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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sage Euch, Brown: dahinter steckt ein tiefes Geheimniß, und wir müssen das
Orakel mit Vorsicht arbeiten lassen. Sagt ihnen, daß sie drei Tage auf eine
Antwort warten müßten, behandelt sie gut, gebt ihnen genug zu essen, und
zeigt ihnen unterdessen einige von Euren Kunststücken."

Am dritten Tage, waren die Häuptlinge der Navajos überzeugt, daß der
Lieutenant ein großer Medieinmann sei, und Niemand war wärmer in seinem
Lob als der große Medieinmann der Wilden selbst. Zwischen diesen beiden
Künstlern stellte sich rasch die feine Fühlung von Kunstgenossen her; Keiner
verrieth den Andern, so daß die Deputation, zwischen dem künstlerischen
Zauber-Doppelkreuzfeuer der Beiden, in kurzer Zeit in einen Zustand blinder
Gläubigkeit und Bewunderung versetzt wurde. Aber als die Aufführungen sich
zu dem Stückchen auf dem Seile verstiegen, das durchschossen worden, als die
Zauberei sich bis zum Selbstköpfen, zur Sphinx und endlich einer sehr guten
I^torva, magiea aufschwangen, da konnte nichts die hervorgerufenen Ein¬
drücke beschreiben. Als die drei Tage verstrichen waren, wurde der Deputation
mitgetheilt, daß die Gottheit sich hatte sprechen lassen, daß die Abgesandten
aber noch weitere zehn Tage warten müßten, bevor sie sich ihnen zeigen wolle.
Sie sei zornig über ihre rothen Kinder, weil sie Krieg führten! Am zehnten
Tage endlich wurde die Deputation mit Feierlichkeit und großen Ehren
empfangen. Das verdunkelte Zimmer war mit Blumen reich geschmückt,
Räucherkerzen verbreiteten einen wohlthuenden Geruch; Alles war von Lieute¬
nant Brown in solcher Weise arrangirt worden, um aufs Tiefste auf die
Söhne der Wildniß einzuwirken. Wie der Tanz-Gott endlich erschien, und
seine Evolutionen ausführte, geschah es einem so eifrigen, ehrfurchtsvollen
Auditorium gegenüber, wie nie eine Prima Donna sich dessen zu er¬
freuen hatte.

Der Friede wurde sofort geschlossen, aber unter einer Bedingung, daß
nämlich General Sharpeye sich verpflichtete, Zeit seines Lebens im Lande der
Navajos zu bleiben und mit der größten Sorgfalt die tanzende Gottheit zu
behüten. Diese Bedingung wurde bereitwillig angenommen, und Jahre lang
beiderseits treulich gehalten. Es war und blieb Friede im Land.

Nach einigen Jahren aber sehnte sich der General doch danach, einmal
die Seinen in der fernen Heimath wiederzusehen, und erbat und erhielt zu
diesem Zwecke einen sechsmonatlichen Urlaub. Er hoffte, still entwischen und
wieder zurückkehren zu können, ohne daß die Navajos seine Abwesenheit nur
merken würden. Aber in dieser Hoffnung hatte er sich sehr geirrt. Der
General hatte keine Ahnung, wie eifersüchtig das Heiligthum der Navajos
bei Tag und Nacht bewacht wurde, wie Alles, was nur irgend wie mit dem¬
selben in Beziehung stand, sofort dem großen Rathe der "Nation" gemeldet
wurde. Der General schien vom Tage des Friedensschlusses an ein geweihtes


sage Euch, Brown: dahinter steckt ein tiefes Geheimniß, und wir müssen das
Orakel mit Vorsicht arbeiten lassen. Sagt ihnen, daß sie drei Tage auf eine
Antwort warten müßten, behandelt sie gut, gebt ihnen genug zu essen, und
zeigt ihnen unterdessen einige von Euren Kunststücken."

Am dritten Tage, waren die Häuptlinge der Navajos überzeugt, daß der
Lieutenant ein großer Medieinmann sei, und Niemand war wärmer in seinem
Lob als der große Medieinmann der Wilden selbst. Zwischen diesen beiden
Künstlern stellte sich rasch die feine Fühlung von Kunstgenossen her; Keiner
verrieth den Andern, so daß die Deputation, zwischen dem künstlerischen
Zauber-Doppelkreuzfeuer der Beiden, in kurzer Zeit in einen Zustand blinder
Gläubigkeit und Bewunderung versetzt wurde. Aber als die Aufführungen sich
zu dem Stückchen auf dem Seile verstiegen, das durchschossen worden, als die
Zauberei sich bis zum Selbstköpfen, zur Sphinx und endlich einer sehr guten
I^torva, magiea aufschwangen, da konnte nichts die hervorgerufenen Ein¬
drücke beschreiben. Als die drei Tage verstrichen waren, wurde der Deputation
mitgetheilt, daß die Gottheit sich hatte sprechen lassen, daß die Abgesandten
aber noch weitere zehn Tage warten müßten, bevor sie sich ihnen zeigen wolle.
Sie sei zornig über ihre rothen Kinder, weil sie Krieg führten! Am zehnten
Tage endlich wurde die Deputation mit Feierlichkeit und großen Ehren
empfangen. Das verdunkelte Zimmer war mit Blumen reich geschmückt,
Räucherkerzen verbreiteten einen wohlthuenden Geruch; Alles war von Lieute¬
nant Brown in solcher Weise arrangirt worden, um aufs Tiefste auf die
Söhne der Wildniß einzuwirken. Wie der Tanz-Gott endlich erschien, und
seine Evolutionen ausführte, geschah es einem so eifrigen, ehrfurchtsvollen
Auditorium gegenüber, wie nie eine Prima Donna sich dessen zu er¬
freuen hatte.

Der Friede wurde sofort geschlossen, aber unter einer Bedingung, daß
nämlich General Sharpeye sich verpflichtete, Zeit seines Lebens im Lande der
Navajos zu bleiben und mit der größten Sorgfalt die tanzende Gottheit zu
behüten. Diese Bedingung wurde bereitwillig angenommen, und Jahre lang
beiderseits treulich gehalten. Es war und blieb Friede im Land.

Nach einigen Jahren aber sehnte sich der General doch danach, einmal
die Seinen in der fernen Heimath wiederzusehen, und erbat und erhielt zu
diesem Zwecke einen sechsmonatlichen Urlaub. Er hoffte, still entwischen und
wieder zurückkehren zu können, ohne daß die Navajos seine Abwesenheit nur
merken würden. Aber in dieser Hoffnung hatte er sich sehr geirrt. Der
General hatte keine Ahnung, wie eifersüchtig das Heiligthum der Navajos
bei Tag und Nacht bewacht wurde, wie Alles, was nur irgend wie mit dem¬
selben in Beziehung stand, sofort dem großen Rathe der „Nation" gemeldet
wurde. Der General schien vom Tage des Friedensschlusses an ein geweihtes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/188>, abgerufen am 27.07.2024.