in den Jahren
1637 -- 1642 sämmtlich die Blattern hinweg. Ansteckende Krankheiten kehren
überhaupt fortwährend wieder und nöthigen die Familie, ihren Wohnort
zeitweilig zu verlassen und anderwärts Schutz zu suchen.

Selten macht sich in den Aufzeichnungen ein Interesse für politische Be¬
gebenheiten bemerklich. Die paar Ereignisse, die der ältere Planck eingetragen
hat, gehören sämmtlich dem Türkenkriege an -- ein Beweis, wie lebhaft und
wie ausschließlich dieser damals die Gemüther in Deutschland beschäftigte.
Er notirt sich, daß 1S94 der Graf von Hardeck den Türken die Festung Raab
übergeben habe, daß 1695 Graf Karl von Mannsfeld bet der Belagerung
von Gran gestorben sei und in demselben Jahre Hardeck und noch ein anderer,
für dessen Namen Platz gelassen ist -- es war der Kriegsbaumeister Nteolo
Perlini, der die Unterhandlungen mit den Türken geführt hatte -- wegen
der schimpflichen Uebergabe von Raab in Wien enthauptet worden seien,
endlich daß 1398 Raab durch den Grasen von Schwartzenberg "widergewonen
und bej nechlicher weil mitt der Bedarta (Petarde) eingenomen" worden sei*).
Außerdem berichtet er nur noch einmal von einer gewöhnlichen Fehde zwischen
Fürst und Stadt, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts auch gelegentlich
noch vorkamen: 1898 "hat der Margraff (von Ansbach) alle gutter, so in
die stad gewolt oder herauß komen, uff ain straffen umb Nürnberg herumb



') Vgl. Feßler, Geschichte Ungarns. Bd. 7. S. 302. 338. 40b.

erscheint es denn verhältnißmäßig als kein allzugroßer Luxus, wenn er 1898
bei selner „Rathsmahlzeit," die er im eignen Garten abhielt, gegen 100 Gul¬
den aufgehen läßt.

Einzelne Auszeichnungen liefern Beiträge zu den traurigen Sanitätsver¬
hältnissen jener Zeit. Die moderne Klage der Wasferfanatiker, daß die
Aerzte die Leute nicht gesund, sondern erst recht krank machen, können wir
schon in unserm Familienbuche finden: von dem oben erwähnten Baumeister
von Bamberg erzählt der ältere Planck, daß er erblindet und „durch die ertz
umb seine gesundheit komen" sei. Die Therapie lag allerdings sehr im Argen.
Eine Schwester Planck's bekam mit 16 Jahren „ein gewex an einen fuß aus
dem Brett" (Fußsohle). Da wurde kurzer Prozeß gemacht und ihr der Fuß
abgeschnitten „gleich über dem Knorr (Knöchel), weil dan der grosse schmertz
sie so heimsucht, daß sie nit die Person darnach war, solchen auszustehen, starb
sie endlich, ehe sie Hehl war." Am schlimmsten waren die Kinder daran; sie
starben wirklich wie die Fliegen dahin. Den alten Christoph Planck über¬
lebten von 17 Kindern nur 10, die übrigen starben in früher Kindheit; dem
Leipziger Planck starben von seinen 9 Kindern 5, ebenfalls in den ersten
Lebensjahren, dem jüngern Planck von 8 Kindern 6; der eine Knabe hatte
„an dem gemachte den Keil bekommen, welches hernach zugenommen und ein
rechter Bruch drauß worden", die drei letzten Kinder rafften in den Jahren
1637 — 1642 sämmtlich die Blattern hinweg. Ansteckende Krankheiten kehren
überhaupt fortwährend wieder und nöthigen die Familie, ihren Wohnort
zeitweilig zu verlassen und anderwärts Schutz zu suchen.

Selten macht sich in den Aufzeichnungen ein Interesse für politische Be¬
gebenheiten bemerklich. Die paar Ereignisse, die der ältere Planck eingetragen
hat, gehören sämmtlich dem Türkenkriege an — ein Beweis, wie lebhaft und
wie ausschließlich dieser damals die Gemüther in Deutschland beschäftigte.
Er notirt sich, daß 1S94 der Graf von Hardeck den Türken die Festung Raab
übergeben habe, daß 1695 Graf Karl von Mannsfeld bet der Belagerung
von Gran gestorben sei und in demselben Jahre Hardeck und noch ein anderer,
für dessen Namen Platz gelassen ist — es war der Kriegsbaumeister Nteolo
Perlini, der die Unterhandlungen mit den Türken geführt hatte — wegen
der schimpflichen Uebergabe von Raab in Wien enthauptet worden seien,
endlich daß 1398 Raab durch den Grasen von Schwartzenberg „widergewonen
und bej nechlicher weil mitt der Bedarta (Petarde) eingenomen" worden sei*).
Außerdem berichtet er nur noch einmal von einer gewöhnlichen Fehde zwischen
Fürst und Stadt, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts auch gelegentlich
noch vorkamen: 1898 „hat der Margraff (von Ansbach) alle gutter, so in
die stad gewolt oder herauß komen, uff ain straffen umb Nürnberg herumb



') Vgl. Feßler, Geschichte Ungarns. Bd. 7. S. 302. 338. 40b.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135809"/>
          <p xml:id="ID_736" prev="#ID_735"> erscheint es denn verhältnißmäßig als kein allzugroßer Luxus, wenn er 1898<lb/>
bei selner &#x201E;Rathsmahlzeit," die er im eignen Garten abhielt, gegen 100 Gul¬<lb/>
den aufgehen läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_737"> Einzelne Auszeichnungen liefern Beiträge zu den traurigen Sanitätsver¬<lb/>
hältnissen jener Zeit. Die moderne Klage der Wasferfanatiker, daß die<lb/>
Aerzte die Leute nicht gesund, sondern erst recht krank machen, können wir<lb/>
schon in unserm Familienbuche finden: von dem oben erwähnten Baumeister<lb/>
von Bamberg erzählt der ältere Planck, daß er erblindet und &#x201E;durch die ertz<lb/>
umb seine gesundheit komen" sei. Die Therapie lag allerdings sehr im Argen.<lb/>
Eine Schwester Planck's bekam mit 16 Jahren &#x201E;ein gewex an einen fuß aus<lb/>
dem Brett" (Fußsohle). Da wurde kurzer Prozeß gemacht und ihr der Fuß<lb/>
abgeschnitten &#x201E;gleich über dem Knorr (Knöchel), weil dan der grosse schmertz<lb/>
sie so heimsucht, daß sie nit die Person darnach war, solchen auszustehen, starb<lb/>
sie endlich, ehe sie Hehl war." Am schlimmsten waren die Kinder daran; sie<lb/>
starben wirklich wie die Fliegen dahin. Den alten Christoph Planck über¬<lb/>
lebten von 17 Kindern nur 10, die übrigen starben in früher Kindheit; dem<lb/>
Leipziger Planck starben von seinen 9 Kindern 5, ebenfalls in den ersten<lb/>
Lebensjahren, dem jüngern Planck von 8 Kindern 6; der eine Knabe hatte<lb/>
&#x201E;an dem gemachte den Keil bekommen, welches hernach zugenommen und ein<lb/>
rechter Bruch drauß worden", die drei letzten Kinder rafften in den Jahren<lb/>
1637 &#x2014; 1642 sämmtlich die Blattern hinweg. Ansteckende Krankheiten kehren<lb/>
überhaupt fortwährend wieder und nöthigen die Familie, ihren Wohnort<lb/>
zeitweilig zu verlassen und anderwärts Schutz zu suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_738" next="#ID_739"> Selten macht sich in den Aufzeichnungen ein Interesse für politische Be¬<lb/>
gebenheiten bemerklich. Die paar Ereignisse, die der ältere Planck eingetragen<lb/>
hat, gehören sämmtlich dem Türkenkriege an &#x2014; ein Beweis, wie lebhaft und<lb/>
wie ausschließlich dieser damals die Gemüther in Deutschland beschäftigte.<lb/>
Er notirt sich, daß 1S94 der Graf von Hardeck den Türken die Festung Raab<lb/>
übergeben habe, daß 1695 Graf Karl von Mannsfeld bet der Belagerung<lb/>
von Gran gestorben sei und in demselben Jahre Hardeck und noch ein anderer,<lb/>
für dessen Namen Platz gelassen ist &#x2014; es war der Kriegsbaumeister Nteolo<lb/>
Perlini, der die Unterhandlungen mit den Türken geführt hatte &#x2014; wegen<lb/>
der schimpflichen Uebergabe von Raab in Wien enthauptet worden seien,<lb/>
endlich daß 1398 Raab durch den Grasen von Schwartzenberg &#x201E;widergewonen<lb/>
und bej nechlicher weil mitt der Bedarta (Petarde) eingenomen" worden sei*).<lb/>
Außerdem berichtet er nur noch einmal von einer gewöhnlichen Fehde zwischen<lb/>
Fürst und Stadt, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts auch gelegentlich<lb/>
noch vorkamen: 1898 &#x201E;hat der Margraff (von Ansbach) alle gutter, so in<lb/>
die stad gewolt oder herauß komen, uff ain straffen umb Nürnberg herumb</p><lb/>
          <note xml:id="FID_50" place="foot"> ') Vgl. Feßler, Geschichte Ungarns. Bd. 7. S. 302. 338. 40b.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] erscheint es denn verhältnißmäßig als kein allzugroßer Luxus, wenn er 1898 bei selner „Rathsmahlzeit," die er im eignen Garten abhielt, gegen 100 Gul¬ den aufgehen läßt. Einzelne Auszeichnungen liefern Beiträge zu den traurigen Sanitätsver¬ hältnissen jener Zeit. Die moderne Klage der Wasferfanatiker, daß die Aerzte die Leute nicht gesund, sondern erst recht krank machen, können wir schon in unserm Familienbuche finden: von dem oben erwähnten Baumeister von Bamberg erzählt der ältere Planck, daß er erblindet und „durch die ertz umb seine gesundheit komen" sei. Die Therapie lag allerdings sehr im Argen. Eine Schwester Planck's bekam mit 16 Jahren „ein gewex an einen fuß aus dem Brett" (Fußsohle). Da wurde kurzer Prozeß gemacht und ihr der Fuß abgeschnitten „gleich über dem Knorr (Knöchel), weil dan der grosse schmertz sie so heimsucht, daß sie nit die Person darnach war, solchen auszustehen, starb sie endlich, ehe sie Hehl war." Am schlimmsten waren die Kinder daran; sie starben wirklich wie die Fliegen dahin. Den alten Christoph Planck über¬ lebten von 17 Kindern nur 10, die übrigen starben in früher Kindheit; dem Leipziger Planck starben von seinen 9 Kindern 5, ebenfalls in den ersten Lebensjahren, dem jüngern Planck von 8 Kindern 6; der eine Knabe hatte „an dem gemachte den Keil bekommen, welches hernach zugenommen und ein rechter Bruch drauß worden", die drei letzten Kinder rafften in den Jahren 1637 — 1642 sämmtlich die Blattern hinweg. Ansteckende Krankheiten kehren überhaupt fortwährend wieder und nöthigen die Familie, ihren Wohnort zeitweilig zu verlassen und anderwärts Schutz zu suchen. Selten macht sich in den Aufzeichnungen ein Interesse für politische Be¬ gebenheiten bemerklich. Die paar Ereignisse, die der ältere Planck eingetragen hat, gehören sämmtlich dem Türkenkriege an — ein Beweis, wie lebhaft und wie ausschließlich dieser damals die Gemüther in Deutschland beschäftigte. Er notirt sich, daß 1S94 der Graf von Hardeck den Türken die Festung Raab übergeben habe, daß 1695 Graf Karl von Mannsfeld bet der Belagerung von Gran gestorben sei und in demselben Jahre Hardeck und noch ein anderer, für dessen Namen Platz gelassen ist — es war der Kriegsbaumeister Nteolo Perlini, der die Unterhandlungen mit den Türken geführt hatte — wegen der schimpflichen Uebergabe von Raab in Wien enthauptet worden seien, endlich daß 1398 Raab durch den Grasen von Schwartzenberg „widergewonen und bej nechlicher weil mitt der Bedarta (Petarde) eingenomen" worden sei*). Außerdem berichtet er nur noch einmal von einer gewöhnlichen Fehde zwischen Fürst und Stadt, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts auch gelegentlich noch vorkamen: 1898 „hat der Margraff (von Ansbach) alle gutter, so in die stad gewolt oder herauß komen, uff ain straffen umb Nürnberg herumb ') Vgl. Feßler, Geschichte Ungarns. Bd. 7. S. 302. 338. 40b.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/228>, abgerufen am 27.07.2024.