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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Daß die Partei dies nicht that, liegt an ihrem Mangel an "höherem Gen-
tlemanthum", ein Wort, das offenbar nach der Analogie von höherem Blöd¬
sinn gebildet ist. Wir Andern, wenn wir schon die Ziererei mit englischen
Worten hinnehmen, sind wenigstens der Meinung, daß Einer entweder nur
Gentlemann ist, oder nicht. Wir halten dafür, daß dieser einer von den Be¬
griffen ist, die keine Grade gestatten. Nicht so Karlchen Mießnik, das
überall den höchsten Grad für sich behalten muß, und das ist nun eben Karl-
chen's Schmerz, der es zur Wuth treibt, daß der Kanzler so ganz ohne Ver¬
dienst und Würdigkeit Karlchen den höchsten Grad entzieht. Nach Carlchen
giebt es in Deutschland keinen entbehrlicheren Mann, als den Fürsten Bis-
Marck. Man lese auf Seite 39 die Worte, welche Carlchen durch gesperrten
Satz hervorheben läßt, was wir nicht thun, da sie durch sich selbst hinläng¬
lich leuchten: "Nach dem freiwilligen oder unfreiwilligen Rücktritte des Kanz¬
lers wird das deutsche Reich auch nicht um eine einzige Stufe von dem Platze
herabsteigen, den es sich durch eigne Kraft unter den Völkern erworben hat."
Wie kommt es nur, daß dieser entbehrliche Mann so lange seinen Platz be¬
haupten kann? Das kommt, so belehrt uns Carlchen, von dem Irrthum, den
Fürsten Bismarck für einen großen Mann zu halten. Zwar so halb und
halb ist er das. Hier greift Karlchen wieder einmal zu dem Mittel der Gra¬
dation. Er hat, seit er nicht mehr in Unterquarta sitzt, seit ihm der Pelham
und das Parlament zu Kopf gestiegen, vergessen, daß die Gradation nicht
auf alle Begriffe anzuwenden ist. Dieses Vergessen läßt ihn behaupten, daß
Fürst Bismarck, wenn schon ein großer Mann, ein "untergeordneter" großer
Mann sei. Da möchte man, wie Karlchen Mießnik in seinem Pamphlet
thut, in vollem Ernst die heilige Henriette anrufen. Aber wir wollen uns
den Spaß nicht verkürzen. Karlchen tritt den Beweis an, daß Fürst Bismarck
kein vollendet großer Mann sei; denn derselbe wendet sich an den Staats¬
anwalt gegen Beleidigungen, hat Anfälle von despotischer Laune, die kein
"vollendet großer "Mann hat, nous. Alexander, Caesar, FriedrichII., Napoleon I.
u. s. w., aber Karlchen wird uns sagen, daß das alles keine "vollendet große"
Männer waren. Also Karlchen zeige uns Deinen "vollendet großen" Mann!
Halt, wir sehen ihn schon. Ehe Karlchen den Pelham gelesen, hat er seine
Phantasie an wer weiß welchem vergilbten, vergriffnen Exemplar eines Cramer
oder Spieß genährt. Da erscheint der "vollendet große" Mann ungeheuer
wild, aber ungeheuer edel. Wenn so ein vollendeter Mann unter die Wichte
fährt, kann er gelegentlich einen, wie Hercules einst den Lichas, an den Mond
schleudern; wenn der Wicht aber mit ungebrochenen Gliedern wieder herunter
kommt, dann wäscht der vollendet große Mann den Wicht mit Franzbrannt¬
wein, in welchem sie beide dann -- denn der Große wie der Kleine sind gute
Seelen -- Brüderschaft trinken. Ja Karlchen Du hast recht, diesen Typus


Daß die Partei dies nicht that, liegt an ihrem Mangel an „höherem Gen-
tlemanthum", ein Wort, das offenbar nach der Analogie von höherem Blöd¬
sinn gebildet ist. Wir Andern, wenn wir schon die Ziererei mit englischen
Worten hinnehmen, sind wenigstens der Meinung, daß Einer entweder nur
Gentlemann ist, oder nicht. Wir halten dafür, daß dieser einer von den Be¬
griffen ist, die keine Grade gestatten. Nicht so Karlchen Mießnik, das
überall den höchsten Grad für sich behalten muß, und das ist nun eben Karl-
chen's Schmerz, der es zur Wuth treibt, daß der Kanzler so ganz ohne Ver¬
dienst und Würdigkeit Karlchen den höchsten Grad entzieht. Nach Carlchen
giebt es in Deutschland keinen entbehrlicheren Mann, als den Fürsten Bis-
Marck. Man lese auf Seite 39 die Worte, welche Carlchen durch gesperrten
Satz hervorheben läßt, was wir nicht thun, da sie durch sich selbst hinläng¬
lich leuchten: „Nach dem freiwilligen oder unfreiwilligen Rücktritte des Kanz¬
lers wird das deutsche Reich auch nicht um eine einzige Stufe von dem Platze
herabsteigen, den es sich durch eigne Kraft unter den Völkern erworben hat."
Wie kommt es nur, daß dieser entbehrliche Mann so lange seinen Platz be¬
haupten kann? Das kommt, so belehrt uns Carlchen, von dem Irrthum, den
Fürsten Bismarck für einen großen Mann zu halten. Zwar so halb und
halb ist er das. Hier greift Karlchen wieder einmal zu dem Mittel der Gra¬
dation. Er hat, seit er nicht mehr in Unterquarta sitzt, seit ihm der Pelham
und das Parlament zu Kopf gestiegen, vergessen, daß die Gradation nicht
auf alle Begriffe anzuwenden ist. Dieses Vergessen läßt ihn behaupten, daß
Fürst Bismarck, wenn schon ein großer Mann, ein „untergeordneter" großer
Mann sei. Da möchte man, wie Karlchen Mießnik in seinem Pamphlet
thut, in vollem Ernst die heilige Henriette anrufen. Aber wir wollen uns
den Spaß nicht verkürzen. Karlchen tritt den Beweis an, daß Fürst Bismarck
kein vollendet großer Mann sei; denn derselbe wendet sich an den Staats¬
anwalt gegen Beleidigungen, hat Anfälle von despotischer Laune, die kein
»vollendet großer "Mann hat, nous. Alexander, Caesar, FriedrichII., Napoleon I.
u. s. w., aber Karlchen wird uns sagen, daß das alles keine „vollendet große"
Männer waren. Also Karlchen zeige uns Deinen „vollendet großen" Mann!
Halt, wir sehen ihn schon. Ehe Karlchen den Pelham gelesen, hat er seine
Phantasie an wer weiß welchem vergilbten, vergriffnen Exemplar eines Cramer
oder Spieß genährt. Da erscheint der „vollendet große" Mann ungeheuer
wild, aber ungeheuer edel. Wenn so ein vollendeter Mann unter die Wichte
fährt, kann er gelegentlich einen, wie Hercules einst den Lichas, an den Mond
schleudern; wenn der Wicht aber mit ungebrochenen Gliedern wieder herunter
kommt, dann wäscht der vollendet große Mann den Wicht mit Franzbrannt¬
wein, in welchem sie beide dann — denn der Große wie der Kleine sind gute
Seelen — Brüderschaft trinken. Ja Karlchen Du hast recht, diesen Typus


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[0199] Daß die Partei dies nicht that, liegt an ihrem Mangel an „höherem Gen- tlemanthum", ein Wort, das offenbar nach der Analogie von höherem Blöd¬ sinn gebildet ist. Wir Andern, wenn wir schon die Ziererei mit englischen Worten hinnehmen, sind wenigstens der Meinung, daß Einer entweder nur Gentlemann ist, oder nicht. Wir halten dafür, daß dieser einer von den Be¬ griffen ist, die keine Grade gestatten. Nicht so Karlchen Mießnik, das überall den höchsten Grad für sich behalten muß, und das ist nun eben Karl- chen's Schmerz, der es zur Wuth treibt, daß der Kanzler so ganz ohne Ver¬ dienst und Würdigkeit Karlchen den höchsten Grad entzieht. Nach Carlchen giebt es in Deutschland keinen entbehrlicheren Mann, als den Fürsten Bis- Marck. Man lese auf Seite 39 die Worte, welche Carlchen durch gesperrten Satz hervorheben läßt, was wir nicht thun, da sie durch sich selbst hinläng¬ lich leuchten: „Nach dem freiwilligen oder unfreiwilligen Rücktritte des Kanz¬ lers wird das deutsche Reich auch nicht um eine einzige Stufe von dem Platze herabsteigen, den es sich durch eigne Kraft unter den Völkern erworben hat." Wie kommt es nur, daß dieser entbehrliche Mann so lange seinen Platz be¬ haupten kann? Das kommt, so belehrt uns Carlchen, von dem Irrthum, den Fürsten Bismarck für einen großen Mann zu halten. Zwar so halb und halb ist er das. Hier greift Karlchen wieder einmal zu dem Mittel der Gra¬ dation. Er hat, seit er nicht mehr in Unterquarta sitzt, seit ihm der Pelham und das Parlament zu Kopf gestiegen, vergessen, daß die Gradation nicht auf alle Begriffe anzuwenden ist. Dieses Vergessen läßt ihn behaupten, daß Fürst Bismarck, wenn schon ein großer Mann, ein „untergeordneter" großer Mann sei. Da möchte man, wie Karlchen Mießnik in seinem Pamphlet thut, in vollem Ernst die heilige Henriette anrufen. Aber wir wollen uns den Spaß nicht verkürzen. Karlchen tritt den Beweis an, daß Fürst Bismarck kein vollendet großer Mann sei; denn derselbe wendet sich an den Staats¬ anwalt gegen Beleidigungen, hat Anfälle von despotischer Laune, die kein »vollendet großer "Mann hat, nous. Alexander, Caesar, FriedrichII., Napoleon I. u. s. w., aber Karlchen wird uns sagen, daß das alles keine „vollendet große" Männer waren. Also Karlchen zeige uns Deinen „vollendet großen" Mann! Halt, wir sehen ihn schon. Ehe Karlchen den Pelham gelesen, hat er seine Phantasie an wer weiß welchem vergilbten, vergriffnen Exemplar eines Cramer oder Spieß genährt. Da erscheint der „vollendet große" Mann ungeheuer wild, aber ungeheuer edel. Wenn so ein vollendeter Mann unter die Wichte fährt, kann er gelegentlich einen, wie Hercules einst den Lichas, an den Mond schleudern; wenn der Wicht aber mit ungebrochenen Gliedern wieder herunter kommt, dann wäscht der vollendet große Mann den Wicht mit Franzbrannt¬ wein, in welchem sie beide dann — denn der Große wie der Kleine sind gute Seelen — Brüderschaft trinken. Ja Karlchen Du hast recht, diesen Typus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/199>, abgerufen am 27.11.2024.