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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Leben zu haben. Wenn er jagte und ein Büffel sich plötzlich gegen ihn wild
umwandte, dann erschien geheimnißvoll, wie aus der Erde gezaubert, eine
dunkle Gestalt, welche mit einem Pfeil das wilde Thier durchbohrte. Als
der General sich einmal leicht erkältet hatte und demzufolge das Zimmer
hüten mußte, trauerte die ganze Nation der Navajos in Sack und Asche;
sie war schon im Begriff ihre sämmtlichen Pferde zu tödten, als Lieutenant
Brown durch einen seiner treffenden Rathschläge dieses schreckliche Sühnopfer
tiefer Trauer dadurch vermied, daß er versicherte, der Zorn der Gottheit sei
viel schneller besänftigt, wenn die Navajos ein oder zwei Dutzend der Thiere
dem Wächter der Gottheit lebendig zum Opfer schicken würden. Da der
indianische große Medicinmann vollkommen derselben Ansicht war, so wurde
der Rath sofort freudig befolgt.

Aber nun nahte ein Sturm. Das erste Anzeichen davon war die Mit¬
theilung der "Citrone", daß, sowie der General abreise, dieses Ereigniß das
Signal zum Beginn eines so furchtbaren Krieges gäbe, wie die Navajos ihn
noch nie geführt hätten. An der Wahrheit dieser Betheuerung konnte nicht
gezweifelt werden. Da aber das wirkliche Object der Verehrung und auch
des Friedensvertrages nicht der General selbst, sondern die "Tanzende Gott-
heit" war, so verfiel Ersterer, mit Hülfe des Lieutenant Brown bald auf
ein Auskunftsmittel, den drohenden Sturm der aufgeregten Indianer abzu¬
wenden.

In der Nähe des Forts lebte eine kleine Abtheilung vom Stamme der
Pimos. Diese Indianer, wie auch die Pueblos zeigen noch heute manche
Spuren ihrer alten mexikanischen Abkunft und beweisen dieselbe durch eine
eigenthümliche Halb - Civilisation. Ihre Häuser und Dörfer sind von einer
besseren Construction als es sonst bei Indianern getroffen wird, und sie zeich¬
nen sich aus durch ihre Weberei und Töpferei. Ein katholischer Priester hatte
einst sich unter diesen Pimos eingefunden und dieselben mit Leichtigkeit dazu
bewogen, Christen zu werden und eine Kapelle zu erbauen. Der Geistliche
War bald darauf in einem Kriege gefallen, die Pimos aber hielten noch fest
an der Capelle und an den Erinnerungen, welche sie von ihrer "Religion"
behalten hatten. Diese Religion war mit der Zeit ein eigenthümlicher Glaube
geworden; der Hauptglaubenssatz war, daß solange die Kapelle stehe, ihre
Ernten reichlich ausfallen würden, und daß der Erfolg der großen Büffel¬
jagden davon abhänge, daß ein Priester in der Kapelle angestellt sei, um für
deren Gelingen zu wirken. Die Gebräuche waren eine Verschmelzung des
alten sonnanbetenden blutigen mexikanischen Cultus und des Ritus der
katholisch-christlichen Religion, sie waren gerade dazu angethan, den gelehrtesten
Ethnologen zu verwirren, aber auch zu entzücken. Der damalige Inhaber
des hohen Priesteramtes dieser Kapelle war halb Indianer, halb Mexikaner,


Grenzboten II. 187K. 24

Leben zu haben. Wenn er jagte und ein Büffel sich plötzlich gegen ihn wild
umwandte, dann erschien geheimnißvoll, wie aus der Erde gezaubert, eine
dunkle Gestalt, welche mit einem Pfeil das wilde Thier durchbohrte. Als
der General sich einmal leicht erkältet hatte und demzufolge das Zimmer
hüten mußte, trauerte die ganze Nation der Navajos in Sack und Asche;
sie war schon im Begriff ihre sämmtlichen Pferde zu tödten, als Lieutenant
Brown durch einen seiner treffenden Rathschläge dieses schreckliche Sühnopfer
tiefer Trauer dadurch vermied, daß er versicherte, der Zorn der Gottheit sei
viel schneller besänftigt, wenn die Navajos ein oder zwei Dutzend der Thiere
dem Wächter der Gottheit lebendig zum Opfer schicken würden. Da der
indianische große Medicinmann vollkommen derselben Ansicht war, so wurde
der Rath sofort freudig befolgt.

Aber nun nahte ein Sturm. Das erste Anzeichen davon war die Mit¬
theilung der „Citrone", daß, sowie der General abreise, dieses Ereigniß das
Signal zum Beginn eines so furchtbaren Krieges gäbe, wie die Navajos ihn
noch nie geführt hätten. An der Wahrheit dieser Betheuerung konnte nicht
gezweifelt werden. Da aber das wirkliche Object der Verehrung und auch
des Friedensvertrages nicht der General selbst, sondern die „Tanzende Gott-
heit" war, so verfiel Ersterer, mit Hülfe des Lieutenant Brown bald auf
ein Auskunftsmittel, den drohenden Sturm der aufgeregten Indianer abzu¬
wenden.

In der Nähe des Forts lebte eine kleine Abtheilung vom Stamme der
Pimos. Diese Indianer, wie auch die Pueblos zeigen noch heute manche
Spuren ihrer alten mexikanischen Abkunft und beweisen dieselbe durch eine
eigenthümliche Halb - Civilisation. Ihre Häuser und Dörfer sind von einer
besseren Construction als es sonst bei Indianern getroffen wird, und sie zeich¬
nen sich aus durch ihre Weberei und Töpferei. Ein katholischer Priester hatte
einst sich unter diesen Pimos eingefunden und dieselben mit Leichtigkeit dazu
bewogen, Christen zu werden und eine Kapelle zu erbauen. Der Geistliche
War bald darauf in einem Kriege gefallen, die Pimos aber hielten noch fest
an der Capelle und an den Erinnerungen, welche sie von ihrer „Religion"
behalten hatten. Diese Religion war mit der Zeit ein eigenthümlicher Glaube
geworden; der Hauptglaubenssatz war, daß solange die Kapelle stehe, ihre
Ernten reichlich ausfallen würden, und daß der Erfolg der großen Büffel¬
jagden davon abhänge, daß ein Priester in der Kapelle angestellt sei, um für
deren Gelingen zu wirken. Die Gebräuche waren eine Verschmelzung des
alten sonnanbetenden blutigen mexikanischen Cultus und des Ritus der
katholisch-christlichen Religion, sie waren gerade dazu angethan, den gelehrtesten
Ethnologen zu verwirren, aber auch zu entzücken. Der damalige Inhaber
des hohen Priesteramtes dieser Kapelle war halb Indianer, halb Mexikaner,


Grenzboten II. 187K. 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/189>, abgerufen am 27.11.2024.