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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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ihn zuerst beim Namen, dann tritt sie ihm entgegen im Gewölbe, heißt ihn,
ihr folgen, und als er ihr leuchten will, sagt sie ihm, kein Licht könne ihre
Nacht erleuchten; sie fragt ihn, ob er nicht zittere, und er antwortet "selbst
wenn die Geister der Hölle kämen, würde er aushalten", er sucht ihr sogar mit
dem Schwert beizukommen, aber sein Hieb prallt machtlos ab vom Steinpanzer;
sie fordert ihn auf, ihr die Hand zu geben als Pfand dafür, daß er ihre
Seele aus dem Fegefeuer erlösen wolle, er thut es, und ihr fürchterlicher Druck
entlockt ihm einen Schmerzensschrei, hierauf versinkt die Statue in die Erde
und Ottavio fällt ohnmächtig nieder. -- Wem tritt bet dieser Scene die Schlu߬
scene von "Don Juan" nicht lebendig vor die Erinnerung?

Es ändert an der Sache selber nichts, wenn die erschütternde Scene
zwischen dem steinernen Bild und dem Mörder von Tellez noch weiter ausge¬
sponnen war, als wir es später bei andern, speziell da Ponte finden. Dort
geht Don Juan vorerst beim Besuch des Steinbildes noch frei aus; er gibt
dem Comthur sogar die Hand zum Pfand, daß er Revanche geben und den
Besuch morgen Abend in der Capelle, dem Standort des Steinbildes, er¬
widern werde; und er hält wirklich Wort; er läßt sich unerschrocken bedienen
von den zwei schwarzen Pagen der Bildsäule, und erst als diese ihn aufmerk¬
sam macht, daß der Inhalt der aufgetragenen Schüssel Skorpionen und
Schlangen seien, erst als ein unsichtbarer Geistergesang von dem Strafgerichte
Gottes dem Frevler ins Ohr tönt, da erstarrt dieser vor Schrecken, da drückt
ihm die Todesfurcht noch das letzte aber ohnmächtige Mittel gegen überlegene
Gewalten, den Dolch in die Hand, und erst als dieser abprallt, bricht sein
Muth völlig zusammen, und er verlangt, wiewohl vergebens, nach einem Beichti¬
ger; "Zu spät!" er stürzt todt nieder und versinkt. Es ist möglich, daß
einzelne Züge dieser Darstellung eher den Mönch als den Dichter Tellez
zum Verfasser haben

Halten wir nun eine kleine Umschau, so finden wir den Glauben, daß
unter gewissen Umständen auch Stein- oder Metallbilder zu Lebensäußerungen
sähig sind, nicht auf Spanien, und nicht auf das Mittelalter beschränkt,
und gerade dies ist ein Fingerzeig, daß hier keine dichterische Phantasie, son¬
dern allgemeines Sagengut vorliege. Als der Magier Petro, eine durchaus
historische Person, welche zu Salerno lebte und starb (1149) und deren
Grab gezeigt wird, zerknirscht über sein bisheriges unheiliges Handwerk vor
dem Bild des Gekreuzigten kniete und dieses um Gnade anflehte, da nickte
es mit dem Haupte zum Zeichen der Gewährung (vgl. Oomxaretti VerMl.



") Ticknor in seiner "Gesch. d. span. Liter." Äußere keinen Zweifel an der Echtheit des
Stückes; dagegen findet Hartzcnbusch. daß es in Sprache und Stil von der sonstigen Art
Lope's Abweichungen biete.

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ihn zuerst beim Namen, dann tritt sie ihm entgegen im Gewölbe, heißt ihn,
ihr folgen, und als er ihr leuchten will, sagt sie ihm, kein Licht könne ihre
Nacht erleuchten; sie fragt ihn, ob er nicht zittere, und er antwortet „selbst
wenn die Geister der Hölle kämen, würde er aushalten", er sucht ihr sogar mit
dem Schwert beizukommen, aber sein Hieb prallt machtlos ab vom Steinpanzer;
sie fordert ihn auf, ihr die Hand zu geben als Pfand dafür, daß er ihre
Seele aus dem Fegefeuer erlösen wolle, er thut es, und ihr fürchterlicher Druck
entlockt ihm einen Schmerzensschrei, hierauf versinkt die Statue in die Erde
und Ottavio fällt ohnmächtig nieder. — Wem tritt bet dieser Scene die Schlu߬
scene von „Don Juan" nicht lebendig vor die Erinnerung?

Es ändert an der Sache selber nichts, wenn die erschütternde Scene
zwischen dem steinernen Bild und dem Mörder von Tellez noch weiter ausge¬
sponnen war, als wir es später bei andern, speziell da Ponte finden. Dort
geht Don Juan vorerst beim Besuch des Steinbildes noch frei aus; er gibt
dem Comthur sogar die Hand zum Pfand, daß er Revanche geben und den
Besuch morgen Abend in der Capelle, dem Standort des Steinbildes, er¬
widern werde; und er hält wirklich Wort; er läßt sich unerschrocken bedienen
von den zwei schwarzen Pagen der Bildsäule, und erst als diese ihn aufmerk¬
sam macht, daß der Inhalt der aufgetragenen Schüssel Skorpionen und
Schlangen seien, erst als ein unsichtbarer Geistergesang von dem Strafgerichte
Gottes dem Frevler ins Ohr tönt, da erstarrt dieser vor Schrecken, da drückt
ihm die Todesfurcht noch das letzte aber ohnmächtige Mittel gegen überlegene
Gewalten, den Dolch in die Hand, und erst als dieser abprallt, bricht sein
Muth völlig zusammen, und er verlangt, wiewohl vergebens, nach einem Beichti¬
ger; „Zu spät!" er stürzt todt nieder und versinkt. Es ist möglich, daß
einzelne Züge dieser Darstellung eher den Mönch als den Dichter Tellez
zum Verfasser haben

Halten wir nun eine kleine Umschau, so finden wir den Glauben, daß
unter gewissen Umständen auch Stein- oder Metallbilder zu Lebensäußerungen
sähig sind, nicht auf Spanien, und nicht auf das Mittelalter beschränkt,
und gerade dies ist ein Fingerzeig, daß hier keine dichterische Phantasie, son¬
dern allgemeines Sagengut vorliege. Als der Magier Petro, eine durchaus
historische Person, welche zu Salerno lebte und starb (1149) und deren
Grab gezeigt wird, zerknirscht über sein bisheriges unheiliges Handwerk vor
dem Bild des Gekreuzigten kniete und dieses um Gnade anflehte, da nickte
es mit dem Haupte zum Zeichen der Gewährung (vgl. Oomxaretti VerMl.



") Ticknor in seiner „Gesch. d. span. Liter." Äußere keinen Zweifel an der Echtheit des
Stückes; dagegen findet Hartzcnbusch. daß es in Sprache und Stil von der sonstigen Art
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/135>, abgerufen am 27.11.2024.