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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Es wäre nämlich denkbar, daß ich
nur die Absicht gehabt hätte, einmal zu zeigen, wie leicht zufrieden gestellt ge¬
wisse Gelehrte auf diesen Gebieten find*), wie sie mit Siebenmeilenstiefeln
denken, und wie rasch vor ihrer Phantasie aus einer entfernten Möglichkeit
eine feststehende Thatsache wird.

Der Leser möge errathen, was dem Verfasser Zweck, ob er ein Schalk
M. Busch. oder -- eben auch nur ein Schnelldenker war.




Die Aavajos und der Tanz-Hott.

Der "Temple Bar" entnehmen wir folgende interessante Anekdote, deren
Wahrheit von dem Erzähler Charles G. Leland so bestimmt verbürgt wird
daß wir ihm getrost die Verantwortlichkeit dafür überlassen können.

Wenige Jahre vor dem großen Bürgerkrieg der Vereinigten Staaten war
ein Krieg zwischen diesen und den Marajo's oder Messer-Indianern, zu denen
auch die Navajo's gehören, fast unvermeidlich. Während die betrügerischen
Agenten der Regierung Alles aufboten, den Krieg heraufzubeschwören, da
derselbe ihnen die gewünschte Gelegenheit bringen sollte, möglichst viel im
Trüben zu fischen, bestrebte sich der Anführer der Truppen, der alte brave
General Sharpeye, seinem Volk und Land das Elend eines Jndianerkrieges
zu ersparen. Es gelang ihm dieses auch, nachdem die Feindseligkeiten schon
begonnen hatten, und das hauptsächlichste Friedensmotiv für die Indianer
bildete das nachstehende Ereigniß.

Eines Tages fing eine Streifpatrouille einen jungen Navajoskrieger
ein. Derselbe hatte der Patrouille zuerst eine aufregende Jagd, dann einen
hartnäckigen Kampf geboten, sie konnte den Muth des jungen Wilden nicht
genug loben. Als der General sich den Gefangenen vorführen ließ, gewahrte
er sofort, daß der junge Indianer noch nie mit Weißen verkehrt hatte, daß
er also dem wildesten Stamme der Feinde angehört, und daß derselbe er¬
wartete, sogleich gemartert und geröstet zu werden, um seinen Vorfahren auf
würdige Weise in die glücklichen Jagdgründe zu folgen. In diesen Erwar¬
tungen wurde der Gefangene getäuscht; denn der General befahl, ihn einzu¬
sperren, streng zu bewachen, aber sonst mit der größten Freundlichkeit zu be¬
handeln. Die specielle Ausführung dieses Befehls wurde dem Lieut. Brown
übertragen, welcher ganz besonders die Fähigkeit besaß, sich in das Herz eines



') Leider auch aus andern, z. B. auf dem der Assyriologie, wo auch in Deutschland Leute
sich auf Kathedern mit angeblich sicheren geschichtlichen Wahrheiten bewundern lassen, die näher
besehen nichts als fpottschlecht begründete Hypothesen sind.

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Es wäre nämlich denkbar, daß ich
nur die Absicht gehabt hätte, einmal zu zeigen, wie leicht zufrieden gestellt ge¬
wisse Gelehrte auf diesen Gebieten find*), wie sie mit Siebenmeilenstiefeln
denken, und wie rasch vor ihrer Phantasie aus einer entfernten Möglichkeit
eine feststehende Thatsache wird.

Der Leser möge errathen, was dem Verfasser Zweck, ob er ein Schalk
M. Busch. oder — eben auch nur ein Schnelldenker war.




Die Aavajos und der Tanz-Hott.

Der „Temple Bar" entnehmen wir folgende interessante Anekdote, deren
Wahrheit von dem Erzähler Charles G. Leland so bestimmt verbürgt wird
daß wir ihm getrost die Verantwortlichkeit dafür überlassen können.

Wenige Jahre vor dem großen Bürgerkrieg der Vereinigten Staaten war
ein Krieg zwischen diesen und den Marajo's oder Messer-Indianern, zu denen
auch die Navajo's gehören, fast unvermeidlich. Während die betrügerischen
Agenten der Regierung Alles aufboten, den Krieg heraufzubeschwören, da
derselbe ihnen die gewünschte Gelegenheit bringen sollte, möglichst viel im
Trüben zu fischen, bestrebte sich der Anführer der Truppen, der alte brave
General Sharpeye, seinem Volk und Land das Elend eines Jndianerkrieges
zu ersparen. Es gelang ihm dieses auch, nachdem die Feindseligkeiten schon
begonnen hatten, und das hauptsächlichste Friedensmotiv für die Indianer
bildete das nachstehende Ereigniß.

Eines Tages fing eine Streifpatrouille einen jungen Navajoskrieger
ein. Derselbe hatte der Patrouille zuerst eine aufregende Jagd, dann einen
hartnäckigen Kampf geboten, sie konnte den Muth des jungen Wilden nicht
genug loben. Als der General sich den Gefangenen vorführen ließ, gewahrte
er sofort, daß der junge Indianer noch nie mit Weißen verkehrt hatte, daß
er also dem wildesten Stamme der Feinde angehört, und daß derselbe er¬
wartete, sogleich gemartert und geröstet zu werden, um seinen Vorfahren auf
würdige Weise in die glücklichen Jagdgründe zu folgen. In diesen Erwar¬
tungen wurde der Gefangene getäuscht; denn der General befahl, ihn einzu¬
sperren, streng zu bewachen, aber sonst mit der größten Freundlichkeit zu be¬
handeln. Die specielle Ausführung dieses Befehls wurde dem Lieut. Brown
übertragen, welcher ganz besonders die Fähigkeit besaß, sich in das Herz eines



') Leider auch aus andern, z. B. auf dem der Assyriologie, wo auch in Deutschland Leute
sich auf Kathedern mit angeblich sicheren geschichtlichen Wahrheiten bewundern lassen, die näher
besehen nichts als fpottschlecht begründete Hypothesen sind.
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[0182] Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Es wäre nämlich denkbar, daß ich nur die Absicht gehabt hätte, einmal zu zeigen, wie leicht zufrieden gestellt ge¬ wisse Gelehrte auf diesen Gebieten find*), wie sie mit Siebenmeilenstiefeln denken, und wie rasch vor ihrer Phantasie aus einer entfernten Möglichkeit eine feststehende Thatsache wird. Der Leser möge errathen, was dem Verfasser Zweck, ob er ein Schalk M. Busch. oder — eben auch nur ein Schnelldenker war. Die Aavajos und der Tanz-Hott. Der „Temple Bar" entnehmen wir folgende interessante Anekdote, deren Wahrheit von dem Erzähler Charles G. Leland so bestimmt verbürgt wird daß wir ihm getrost die Verantwortlichkeit dafür überlassen können. Wenige Jahre vor dem großen Bürgerkrieg der Vereinigten Staaten war ein Krieg zwischen diesen und den Marajo's oder Messer-Indianern, zu denen auch die Navajo's gehören, fast unvermeidlich. Während die betrügerischen Agenten der Regierung Alles aufboten, den Krieg heraufzubeschwören, da derselbe ihnen die gewünschte Gelegenheit bringen sollte, möglichst viel im Trüben zu fischen, bestrebte sich der Anführer der Truppen, der alte brave General Sharpeye, seinem Volk und Land das Elend eines Jndianerkrieges zu ersparen. Es gelang ihm dieses auch, nachdem die Feindseligkeiten schon begonnen hatten, und das hauptsächlichste Friedensmotiv für die Indianer bildete das nachstehende Ereigniß. Eines Tages fing eine Streifpatrouille einen jungen Navajoskrieger ein. Derselbe hatte der Patrouille zuerst eine aufregende Jagd, dann einen hartnäckigen Kampf geboten, sie konnte den Muth des jungen Wilden nicht genug loben. Als der General sich den Gefangenen vorführen ließ, gewahrte er sofort, daß der junge Indianer noch nie mit Weißen verkehrt hatte, daß er also dem wildesten Stamme der Feinde angehört, und daß derselbe er¬ wartete, sogleich gemartert und geröstet zu werden, um seinen Vorfahren auf würdige Weise in die glücklichen Jagdgründe zu folgen. In diesen Erwar¬ tungen wurde der Gefangene getäuscht; denn der General befahl, ihn einzu¬ sperren, streng zu bewachen, aber sonst mit der größten Freundlichkeit zu be¬ handeln. Die specielle Ausführung dieses Befehls wurde dem Lieut. Brown übertragen, welcher ganz besonders die Fähigkeit besaß, sich in das Herz eines ') Leider auch aus andern, z. B. auf dem der Assyriologie, wo auch in Deutschland Leute sich auf Kathedern mit angeblich sicheren geschichtlichen Wahrheiten bewundern lassen, die näher besehen nichts als fpottschlecht begründete Hypothesen sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/182>, abgerufen am 27.11.2024.