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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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des feigen Ausreißers. Man meinte, er habe die ganze.Geschichte nur schlau
Pfunden, um sie der vorhandenen Legende der hohen Gottheit anzupassen.
Die "Tanzende Eule" war in den Augen der Majorität dieser Tapfern durch
Feinde bestochen, um die Geschichte seinen Leuten aufzubinden. Die Be¬
weise für diese Annahme waren das Pferd, die wollene Decke, die Geschenke
und das nichts weniger als hungrige Aussehen des Erfinders der Lüge.
"Denn," so sprach ein großer Häuptling, "warum sollten die Langmesser
ihm alle diese Reichthümer geschenkt haben, wenn nicht für eine Dienstleistung?
Warum hatten sie ihn, den Feind, nicht sofort am Marterpfahl verbrannt?
Und wenn noch mehr verlangt würde seine Schuld zu beweisen, so solle man
steh doch nur der infamen Lügen über einen Sack, Eier, Fleisch, Brod, Boh¬
ren u. s. w. erinnern, Alles ja zu verächtliche Aufschneidereien, um nur einen
Augenblick beachtet werden zu dürfen!" Es sah sehr schlimm aus für die
"Tanzende Eule" ! Da wurde die Fluth der Entrüstung aber plötzlich abge¬
lenkt durch das Eingreifen seines alten Lehrers, des Medieinmannes des
Dammes. Er, der bei weitem schlaueste unter den Versammelten, vermuthete,
die "Eule" wahrgesprochen hatte. Die Entdeckung dieses Umstandes
Zollte er aber ausbeuten, um seinen eignen Ruhm zu verherrlichen. Er allein
glaubte an alle die erzählten Kunststücke, denn er hatte eine Anzahl ähnlicher
Aufführungen auf seinem eignen Repertoire. Nur die Erzählung von der
Vorführung der tanzenden Gottheit erfüllte ihn mit äußerster, professioneller
Bewunderung. Er äußerte daher die Ansicht, daß es zweckentsprechend
^in möchte, vor Abschlachtung der "Tanzenden Eule" eine Deputation zu
Langmessern zu senden, damit diese sich vom Sein oder Nichtsein
der tanzenden Gottheit überzeuge. Wenn diese Abgesandten die Gottheit
in Gesicht bekommen sollten, wäre der Gefangene natürlich in Freiheit
in setzen und ein großer Krieger dem Stamm erhalten, war das aber nicht
der Fall, so hätte man ja noch vollauf Zeit, nach der Rückkehr der Deputation
den Uebelthäter hinzurichten. Er schloß, indem er sich selbst als den Führer
d^ser gefahrvollen und wichtigen Expedition freiwillig zur Verfügung stellte.
Das Gerechte und Weise dieses Vorschlags wurde denn auch fast einstimmig
verkannt, und zwei Tage später erhielt General Sharpeye die angenehme Mei-
^ug, daß die Häuptlinge der Navajo's eine Unterredung mit ihm wünschten,
^le Unterredung wurde gewährt. Der General war erstaunt, wie sehr die
bilden sich bemüht hatten, ihrerseits den Verhandlungen einen großartigen
"ud feierlichen Charakter zu geben. Nachdem die große Berathung eine Zeit
^ug gedauert, kam es ans Licht, daß die Indianer nicht gekommen waren,
^ Frieden zu erbitten, sondern um den Tanz-Gott sehen zu können.

"Das ist es, -- so, so", sagte der General zu Lieutenant Brown; "ich
habe mir's gleich gedacht, als ich die Augen dieser "Citrone" blitzen sah. Ich


des feigen Ausreißers. Man meinte, er habe die ganze.Geschichte nur schlau
Pfunden, um sie der vorhandenen Legende der hohen Gottheit anzupassen.
Die „Tanzende Eule" war in den Augen der Majorität dieser Tapfern durch
Feinde bestochen, um die Geschichte seinen Leuten aufzubinden. Die Be¬
weise für diese Annahme waren das Pferd, die wollene Decke, die Geschenke
und das nichts weniger als hungrige Aussehen des Erfinders der Lüge.
„Denn," so sprach ein großer Häuptling, „warum sollten die Langmesser
ihm alle diese Reichthümer geschenkt haben, wenn nicht für eine Dienstleistung?
Warum hatten sie ihn, den Feind, nicht sofort am Marterpfahl verbrannt?
Und wenn noch mehr verlangt würde seine Schuld zu beweisen, so solle man
steh doch nur der infamen Lügen über einen Sack, Eier, Fleisch, Brod, Boh¬
ren u. s. w. erinnern, Alles ja zu verächtliche Aufschneidereien, um nur einen
Augenblick beachtet werden zu dürfen!" Es sah sehr schlimm aus für die
»Tanzende Eule" ! Da wurde die Fluth der Entrüstung aber plötzlich abge¬
lenkt durch das Eingreifen seines alten Lehrers, des Medieinmannes des
Dammes. Er, der bei weitem schlaueste unter den Versammelten, vermuthete,
die „Eule" wahrgesprochen hatte. Die Entdeckung dieses Umstandes
Zollte er aber ausbeuten, um seinen eignen Ruhm zu verherrlichen. Er allein
glaubte an alle die erzählten Kunststücke, denn er hatte eine Anzahl ähnlicher
Aufführungen auf seinem eignen Repertoire. Nur die Erzählung von der
Vorführung der tanzenden Gottheit erfüllte ihn mit äußerster, professioneller
Bewunderung. Er äußerte daher die Ansicht, daß es zweckentsprechend
^in möchte, vor Abschlachtung der „Tanzenden Eule" eine Deputation zu
Langmessern zu senden, damit diese sich vom Sein oder Nichtsein
der tanzenden Gottheit überzeuge. Wenn diese Abgesandten die Gottheit
in Gesicht bekommen sollten, wäre der Gefangene natürlich in Freiheit
in setzen und ein großer Krieger dem Stamm erhalten, war das aber nicht
der Fall, so hätte man ja noch vollauf Zeit, nach der Rückkehr der Deputation
den Uebelthäter hinzurichten. Er schloß, indem er sich selbst als den Führer
d^ser gefahrvollen und wichtigen Expedition freiwillig zur Verfügung stellte.
Das Gerechte und Weise dieses Vorschlags wurde denn auch fast einstimmig
verkannt, und zwei Tage später erhielt General Sharpeye die angenehme Mei-
^ug, daß die Häuptlinge der Navajo's eine Unterredung mit ihm wünschten,
^le Unterredung wurde gewährt. Der General war erstaunt, wie sehr die
bilden sich bemüht hatten, ihrerseits den Verhandlungen einen großartigen
"ud feierlichen Charakter zu geben. Nachdem die große Berathung eine Zeit
^ug gedauert, kam es ans Licht, daß die Indianer nicht gekommen waren,
^ Frieden zu erbitten, sondern um den Tanz-Gott sehen zu können.

„Das ist es, — so, so", sagte der General zu Lieutenant Brown; „ich
habe mir's gleich gedacht, als ich die Augen dieser „Citrone" blitzen sah. Ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/187>, abgerufen am 27.07.2024.