Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

laufen, wollte man nur einmal in Berlin sich aufraffen und mit dem Par-
ticularismus wieder ein ernstes Wort reden! Für eine HetzMd auf die
Preußen, wie unsere Gegner noch immer die unbedingten Anhänger der na¬
tionalen Partei zu tituliren lieben, ist denn doch auch in Schwaben W Zeit
kaum angethan.




Dom preußischen Landtag.

Am 3. April beschäftigten die Abgeordneten sich mit der zweiten Be¬
rathung des Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg
mit der preußischen Monarchie. Zum Verständniß der Verhandlung muß
man sich folgender Thatsachen erinnern. Durch den wiener Frieden vom
30. October 1864 waren die drei deutschen Elbherzogthümer durch Dänemark
an Preußen und Oestreich abgetreten worden. Durch die Übereinkunft von
Gastein am 14. August 1866 wurde Lauenburg durch Oesterreich an Preußen
abgetreten gegen eine Entschädigung von 2^ Millionen dänische Thaler.
Der König von Preußen war nun Herzog von Lauenburg. Die Ritterschaft
des Herzogthums wünschte seine Verbindung mit der preußischen Krone als
Personalunion geregelt. Graf Bismarck aber war zur Erfüllung dieses
Wunsches so wenig geneigt, daß er den Rittern von Lauenburg die einfache
Einverleibung in Preußen in Aussicht stellte, wenn die Ritter aus der Per¬
sonalunion beharren sollten. In Preußen aber herrschte damals der Verfas-
fungsconfMt. Die Thronrede vom 15. Januar 1866 kündigte dem Landtag
die Vereinigung Lauenburgs mit Preußen an. flugs aber erklärte das Abge¬
ordnetenhaus die Vereinigung für rechtsungültig: denn bedeute sie Realunion.
k° dürften nach der preußischen Verfassung die Grenzen des Staatsgebiets
nur durch Gesetz verändert werden; bedeute sie Personalunion, so dürfe der
König ohne Einwilligung des Landtags nicht Herrscher fremder Reiche sein.
Das Verlangen der Abgeordneten, die Zustimmung des Landtags einge¬
holt zu sehen, war berechtigt. Aber sehr ungeschickt war die Nechtsungültig-
keitserklärung. Denn in der Thronrede mußte ein völkerrechtlich vollzogenes
Faktum angekündigt werden, durfte also nicht gesagt werden: Der Landtag
wird gebeten Lauenburg anzunehmen. Dadurch, daß der Erwerb Lauenburgs
bereits ein völkerrechtliches Faktum geworden, wurde das innere Staatsrecht
Preußens nicht berührt, der Landtag konnte noch immer seinen Willen äußern
und hätte Gelegenheit erhalten. Die Rechtsungültigkeitserklärung war also


laufen, wollte man nur einmal in Berlin sich aufraffen und mit dem Par-
ticularismus wieder ein ernstes Wort reden! Für eine HetzMd auf die
Preußen, wie unsere Gegner noch immer die unbedingten Anhänger der na¬
tionalen Partei zu tituliren lieben, ist denn doch auch in Schwaben W Zeit
kaum angethan.




Dom preußischen Landtag.

Am 3. April beschäftigten die Abgeordneten sich mit der zweiten Be¬
rathung des Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg
mit der preußischen Monarchie. Zum Verständniß der Verhandlung muß
man sich folgender Thatsachen erinnern. Durch den wiener Frieden vom
30. October 1864 waren die drei deutschen Elbherzogthümer durch Dänemark
an Preußen und Oestreich abgetreten worden. Durch die Übereinkunft von
Gastein am 14. August 1866 wurde Lauenburg durch Oesterreich an Preußen
abgetreten gegen eine Entschädigung von 2^ Millionen dänische Thaler.
Der König von Preußen war nun Herzog von Lauenburg. Die Ritterschaft
des Herzogthums wünschte seine Verbindung mit der preußischen Krone als
Personalunion geregelt. Graf Bismarck aber war zur Erfüllung dieses
Wunsches so wenig geneigt, daß er den Rittern von Lauenburg die einfache
Einverleibung in Preußen in Aussicht stellte, wenn die Ritter aus der Per¬
sonalunion beharren sollten. In Preußen aber herrschte damals der Verfas-
fungsconfMt. Die Thronrede vom 15. Januar 1866 kündigte dem Landtag
die Vereinigung Lauenburgs mit Preußen an. flugs aber erklärte das Abge¬
ordnetenhaus die Vereinigung für rechtsungültig: denn bedeute sie Realunion.
k° dürften nach der preußischen Verfassung die Grenzen des Staatsgebiets
nur durch Gesetz verändert werden; bedeute sie Personalunion, so dürfe der
König ohne Einwilligung des Landtags nicht Herrscher fremder Reiche sein.
Das Verlangen der Abgeordneten, die Zustimmung des Landtags einge¬
holt zu sehen, war berechtigt. Aber sehr ungeschickt war die Nechtsungültig-
keitserklärung. Denn in der Thronrede mußte ein völkerrechtlich vollzogenes
Faktum angekündigt werden, durfte also nicht gesagt werden: Der Landtag
wird gebeten Lauenburg anzunehmen. Dadurch, daß der Erwerb Lauenburgs
bereits ein völkerrechtliches Faktum geworden, wurde das innere Staatsrecht
Preußens nicht berührt, der Landtag konnte noch immer seinen Willen äußern
und hätte Gelegenheit erhalten. Die Rechtsungültigkeitserklärung war also


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135700"/>
          <p xml:id="ID_434" prev="#ID_433"> laufen, wollte man nur einmal in Berlin sich aufraffen und mit dem Par-<lb/>
ticularismus wieder ein ernstes Wort reden! Für eine HetzMd auf die<lb/>
Preußen, wie unsere Gegner noch immer die unbedingten Anhänger der na¬<lb/>
tionalen Partei zu tituliren lieben, ist denn doch auch in Schwaben W Zeit<lb/><note type="byline"/> kaum angethan.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Dom preußischen Landtag.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_435" next="#ID_436"> Am 3. April beschäftigten die Abgeordneten sich mit der zweiten Be¬<lb/>
rathung des Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg<lb/>
mit der preußischen Monarchie. Zum Verständniß der Verhandlung muß<lb/>
man sich folgender Thatsachen erinnern. Durch den wiener Frieden vom<lb/>
30. October 1864 waren die drei deutschen Elbherzogthümer durch Dänemark<lb/>
an Preußen und Oestreich abgetreten worden. Durch die Übereinkunft von<lb/>
Gastein am 14. August 1866 wurde Lauenburg durch Oesterreich an Preußen<lb/>
abgetreten gegen eine Entschädigung von 2^ Millionen dänische Thaler.<lb/>
Der König von Preußen war nun Herzog von Lauenburg. Die Ritterschaft<lb/>
des Herzogthums wünschte seine Verbindung mit der preußischen Krone als<lb/>
Personalunion geregelt. Graf Bismarck aber war zur Erfüllung dieses<lb/>
Wunsches so wenig geneigt, daß er den Rittern von Lauenburg die einfache<lb/>
Einverleibung in Preußen in Aussicht stellte, wenn die Ritter aus der Per¬<lb/>
sonalunion beharren sollten. In Preußen aber herrschte damals der Verfas-<lb/>
fungsconfMt. Die Thronrede vom 15. Januar 1866 kündigte dem Landtag<lb/>
die Vereinigung Lauenburgs mit Preußen an. flugs aber erklärte das Abge¬<lb/>
ordnetenhaus die Vereinigung für rechtsungültig: denn bedeute sie Realunion.<lb/>
k° dürften nach der preußischen Verfassung die Grenzen des Staatsgebiets<lb/>
nur durch Gesetz verändert werden; bedeute sie Personalunion, so dürfe der<lb/>
König ohne Einwilligung des Landtags nicht Herrscher fremder Reiche sein.<lb/>
Das Verlangen der Abgeordneten, die Zustimmung des Landtags einge¬<lb/>
holt zu sehen, war berechtigt. Aber sehr ungeschickt war die Nechtsungültig-<lb/>
keitserklärung. Denn in der Thronrede mußte ein völkerrechtlich vollzogenes<lb/>
Faktum angekündigt werden, durfte also nicht gesagt werden: Der Landtag<lb/>
wird gebeten Lauenburg anzunehmen. Dadurch, daß der Erwerb Lauenburgs<lb/>
bereits ein völkerrechtliches Faktum geworden, wurde das innere Staatsrecht<lb/>
Preußens nicht berührt, der Landtag konnte noch immer seinen Willen äußern<lb/>
und hätte Gelegenheit erhalten. Die Rechtsungültigkeitserklärung war also</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0119] laufen, wollte man nur einmal in Berlin sich aufraffen und mit dem Par- ticularismus wieder ein ernstes Wort reden! Für eine HetzMd auf die Preußen, wie unsere Gegner noch immer die unbedingten Anhänger der na¬ tionalen Partei zu tituliren lieben, ist denn doch auch in Schwaben W Zeit kaum angethan. Dom preußischen Landtag. Am 3. April beschäftigten die Abgeordneten sich mit der zweiten Be¬ rathung des Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg mit der preußischen Monarchie. Zum Verständniß der Verhandlung muß man sich folgender Thatsachen erinnern. Durch den wiener Frieden vom 30. October 1864 waren die drei deutschen Elbherzogthümer durch Dänemark an Preußen und Oestreich abgetreten worden. Durch die Übereinkunft von Gastein am 14. August 1866 wurde Lauenburg durch Oesterreich an Preußen abgetreten gegen eine Entschädigung von 2^ Millionen dänische Thaler. Der König von Preußen war nun Herzog von Lauenburg. Die Ritterschaft des Herzogthums wünschte seine Verbindung mit der preußischen Krone als Personalunion geregelt. Graf Bismarck aber war zur Erfüllung dieses Wunsches so wenig geneigt, daß er den Rittern von Lauenburg die einfache Einverleibung in Preußen in Aussicht stellte, wenn die Ritter aus der Per¬ sonalunion beharren sollten. In Preußen aber herrschte damals der Verfas- fungsconfMt. Die Thronrede vom 15. Januar 1866 kündigte dem Landtag die Vereinigung Lauenburgs mit Preußen an. flugs aber erklärte das Abge¬ ordnetenhaus die Vereinigung für rechtsungültig: denn bedeute sie Realunion. k° dürften nach der preußischen Verfassung die Grenzen des Staatsgebiets nur durch Gesetz verändert werden; bedeute sie Personalunion, so dürfe der König ohne Einwilligung des Landtags nicht Herrscher fremder Reiche sein. Das Verlangen der Abgeordneten, die Zustimmung des Landtags einge¬ holt zu sehen, war berechtigt. Aber sehr ungeschickt war die Nechtsungültig- keitserklärung. Denn in der Thronrede mußte ein völkerrechtlich vollzogenes Faktum angekündigt werden, durfte also nicht gesagt werden: Der Landtag wird gebeten Lauenburg anzunehmen. Dadurch, daß der Erwerb Lauenburgs bereits ein völkerrechtliches Faktum geworden, wurde das innere Staatsrecht Preußens nicht berührt, der Landtag konnte noch immer seinen Willen äußern und hätte Gelegenheit erhalten. Die Rechtsungültigkeitserklärung war also

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/119
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/119>, abgerufen am 27.11.2024.