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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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späteren Königs Pedro, des Grausamen, auch verwandt mit des Königs
Buhlerin, Maria Padilla; der König ernannte ihn später zum Ritter der
Banda; man weiß sogar, in welchen Capitalsitz er aufgenommen wurde.
Er war auch Oberkellermeister (rexostkrv) des Königs und dessen treuer Genosse
bei allen Abenteuern und Ausschweifungen, den Bewohnern von Sevilla ein
Schrecken und das Muster aller Frevler (vgl. ?ÄVM tlisater ok Kononr ana
LlliZIMovä. I^onäou 1623. -- Lastil-LlA^ö, Roller" mnsioien I, 221 se^.
und 276 nach ?u^husyu6, Kife. coup. ach litt^r. sLMgn. <ze traritz.). Mit
seinem vollen Namen hieß er Don Juan Jufre Tenorio. Ein älterer Bruder,
Alfonso Jufre Tonorio war aus gekränkten Ehrgeiz (s. ?rosy. N6rim<ze, niht.
<1ö von ?öclrs. ?ar. 1843 x. 169) zu dem rebellischen Halbbruder des Königs
übergetreten, aber Pedro's Rache ereilte ihn und er wurde hingerichtet.

In Tirso's Drama erscheint der König Alfonso von Castilien, der Vor¬
gänger Pedro's, der unsern Don Juan (auch hier schon mit dem richtigen
Namen Tenorio genannt) mit der Tochter des Comthurs Don Ganzalo de
Ulloa vermählen will. Don Juan's Vater ferner hieß Don Diego Tenorio,
sein Oheim Don Pedro Tenorio und ist castilischer Gesandter am Hof des
Königs von Neapel. Hier stimmt wenigstens in den Hauptpunkten, was
Familie und Familienglanz betrifft, die Dichtung mit der Geschichte überein,
und wenn nun wirklich, wie die Forschung erwiesen hat oder vielmehr er¬
wiesen haben soll (denn leider habe ich die literarischen Beweismittel behufs
der Controle nicht vollständig zur Verfügung), Don Juan in jenes oben
angedeutete nähere Verhältniß zu Don Pedro trat, so darf uns sein Gebahren
nicht mehr wundern. Wer der gehorsame Diener und Bertraute jenes blut¬
lechzenden Wüstlings war, den die Geschichte mit dem Namen deL "Grausamen"
brandmarkt, dem war fein sittliches Verhalten mit Fraeturschrift vorgezeichnet
(s. auch Klein "Gesch. d. Dramas" VIII. S. 603 fg.). Bei Lopez de Vega in
"ig, earboverg," (s. Klein X. S. 488) erscheint die Schwester Don Pedro's
unter Köhlern um sich vor den Verfolgungen ihres Bruders sicher zu stellen;
ihr Geliebter erhält von dem König, der jenes verwandschastliche Verhältniß
nicht kennt, den Auftrag jene ihm zuzuführen, und dieser Geliebte, des Königs
Vertrauter, ist kein andrer als Don Juan. Auch hier hat der Dichter höchst
wahrscheinlich aus der Tradition geschöpft. Auch an Pedro knüpft die
Tradition an und von ihr zur Sage ist ein kleiner Schritt. Don Juan,
wie er uns dort entgegentritt, war ganz der Mann, welchen die Sage brauchte,
um eine Idee zu verkörpern, die Idee nämlich von der unersättlichen Lebens¬
lust eines mit der höchsten Energie dieses Wollens bewaffneten Charakters,
der keinen andern Werth und keine andere Wirklichkeit kennt, als das Irdische
und der das Jenseitige, sogar wo es ihm sichtbar und warnend entgegentritt,
in den Dienst seiner frevelhaften Lust zwingen will. Ob der Held und


Grenzboten it. 187K. 17

späteren Königs Pedro, des Grausamen, auch verwandt mit des Königs
Buhlerin, Maria Padilla; der König ernannte ihn später zum Ritter der
Banda; man weiß sogar, in welchen Capitalsitz er aufgenommen wurde.
Er war auch Oberkellermeister (rexostkrv) des Königs und dessen treuer Genosse
bei allen Abenteuern und Ausschweifungen, den Bewohnern von Sevilla ein
Schrecken und das Muster aller Frevler (vgl. ?ÄVM tlisater ok Kononr ana
LlliZIMovä. I^onäou 1623. — Lastil-LlA^ö, Roller« mnsioien I, 221 se^.
und 276 nach ?u^husyu6, Kife. coup. ach litt^r. sLMgn. <ze traritz.). Mit
seinem vollen Namen hieß er Don Juan Jufre Tenorio. Ein älterer Bruder,
Alfonso Jufre Tonorio war aus gekränkten Ehrgeiz (s. ?rosy. N6rim<ze, niht.
<1ö von ?öclrs. ?ar. 1843 x. 169) zu dem rebellischen Halbbruder des Königs
übergetreten, aber Pedro's Rache ereilte ihn und er wurde hingerichtet.

In Tirso's Drama erscheint der König Alfonso von Castilien, der Vor¬
gänger Pedro's, der unsern Don Juan (auch hier schon mit dem richtigen
Namen Tenorio genannt) mit der Tochter des Comthurs Don Ganzalo de
Ulloa vermählen will. Don Juan's Vater ferner hieß Don Diego Tenorio,
sein Oheim Don Pedro Tenorio und ist castilischer Gesandter am Hof des
Königs von Neapel. Hier stimmt wenigstens in den Hauptpunkten, was
Familie und Familienglanz betrifft, die Dichtung mit der Geschichte überein,
und wenn nun wirklich, wie die Forschung erwiesen hat oder vielmehr er¬
wiesen haben soll (denn leider habe ich die literarischen Beweismittel behufs
der Controle nicht vollständig zur Verfügung), Don Juan in jenes oben
angedeutete nähere Verhältniß zu Don Pedro trat, so darf uns sein Gebahren
nicht mehr wundern. Wer der gehorsame Diener und Bertraute jenes blut¬
lechzenden Wüstlings war, den die Geschichte mit dem Namen deL „Grausamen"
brandmarkt, dem war fein sittliches Verhalten mit Fraeturschrift vorgezeichnet
(s. auch Klein „Gesch. d. Dramas" VIII. S. 603 fg.). Bei Lopez de Vega in
„ig, earboverg," (s. Klein X. S. 488) erscheint die Schwester Don Pedro's
unter Köhlern um sich vor den Verfolgungen ihres Bruders sicher zu stellen;
ihr Geliebter erhält von dem König, der jenes verwandschastliche Verhältniß
nicht kennt, den Auftrag jene ihm zuzuführen, und dieser Geliebte, des Königs
Vertrauter, ist kein andrer als Don Juan. Auch hier hat der Dichter höchst
wahrscheinlich aus der Tradition geschöpft. Auch an Pedro knüpft die
Tradition an und von ihr zur Sage ist ein kleiner Schritt. Don Juan,
wie er uns dort entgegentritt, war ganz der Mann, welchen die Sage brauchte,
um eine Idee zu verkörpern, die Idee nämlich von der unersättlichen Lebens¬
lust eines mit der höchsten Energie dieses Wollens bewaffneten Charakters,
der keinen andern Werth und keine andere Wirklichkeit kennt, als das Irdische
und der das Jenseitige, sogar wo es ihm sichtbar und warnend entgegentritt,
in den Dienst seiner frevelhaften Lust zwingen will. Ob der Held und


Grenzboten it. 187K. 17
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[0133] späteren Königs Pedro, des Grausamen, auch verwandt mit des Königs Buhlerin, Maria Padilla; der König ernannte ihn später zum Ritter der Banda; man weiß sogar, in welchen Capitalsitz er aufgenommen wurde. Er war auch Oberkellermeister (rexostkrv) des Königs und dessen treuer Genosse bei allen Abenteuern und Ausschweifungen, den Bewohnern von Sevilla ein Schrecken und das Muster aller Frevler (vgl. ?ÄVM tlisater ok Kononr ana LlliZIMovä. I^onäou 1623. — Lastil-LlA^ö, Roller« mnsioien I, 221 se^. und 276 nach ?u^husyu6, Kife. coup. ach litt^r. sLMgn. <ze traritz.). Mit seinem vollen Namen hieß er Don Juan Jufre Tenorio. Ein älterer Bruder, Alfonso Jufre Tonorio war aus gekränkten Ehrgeiz (s. ?rosy. N6rim<ze, niht. <1ö von ?öclrs. ?ar. 1843 x. 169) zu dem rebellischen Halbbruder des Königs übergetreten, aber Pedro's Rache ereilte ihn und er wurde hingerichtet. In Tirso's Drama erscheint der König Alfonso von Castilien, der Vor¬ gänger Pedro's, der unsern Don Juan (auch hier schon mit dem richtigen Namen Tenorio genannt) mit der Tochter des Comthurs Don Ganzalo de Ulloa vermählen will. Don Juan's Vater ferner hieß Don Diego Tenorio, sein Oheim Don Pedro Tenorio und ist castilischer Gesandter am Hof des Königs von Neapel. Hier stimmt wenigstens in den Hauptpunkten, was Familie und Familienglanz betrifft, die Dichtung mit der Geschichte überein, und wenn nun wirklich, wie die Forschung erwiesen hat oder vielmehr er¬ wiesen haben soll (denn leider habe ich die literarischen Beweismittel behufs der Controle nicht vollständig zur Verfügung), Don Juan in jenes oben angedeutete nähere Verhältniß zu Don Pedro trat, so darf uns sein Gebahren nicht mehr wundern. Wer der gehorsame Diener und Bertraute jenes blut¬ lechzenden Wüstlings war, den die Geschichte mit dem Namen deL „Grausamen" brandmarkt, dem war fein sittliches Verhalten mit Fraeturschrift vorgezeichnet (s. auch Klein „Gesch. d. Dramas" VIII. S. 603 fg.). Bei Lopez de Vega in „ig, earboverg," (s. Klein X. S. 488) erscheint die Schwester Don Pedro's unter Köhlern um sich vor den Verfolgungen ihres Bruders sicher zu stellen; ihr Geliebter erhält von dem König, der jenes verwandschastliche Verhältniß nicht kennt, den Auftrag jene ihm zuzuführen, und dieser Geliebte, des Königs Vertrauter, ist kein andrer als Don Juan. Auch hier hat der Dichter höchst wahrscheinlich aus der Tradition geschöpft. Auch an Pedro knüpft die Tradition an und von ihr zur Sage ist ein kleiner Schritt. Don Juan, wie er uns dort entgegentritt, war ganz der Mann, welchen die Sage brauchte, um eine Idee zu verkörpern, die Idee nämlich von der unersättlichen Lebens¬ lust eines mit der höchsten Energie dieses Wollens bewaffneten Charakters, der keinen andern Werth und keine andere Wirklichkeit kennt, als das Irdische und der das Jenseitige, sogar wo es ihm sichtbar und warnend entgegentritt, in den Dienst seiner frevelhaften Lust zwingen will. Ob der Held und Grenzboten it. 187K. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/133>, abgerufen am 27.07.2024.