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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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entschied. Der Tanz>Gott wurde in feierlicher Procession nach der Kapelle
der Pimos getragen, wo er noch vor Kurzem, und vielleicht jetzt noch, alle
Ehrenbezeugungungen empfängt und mit heiligen Sprüngen und haarsträu¬
benden Wendungen belohnt. Es muß nur noch erwähnt werden, daß zwar
längst bei einer Untersuchung die Spiralen in der Puppe, sowie der
ganze Mechanismus überhaupt entdeckt wurden, diese Entdeckung aber keines¬
wegs die Verehrung für die Puppe verminderte. Es war Alles --
"Medicin"! -- Eine große Medicin; die erste Wirkung war Alles -- die
,
R. Bl. Mittel zur Anwendung derselben aber waren Nichts! --




Von Friedrich Lampert. 1.

Es ist nicht unwahr oder übertrieben, wenn man sagt: holländische
Städte sind nur einmal da in der Welt. Ihre Eigenart hat keinen Vergleich,
und wenn diese nur in dem "Geschniegelten und Gebügelten" besteht, das
schon die Außenseite der Häuser an sich trägt. Wie merkwürdig sehen dann
diese noch außerdem sich an! Die schmale Vorderseite, die mit der oft sechs
Stockwerke betragenden Höhe in gar keinem Verhältniß steht; der wie künstlich
angeklebte, etwas an unsere mittelalterlichen Bauten erinnernde Dachgiebel,
der schwarzroth glänzende Ziegelbau mit den weiß gekalkten Fugen, die
kolossalen, in fleckenloser Reinheit blitzenden Fallfenster mit den den etwas
neugierigen Holländerinnen unentbehrlichen "Spions" (Spiegeln), die bald
dunklen, bald grellen Farben der lakirten Thüren und Fensterrahmen, die von
der geringen Breite bedingte rasche Aufeinanderfolge der Häuser, in denen
wieder, wenigstens in den untern Stockwerken, fast kein Zwischenraum zwischen
den einzelnen Fenstern ist, so daß oft eine ganze Straße wie ein ungeheurer
Glaskasten erscheint, -- das findet sich nirgends anders so, aber so in Utrecht,
Harlem, Delft, Leyden, Amsterdam, kurz in jeder holländischen Stadt. Dazu
kommt das Ineinander von Land und Wasser, Straßen und Canälen, das
holländische Amphibienleben auch mitten in den Städten. Das könnte man
nun ähnlich auch in der Wasserstadt par exesllöllcö, in Venedig, finden.
Aber dort füllen die Canäle den ganzen breiten oder schmalen Raum
zwischen den Häusern und nur mühsam zwängt sich hier und da ein schmaler,
schlüpfriger steinerne an letztern hin: in Holland aber läuft auf beiden


entschied. Der Tanz>Gott wurde in feierlicher Procession nach der Kapelle
der Pimos getragen, wo er noch vor Kurzem, und vielleicht jetzt noch, alle
Ehrenbezeugungungen empfängt und mit heiligen Sprüngen und haarsträu¬
benden Wendungen belohnt. Es muß nur noch erwähnt werden, daß zwar
längst bei einer Untersuchung die Spiralen in der Puppe, sowie der
ganze Mechanismus überhaupt entdeckt wurden, diese Entdeckung aber keines¬
wegs die Verehrung für die Puppe verminderte. Es war Alles —
„Medicin"! — Eine große Medicin; die erste Wirkung war Alles — die
,
R. Bl. Mittel zur Anwendung derselben aber waren Nichts! —




Von Friedrich Lampert. 1.

Es ist nicht unwahr oder übertrieben, wenn man sagt: holländische
Städte sind nur einmal da in der Welt. Ihre Eigenart hat keinen Vergleich,
und wenn diese nur in dem „Geschniegelten und Gebügelten" besteht, das
schon die Außenseite der Häuser an sich trägt. Wie merkwürdig sehen dann
diese noch außerdem sich an! Die schmale Vorderseite, die mit der oft sechs
Stockwerke betragenden Höhe in gar keinem Verhältniß steht; der wie künstlich
angeklebte, etwas an unsere mittelalterlichen Bauten erinnernde Dachgiebel,
der schwarzroth glänzende Ziegelbau mit den weiß gekalkten Fugen, die
kolossalen, in fleckenloser Reinheit blitzenden Fallfenster mit den den etwas
neugierigen Holländerinnen unentbehrlichen „Spions" (Spiegeln), die bald
dunklen, bald grellen Farben der lakirten Thüren und Fensterrahmen, die von
der geringen Breite bedingte rasche Aufeinanderfolge der Häuser, in denen
wieder, wenigstens in den untern Stockwerken, fast kein Zwischenraum zwischen
den einzelnen Fenstern ist, so daß oft eine ganze Straße wie ein ungeheurer
Glaskasten erscheint, — das findet sich nirgends anders so, aber so in Utrecht,
Harlem, Delft, Leyden, Amsterdam, kurz in jeder holländischen Stadt. Dazu
kommt das Ineinander von Land und Wasser, Straßen und Canälen, das
holländische Amphibienleben auch mitten in den Städten. Das könnte man
nun ähnlich auch in der Wasserstadt par exesllöllcö, in Venedig, finden.
Aber dort füllen die Canäle den ganzen breiten oder schmalen Raum
zwischen den Häusern und nur mühsam zwängt sich hier und da ein schmaler,
schlüpfriger steinerne an letztern hin: in Holland aber läuft auf beiden


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[0191] entschied. Der Tanz>Gott wurde in feierlicher Procession nach der Kapelle der Pimos getragen, wo er noch vor Kurzem, und vielleicht jetzt noch, alle Ehrenbezeugungungen empfängt und mit heiligen Sprüngen und haarsträu¬ benden Wendungen belohnt. Es muß nur noch erwähnt werden, daß zwar längst bei einer Untersuchung die Spiralen in der Puppe, sowie der ganze Mechanismus überhaupt entdeckt wurden, diese Entdeckung aber keines¬ wegs die Verehrung für die Puppe verminderte. Es war Alles — „Medicin"! — Eine große Medicin; die erste Wirkung war Alles — die , R. Bl. Mittel zur Anwendung derselben aber waren Nichts! — Von Friedrich Lampert. 1. Es ist nicht unwahr oder übertrieben, wenn man sagt: holländische Städte sind nur einmal da in der Welt. Ihre Eigenart hat keinen Vergleich, und wenn diese nur in dem „Geschniegelten und Gebügelten" besteht, das schon die Außenseite der Häuser an sich trägt. Wie merkwürdig sehen dann diese noch außerdem sich an! Die schmale Vorderseite, die mit der oft sechs Stockwerke betragenden Höhe in gar keinem Verhältniß steht; der wie künstlich angeklebte, etwas an unsere mittelalterlichen Bauten erinnernde Dachgiebel, der schwarzroth glänzende Ziegelbau mit den weiß gekalkten Fugen, die kolossalen, in fleckenloser Reinheit blitzenden Fallfenster mit den den etwas neugierigen Holländerinnen unentbehrlichen „Spions" (Spiegeln), die bald dunklen, bald grellen Farben der lakirten Thüren und Fensterrahmen, die von der geringen Breite bedingte rasche Aufeinanderfolge der Häuser, in denen wieder, wenigstens in den untern Stockwerken, fast kein Zwischenraum zwischen den einzelnen Fenstern ist, so daß oft eine ganze Straße wie ein ungeheurer Glaskasten erscheint, — das findet sich nirgends anders so, aber so in Utrecht, Harlem, Delft, Leyden, Amsterdam, kurz in jeder holländischen Stadt. Dazu kommt das Ineinander von Land und Wasser, Straßen und Canälen, das holländische Amphibienleben auch mitten in den Städten. Das könnte man nun ähnlich auch in der Wasserstadt par exesllöllcö, in Venedig, finden. Aber dort füllen die Canäle den ganzen breiten oder schmalen Raum zwischen den Häusern und nur mühsam zwängt sich hier und da ein schmaler, schlüpfriger steinerne an letztern hin: in Holland aber läuft auf beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/191>, abgerufen am 27.11.2024.