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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Träger dieser Idee schon in der Geschichte alle die Züge an sich getragen
habe, darf mit Fug bezweifelt werden; es wird ihm ähnlich gegangen sein,
wie seinem germanischen Gegenbilde dem Faust; und wenn dieser, ursprünglich
doch ohne Zweifel eine geschichtliche Person, von der Sage in ihren Bereich
gezogen und in ihrer stillen Werkstätte neu geformt werden konnte, warum sollte
das mit dem älteren Don Juan im romantischen, im abergläubischen Spanien
nicht möglich gewesen sein? Es könnten zwischen beiden leicht noch andere, auf
den Kern beider bezügliche Parallelen gezogen werden, (vgl. darüber Rosen¬
kranz "zur Gesch. d. deutsch. Lid." Königsb. 1836, S. 147 fg.) Don Juan
ist als "der katholische". Faust als der "protestantische" Sünder bezeichnet
worden. Wie Faust von zwei Figuren umgeben ist, in welchen die Contraste
seines Charakters zur Erscheinung kommen, Wagner und Mephistopheles, so
spiegelt sich das Gegenbild des Don Juan in Leporello einerseits und dem
steinernen Gaste anderseits. Allerdings ist Leporello "der Hasenfuß" zunächst
dieselbe Beigabe, wie in Deutschland der Hanswurst, anderwärts der Clown, oder
Sganarelle oder Pulcinello, Arlecchino, oder wie sonst jene im früheren Drama
stereotype, beinah nothwendige Figur heißen mag -- aber auch der Famulus
Wagner ist ja eigentlich ein Sprößling jener Sippe, die sich nach und nach der
fortschreitenden Veredlung des Geschmackes anbequemt hat. Leporello hat sogar
noch unter da Ponte's Händen an Anstand und Werth etwas gewonnen.
Bei Gabriel Tellez erscheint er unter dem Namen Catalinon -- ich weiß ihn
zwar nicht zu deuten, aber gewiß ist er nicht ohne Beziehung auf das Wesen
und den Charakter seines Trägers erdacht. Soll etwa darin eine Anspielung
auf den "Catalonier" liegen und genossen diese Landsleute bei den übrigen
Spaniern desselben Rufes wie etwa in Frankreich die Gascogner und in Deutsch¬
land die guten Schwaben? In wiefern aber der "Hasenfuß" einen Contrast
zu dem trotzigen Frevelmuth seines Herrn, liegt auf der Hand. Und nun der
steinerne Gast. Ich habe oben schon erwähnt, daß schon Lopez de Vega wan¬
delnde und handelnde Steinbilder vorführt, und zwar in einer Weise, die
allzulebhaft an die Don Juansage erinnert, als daß die Aehnlichkeit eine
zufällige sein könnte. In dem Drama "Ziuci-OL son caua^ä" l"Geld macht
den Mann") legt nicht bloß der Held -- Ottavio -- der im übrigen ein
ganz anderer Charakter ist als Don Juan, gleiche Unerschütterlichkeit und
gleichen Witz bei den furchtbarsten Heimsuchungen der unsichtbaren Welt oft
sogar mit denselben Worten und Thaten wie Don Juan, an den Tag,
sondern der Vertreter jener Welt ist gerade wie dort, eine sprechende und
handelnde Bildsäule, und zwar die eines Ermordeten, (s. Lope de Vega's
Werke im XXIV. Band, Sarogossa 1632 in 4 oder in der Lidliot. 6. ant.
esMgn. vol. 41 eomecl. oKeog. 6" voye l"'el. ac Vega vor von ^nan Lux.


Träger dieser Idee schon in der Geschichte alle die Züge an sich getragen
habe, darf mit Fug bezweifelt werden; es wird ihm ähnlich gegangen sein,
wie seinem germanischen Gegenbilde dem Faust; und wenn dieser, ursprünglich
doch ohne Zweifel eine geschichtliche Person, von der Sage in ihren Bereich
gezogen und in ihrer stillen Werkstätte neu geformt werden konnte, warum sollte
das mit dem älteren Don Juan im romantischen, im abergläubischen Spanien
nicht möglich gewesen sein? Es könnten zwischen beiden leicht noch andere, auf
den Kern beider bezügliche Parallelen gezogen werden, (vgl. darüber Rosen¬
kranz „zur Gesch. d. deutsch. Lid." Königsb. 1836, S. 147 fg.) Don Juan
ist als „der katholische". Faust als der „protestantische" Sünder bezeichnet
worden. Wie Faust von zwei Figuren umgeben ist, in welchen die Contraste
seines Charakters zur Erscheinung kommen, Wagner und Mephistopheles, so
spiegelt sich das Gegenbild des Don Juan in Leporello einerseits und dem
steinernen Gaste anderseits. Allerdings ist Leporello „der Hasenfuß" zunächst
dieselbe Beigabe, wie in Deutschland der Hanswurst, anderwärts der Clown, oder
Sganarelle oder Pulcinello, Arlecchino, oder wie sonst jene im früheren Drama
stereotype, beinah nothwendige Figur heißen mag — aber auch der Famulus
Wagner ist ja eigentlich ein Sprößling jener Sippe, die sich nach und nach der
fortschreitenden Veredlung des Geschmackes anbequemt hat. Leporello hat sogar
noch unter da Ponte's Händen an Anstand und Werth etwas gewonnen.
Bei Gabriel Tellez erscheint er unter dem Namen Catalinon — ich weiß ihn
zwar nicht zu deuten, aber gewiß ist er nicht ohne Beziehung auf das Wesen
und den Charakter seines Trägers erdacht. Soll etwa darin eine Anspielung
auf den „Catalonier" liegen und genossen diese Landsleute bei den übrigen
Spaniern desselben Rufes wie etwa in Frankreich die Gascogner und in Deutsch¬
land die guten Schwaben? In wiefern aber der „Hasenfuß" einen Contrast
zu dem trotzigen Frevelmuth seines Herrn, liegt auf der Hand. Und nun der
steinerne Gast. Ich habe oben schon erwähnt, daß schon Lopez de Vega wan¬
delnde und handelnde Steinbilder vorführt, und zwar in einer Weise, die
allzulebhaft an die Don Juansage erinnert, als daß die Aehnlichkeit eine
zufällige sein könnte. In dem Drama «Ziuci-OL son caua^ä" l„Geld macht
den Mann") legt nicht bloß der Held — Ottavio — der im übrigen ein
ganz anderer Charakter ist als Don Juan, gleiche Unerschütterlichkeit und
gleichen Witz bei den furchtbarsten Heimsuchungen der unsichtbaren Welt oft
sogar mit denselben Worten und Thaten wie Don Juan, an den Tag,
sondern der Vertreter jener Welt ist gerade wie dort, eine sprechende und
handelnde Bildsäule, und zwar die eines Ermordeten, (s. Lope de Vega's
Werke im XXIV. Band, Sarogossa 1632 in 4 oder in der Lidliot. 6. ant.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/134>, abgerufen am 27.07.2024.