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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Prosper Me'rince in seinen "Kmes an xurA^toire" (im "Dodekaton", in der
Stuttgarter Uebers. von 1837 I. Band). Dieser Don Juan indeß ist nicht
der Don Juan des Tellez und seiner Nachfolger, also auch nicht der Don
Juan Mozart's (wie Wackernagel a. a. O. fälschlich glaubt) und schon
Me'rime'e sucht beide, welche allerdings die Legende mit der Zeit in einen
einzigen zusammengeschmolzen hat, auseinanderzuhalten.

Auch Don Juan de Marana war ein berüchtigter Wüstling und Aben¬
teurer, auch er tödtete den Vater einer Verführten, und das bekannte Ver¬
zeichnis? des Leporello, welches er vor Donna Elvira ausbreitet, findet sich dem
Keime nach auch in der Sage jenes Don Juan de Marana wieder, welcher
während einer Krankheit einen Catalog aller von ihm verführten Weiber und
betrogenen Männer anlegte; auch die Ciceroni von Sevilla wußten nicht Be¬
scheid, welcher Don Juan gemeint sei, der einst der Giralda, jener seltsamen
Gestalt von Erz auf dem maurischen Thurm der Hauptkirche so sonderbare
Anträge gemacht (d. h. sie zum Essen eingeladen) habe, ungewiß ist es ferner,
welchem Don Juan der Zug der Unerschrockenheit und Verstocktheit gegenüber
dem Teufel zugeschrieben wird. Don Juan sei nämlich einmal auf dem
linken Ufer des Guadalquivir (oder Manzanares) spazieren gegangen und habe
von einem auf dem rechten Ufer gehenden, eine Cigarre rauchenden Mann
Feuer verlangt; hierauf habe der Raucher, der niemand anders als der Teufel
selbst gewesen, seinen Arm über den ganzen Fluß hinübergestreckt und seine
Cigarre präsentirt, Don Juan habe aber ohne auch nur mit dem Auge zu
zucken, oder diese Warnung zu Herzen zu nehmen, die seinige daran ange¬
zündet. (Aus spanischen Reiseberichten, s. Kahlert. "die Sage von Don Juan"
im Freihafen IV. Jahrg. 1841 S. 113 fg.. ferner bei Me'rince a. a. O.)
Und ebenso wenig als der Sinn der Gebräuche, welche noch jetzt am Frohn-
fastnachtsdienstag in Madrid vorgenommen werden, ist ausgemacht, welchem
Don Juan sie gelten. Da wird er nämlich, von Kopf zu Fuß weiß ge¬
kleidet, und auf weißen Kissen knieend in feierlichem Zuge von vier Männern
auf dem Platz der Stiergefechte und durch den Prado herumgetragen
(s, Lewald's Europa 1837. III, 2. S. 152). Aber der Don Juan des Dramas
stammt aus der Familie der Tenorio, eines einst in Sevilla ansässigen, sehr
angesehenen, aber nun längst ausgestorbenen Geschlechtes; er ist eine historische
Person, englische Kritiker haben ihm Stammbaum und Wappen construirt und
folgendes festgestellt: Sein Vater war Admiral im Dienste König Alfonso's
XI. und fiel in einer Seeschlacht gegen die Ungläubigen; der Familienpalast
der Tenorio wurde bei Rückeroberung der Stadt Sevilla aus den Händen
der Mauren der Familie Tenorio zum Lohn für ihre guten Dienste gegeben.
Im üppigen Sevilla, dem spanischen Capua, ist Don Juan als jüngster Sohn
jenes Admirals geboren; er war Liebling seines Vaters und Spielgenosse des


Prosper Me'rince in seinen „Kmes an xurA^toire" (im „Dodekaton", in der
Stuttgarter Uebers. von 1837 I. Band). Dieser Don Juan indeß ist nicht
der Don Juan des Tellez und seiner Nachfolger, also auch nicht der Don
Juan Mozart's (wie Wackernagel a. a. O. fälschlich glaubt) und schon
Me'rime'e sucht beide, welche allerdings die Legende mit der Zeit in einen
einzigen zusammengeschmolzen hat, auseinanderzuhalten.

Auch Don Juan de Marana war ein berüchtigter Wüstling und Aben¬
teurer, auch er tödtete den Vater einer Verführten, und das bekannte Ver¬
zeichnis? des Leporello, welches er vor Donna Elvira ausbreitet, findet sich dem
Keime nach auch in der Sage jenes Don Juan de Marana wieder, welcher
während einer Krankheit einen Catalog aller von ihm verführten Weiber und
betrogenen Männer anlegte; auch die Ciceroni von Sevilla wußten nicht Be¬
scheid, welcher Don Juan gemeint sei, der einst der Giralda, jener seltsamen
Gestalt von Erz auf dem maurischen Thurm der Hauptkirche so sonderbare
Anträge gemacht (d. h. sie zum Essen eingeladen) habe, ungewiß ist es ferner,
welchem Don Juan der Zug der Unerschrockenheit und Verstocktheit gegenüber
dem Teufel zugeschrieben wird. Don Juan sei nämlich einmal auf dem
linken Ufer des Guadalquivir (oder Manzanares) spazieren gegangen und habe
von einem auf dem rechten Ufer gehenden, eine Cigarre rauchenden Mann
Feuer verlangt; hierauf habe der Raucher, der niemand anders als der Teufel
selbst gewesen, seinen Arm über den ganzen Fluß hinübergestreckt und seine
Cigarre präsentirt, Don Juan habe aber ohne auch nur mit dem Auge zu
zucken, oder diese Warnung zu Herzen zu nehmen, die seinige daran ange¬
zündet. (Aus spanischen Reiseberichten, s. Kahlert. „die Sage von Don Juan"
im Freihafen IV. Jahrg. 1841 S. 113 fg.. ferner bei Me'rince a. a. O.)
Und ebenso wenig als der Sinn der Gebräuche, welche noch jetzt am Frohn-
fastnachtsdienstag in Madrid vorgenommen werden, ist ausgemacht, welchem
Don Juan sie gelten. Da wird er nämlich, von Kopf zu Fuß weiß ge¬
kleidet, und auf weißen Kissen knieend in feierlichem Zuge von vier Männern
auf dem Platz der Stiergefechte und durch den Prado herumgetragen
(s, Lewald's Europa 1837. III, 2. S. 152). Aber der Don Juan des Dramas
stammt aus der Familie der Tenorio, eines einst in Sevilla ansässigen, sehr
angesehenen, aber nun längst ausgestorbenen Geschlechtes; er ist eine historische
Person, englische Kritiker haben ihm Stammbaum und Wappen construirt und
folgendes festgestellt: Sein Vater war Admiral im Dienste König Alfonso's
XI. und fiel in einer Seeschlacht gegen die Ungläubigen; der Familienpalast
der Tenorio wurde bei Rückeroberung der Stadt Sevilla aus den Händen
der Mauren der Familie Tenorio zum Lohn für ihre guten Dienste gegeben.
Im üppigen Sevilla, dem spanischen Capua, ist Don Juan als jüngster Sohn
jenes Admirals geboren; er war Liebling seines Vaters und Spielgenosse des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/132>, abgerufen am 27.07.2024.