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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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voreilig. Bismarck mußte nunmehr befürchten, bei Umgebung des Land¬
tags um Zustimmung zu dem Erwerb werde das Abgeordnetenhaus ihm
den Streich der Verweigerung spielen. Mit nie verlegener Dialektik ant¬
wortete er daher dem Landtag: Eure Zustimmung ist gar nicht von Nöthen,
denn Lauenburg ist kein fremdes Reich; das kann Euch der Augenschein, das
natürliche Sprachgefühl und eine große Autorität für die deutsche Sprache,
nämlich der Schlegel'sche Shakespeare sagen. -- Es blieb also vorläufig bei der
Personalunion. Nach den großen Ereignissen, die sich vom Juni bis August
1866 vollzogen, forderte jedoch das mit der Regierung versöhnte Abgeordneten¬
haus am 20. Dezember 1866 die Erstere auf, zur Vorlegung eines die Ein¬
verleibung Lauenburgs regelnden Gesetzentwurfes. Die Regierung ging jedoch
damals aus diesen Antrag noch nicht ein. Seitdem schloß der König-Herzog
mit den lauenburgischen Ständen einen Vertrag über die Theilung des lan¬
desherrlichen Domaniums. Den in Folge dieses Vertrages der Landesherr¬
schaft zugefallnen Theil des Domaniums schenkte der König-Herzog dem Fürsten
Bismarck, der den Ständen verbliebene Theil bildete nunmehr das bleibende
Landesvermögen. Die auf dem Lande ruhenden Verpflichtungen, zu welchen
die Verzinsung der Staatsschuld gehört, welche durch Zahlung der Entschädi¬
gungssumme an Dänemark entstanden ist, in Verbindung mit der Aufhebung
des Elbzolles und anderen finanziellen Einbußen erweckten indeß nunmehr in
den Ständen den Wunsch nach Einverleibung in Preußen. Am 7. April
1875 legte die herzogliche Regierung dem lauenburgischen Landtage einen die
Einverleibung in Preußen regelnden Gesetzentwurf vor. Danach sollte auf
Wunsch der Stände die Ritter- und Landschaft als Vertretung des Landes
fortbestehen, desgleichen das bisherige Consistorium als kirchliche Behörde.
Im Uebrigen sollte das Herzogthum einen Kreis der Provinz Schleswig-
Holstein mit getrennten Vermögensverhältnissen bilden. Aus dem Landesver¬
mögen bedang sich die Ritterschaft die Kosten der Veranlagung und Entschä¬
digung für Auflegung der Grundsteuer aus, welche nach preußischem Gesetz
einzuführen ist. Der Landtag erklärte sich mit diesen Vorschlägen, die wesent¬
lich nach seinen Wünschen gebildet waren, wohl einverstanden, aber die Be¬
völkerung fand viel auszusetzen, und zum Theil mit Recht. In der Bevöl¬
kerung wollte man weder den Fortbestand der bisherigen Landesvertretung,
noch den des Consistoriums, noch die Grundsteuerentschädtgung aus dem
Landesvermögen. Eine von den radikalsten Elementen des Landes zusammen¬
gesetzte Volksversammlung wollte überdies nichts wissen von der Beibehaltung
des Namens Herzogthum für den künstigen preußischen Kreis. Dieselbe
Versammlung wollte den Anschluß an die Provinz Hannover dem Anschluß an
Schleswig-Holstein vorziehen. Der lauenvurgische Landtag seinerseits erklärte
am 16. März 1876, daß er wohl einsehe, die bisherige Landesvertretung und


voreilig. Bismarck mußte nunmehr befürchten, bei Umgebung des Land¬
tags um Zustimmung zu dem Erwerb werde das Abgeordnetenhaus ihm
den Streich der Verweigerung spielen. Mit nie verlegener Dialektik ant¬
wortete er daher dem Landtag: Eure Zustimmung ist gar nicht von Nöthen,
denn Lauenburg ist kein fremdes Reich; das kann Euch der Augenschein, das
natürliche Sprachgefühl und eine große Autorität für die deutsche Sprache,
nämlich der Schlegel'sche Shakespeare sagen. — Es blieb also vorläufig bei der
Personalunion. Nach den großen Ereignissen, die sich vom Juni bis August
1866 vollzogen, forderte jedoch das mit der Regierung versöhnte Abgeordneten¬
haus am 20. Dezember 1866 die Erstere auf, zur Vorlegung eines die Ein¬
verleibung Lauenburgs regelnden Gesetzentwurfes. Die Regierung ging jedoch
damals aus diesen Antrag noch nicht ein. Seitdem schloß der König-Herzog
mit den lauenburgischen Ständen einen Vertrag über die Theilung des lan¬
desherrlichen Domaniums. Den in Folge dieses Vertrages der Landesherr¬
schaft zugefallnen Theil des Domaniums schenkte der König-Herzog dem Fürsten
Bismarck, der den Ständen verbliebene Theil bildete nunmehr das bleibende
Landesvermögen. Die auf dem Lande ruhenden Verpflichtungen, zu welchen
die Verzinsung der Staatsschuld gehört, welche durch Zahlung der Entschädi¬
gungssumme an Dänemark entstanden ist, in Verbindung mit der Aufhebung
des Elbzolles und anderen finanziellen Einbußen erweckten indeß nunmehr in
den Ständen den Wunsch nach Einverleibung in Preußen. Am 7. April
1875 legte die herzogliche Regierung dem lauenburgischen Landtage einen die
Einverleibung in Preußen regelnden Gesetzentwurf vor. Danach sollte auf
Wunsch der Stände die Ritter- und Landschaft als Vertretung des Landes
fortbestehen, desgleichen das bisherige Consistorium als kirchliche Behörde.
Im Uebrigen sollte das Herzogthum einen Kreis der Provinz Schleswig-
Holstein mit getrennten Vermögensverhältnissen bilden. Aus dem Landesver¬
mögen bedang sich die Ritterschaft die Kosten der Veranlagung und Entschä¬
digung für Auflegung der Grundsteuer aus, welche nach preußischem Gesetz
einzuführen ist. Der Landtag erklärte sich mit diesen Vorschlägen, die wesent¬
lich nach seinen Wünschen gebildet waren, wohl einverstanden, aber die Be¬
völkerung fand viel auszusetzen, und zum Theil mit Recht. In der Bevöl¬
kerung wollte man weder den Fortbestand der bisherigen Landesvertretung,
noch den des Consistoriums, noch die Grundsteuerentschädtgung aus dem
Landesvermögen. Eine von den radikalsten Elementen des Landes zusammen¬
gesetzte Volksversammlung wollte überdies nichts wissen von der Beibehaltung
des Namens Herzogthum für den künstigen preußischen Kreis. Dieselbe
Versammlung wollte den Anschluß an die Provinz Hannover dem Anschluß an
Schleswig-Holstein vorziehen. Der lauenvurgische Landtag seinerseits erklärte
am 16. März 1876, daß er wohl einsehe, die bisherige Landesvertretung und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/120>, abgerufen am 27.11.2024.