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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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gimenten den Leuten dienen, werden sie ihre Pfarrkinder, Schüler und Bürger
erst recht deponieren und vexieren. Doch braucht man dieVeration, daß die
Kinder von Jugend an gewöhnen etwas zu leiden, wer nichts leiden und
verhören kann, der dienet nicht zum Prediger und Regenten." Und in Luther's
Tischreden heißt es, daß Luther einst drei Knaben mit den Worten absolvirt
habe: "Diese Ceremonie wird darum also gebraucht, auf daß ihr gedemü¬
thiget werdet, nicht hoffärtig und vermessen seid, noch euch zum Bösen ge¬
wohnet. Denn solche Laster seynd wunderliche ungeheure Thiere, die da Hörner
haben und einem Studenten nicht gebühren und übel anstehen. Darum de¬
müthiget euch und lernet leiden und Geduld haben, denn ihr werdet euer Leben¬
lang deponiert werden .. Wenn euch nun solches widerfahren wird, so werdet
nicht kleinmüthig, verzagt und ungeduldig .. sondern seyd getrost und leidet
solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung: gedenkt daran, daß ihr zu Witten-
berg geweihet seyd zum Leiden, und könnet sagen, Wenns nun kömmt: wohlan
ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponiert zu werden, das muß
mein Lebenlang währen. Also ist diese unsre Deposition nur eine Figur
und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Unglück, Plagen und Züch¬
tigung." Darauf habe er dem Knaben Wein auf's Haupt gegossen und
sie absolvirt "vom Bean und Bacchanten."*)

Bei Georg erhielt die "Deposition" ihren Sinn, denn er studirte später,
wie oben schon mitgetheilt. Daniel aber kam mit 14 Jahren in die Lehre
und ging mit 18 auf die Wanderschaft. Der Vater berichtet darüber: "1606
nach dem Petter Paul hab ich inn im Namen gotteß nach Amsterdam zu dem
Emanuel von Baferrott gesamt. 1607 Petter Paulj ist er von Amsterdam
wider komen vnd alßbaltt im Namen gottes auff Nürnberg, Heidelberg, straß-
vurg, Baßl, Jennua, Pissa, vennedig und im Rückhweg auff Plirrs, Augspurg
und Nürnberg und also den 29. Oetober mitt einem fiber zu hauß komen
Ao. 1608." Der Ortsname "Plirrs" giebt zu rathen auf. Gemeine ist Plurs
(franz. Pleurs, nat. Piure) bei Chiavenna, eine am Ende des 16. und Anfang
des 17. Jahrhunderts berühmte Sommerfrische der reichen Mailänder Kauf¬
leute, welche 1618 total verschüttet wurde und seitdem von der Landkarte ver¬
schwunden ist.

Verschiedene Reisen sind es auch, die unter den persönlichen Erlebnissen
des älteren Planck wiederholt verzeichnet werden. Er reist 1391 nach Freiberg
zur Bestattung Kurfürst Christian's I., 1S93 nach Dresden und 1896 nach
Wien zu guter Freunde Hochzeit, 1396 nach Culmbach und Nürnberg, um
seine Verwandten zu besuchen, macht im Sommer 1896 eine Vergnügungs¬
reise nach Gröningen, im Herbst 1897 eine Badereise nach Carlsbad und



") Vgl. Raumer, Geschichte der Pädagogik. IV. S. 40 f.

gimenten den Leuten dienen, werden sie ihre Pfarrkinder, Schüler und Bürger
erst recht deponieren und vexieren. Doch braucht man dieVeration, daß die
Kinder von Jugend an gewöhnen etwas zu leiden, wer nichts leiden und
verhören kann, der dienet nicht zum Prediger und Regenten." Und in Luther's
Tischreden heißt es, daß Luther einst drei Knaben mit den Worten absolvirt
habe: „Diese Ceremonie wird darum also gebraucht, auf daß ihr gedemü¬
thiget werdet, nicht hoffärtig und vermessen seid, noch euch zum Bösen ge¬
wohnet. Denn solche Laster seynd wunderliche ungeheure Thiere, die da Hörner
haben und einem Studenten nicht gebühren und übel anstehen. Darum de¬
müthiget euch und lernet leiden und Geduld haben, denn ihr werdet euer Leben¬
lang deponiert werden .. Wenn euch nun solches widerfahren wird, so werdet
nicht kleinmüthig, verzagt und ungeduldig .. sondern seyd getrost und leidet
solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung: gedenkt daran, daß ihr zu Witten-
berg geweihet seyd zum Leiden, und könnet sagen, Wenns nun kömmt: wohlan
ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponiert zu werden, das muß
mein Lebenlang währen. Also ist diese unsre Deposition nur eine Figur
und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Unglück, Plagen und Züch¬
tigung." Darauf habe er dem Knaben Wein auf's Haupt gegossen und
sie absolvirt „vom Bean und Bacchanten."*)

Bei Georg erhielt die „Deposition" ihren Sinn, denn er studirte später,
wie oben schon mitgetheilt. Daniel aber kam mit 14 Jahren in die Lehre
und ging mit 18 auf die Wanderschaft. Der Vater berichtet darüber: „1606
nach dem Petter Paul hab ich inn im Namen gotteß nach Amsterdam zu dem
Emanuel von Baferrott gesamt. 1607 Petter Paulj ist er von Amsterdam
wider komen vnd alßbaltt im Namen gottes auff Nürnberg, Heidelberg, straß-
vurg, Baßl, Jennua, Pissa, vennedig und im Rückhweg auff Plirrs, Augspurg
und Nürnberg und also den 29. Oetober mitt einem fiber zu hauß komen
Ao. 1608." Der Ortsname „Plirrs" giebt zu rathen auf. Gemeine ist Plurs
(franz. Pleurs, nat. Piure) bei Chiavenna, eine am Ende des 16. und Anfang
des 17. Jahrhunderts berühmte Sommerfrische der reichen Mailänder Kauf¬
leute, welche 1618 total verschüttet wurde und seitdem von der Landkarte ver¬
schwunden ist.

Verschiedene Reisen sind es auch, die unter den persönlichen Erlebnissen
des älteren Planck wiederholt verzeichnet werden. Er reist 1391 nach Freiberg
zur Bestattung Kurfürst Christian's I., 1S93 nach Dresden und 1896 nach
Wien zu guter Freunde Hochzeit, 1396 nach Culmbach und Nürnberg, um
seine Verwandten zu besuchen, macht im Sommer 1896 eine Vergnügungs¬
reise nach Gröningen, im Herbst 1897 eine Badereise nach Carlsbad und



") Vgl. Raumer, Geschichte der Pädagogik. IV. S. 40 f.
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[0226] gimenten den Leuten dienen, werden sie ihre Pfarrkinder, Schüler und Bürger erst recht deponieren und vexieren. Doch braucht man dieVeration, daß die Kinder von Jugend an gewöhnen etwas zu leiden, wer nichts leiden und verhören kann, der dienet nicht zum Prediger und Regenten." Und in Luther's Tischreden heißt es, daß Luther einst drei Knaben mit den Worten absolvirt habe: „Diese Ceremonie wird darum also gebraucht, auf daß ihr gedemü¬ thiget werdet, nicht hoffärtig und vermessen seid, noch euch zum Bösen ge¬ wohnet. Denn solche Laster seynd wunderliche ungeheure Thiere, die da Hörner haben und einem Studenten nicht gebühren und übel anstehen. Darum de¬ müthiget euch und lernet leiden und Geduld haben, denn ihr werdet euer Leben¬ lang deponiert werden .. Wenn euch nun solches widerfahren wird, so werdet nicht kleinmüthig, verzagt und ungeduldig .. sondern seyd getrost und leidet solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung: gedenkt daran, daß ihr zu Witten- berg geweihet seyd zum Leiden, und könnet sagen, Wenns nun kömmt: wohlan ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponiert zu werden, das muß mein Lebenlang währen. Also ist diese unsre Deposition nur eine Figur und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Unglück, Plagen und Züch¬ tigung." Darauf habe er dem Knaben Wein auf's Haupt gegossen und sie absolvirt „vom Bean und Bacchanten."*) Bei Georg erhielt die „Deposition" ihren Sinn, denn er studirte später, wie oben schon mitgetheilt. Daniel aber kam mit 14 Jahren in die Lehre und ging mit 18 auf die Wanderschaft. Der Vater berichtet darüber: „1606 nach dem Petter Paul hab ich inn im Namen gotteß nach Amsterdam zu dem Emanuel von Baferrott gesamt. 1607 Petter Paulj ist er von Amsterdam wider komen vnd alßbaltt im Namen gottes auff Nürnberg, Heidelberg, straß- vurg, Baßl, Jennua, Pissa, vennedig und im Rückhweg auff Plirrs, Augspurg und Nürnberg und also den 29. Oetober mitt einem fiber zu hauß komen Ao. 1608." Der Ortsname „Plirrs" giebt zu rathen auf. Gemeine ist Plurs (franz. Pleurs, nat. Piure) bei Chiavenna, eine am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts berühmte Sommerfrische der reichen Mailänder Kauf¬ leute, welche 1618 total verschüttet wurde und seitdem von der Landkarte ver¬ schwunden ist. Verschiedene Reisen sind es auch, die unter den persönlichen Erlebnissen des älteren Planck wiederholt verzeichnet werden. Er reist 1391 nach Freiberg zur Bestattung Kurfürst Christian's I., 1S93 nach Dresden und 1896 nach Wien zu guter Freunde Hochzeit, 1396 nach Culmbach und Nürnberg, um seine Verwandten zu besuchen, macht im Sommer 1896 eine Vergnügungs¬ reise nach Gröningen, im Herbst 1897 eine Badereise nach Carlsbad und ") Vgl. Raumer, Geschichte der Pädagogik. IV. S. 40 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/226>, abgerufen am 27.11.2024.