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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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denn alles Gratiszuschicken und alle Erlaubniß zur unentgeltlichen Reproduk¬
tion würde wenig fruchten, wenn Wahl und Behandlung^ der Gegenstände
diese Bedingungen nicht erfüllte. Die Artikel dürften darum u. E. nicht mit
weitläufigen historischen Rückblicken oder statistischen Tabellenwerk beladen
sein, hätten auch den Lehr- und Kanzelton zu vermeiden.

Die Hauptaufgabe des Centralorgans soll keineswegs eine negative sein,
keine bloße Bestreitung von Irrthümern und Verdrehungen, sondern vor allem
positive Belehrung, diese aber in einer für das große Publikum mund¬
gerechter Zubereitung.

Oft wiederholt wären Probenummern auszuschicken an jene Legion
kleinerer periodischer Schriften, deren Adressen unschwer zu ermitteln wären,
namentlich in Districte, wo socialdemokratische Agitation bemerkbar ist, neben¬
bei auch an Fortbildungs-, Gewerbe-, Gesellen-, Handelsschüler !c. ferner
größere Zeitungen zu ersuchen, auf das Organ und seine Bestrebungen auf¬
merksam zu machen.

Augenscheinlich wäre von einem Unternehmen der Art kein geschäftlicher
Gewinn zu erwarten, es erforderte vielmehr namhafte Opfer, die keinem ein¬
zelnen Verleger zuzumuthen sind. Es hätte sich deshalb entweder auf einem
bereits bestehenden volkswirthschaftlichen oder politischen Verein zu stützen,
oder es wäre ein solcher Verein eigens dazu zu stiften. Nur zwei oder drei
angesehene Persönlichkeiten dürften an die Spitze treten, so würde sich gewiß
bald vielseitige thätige Theilnahme finden.

Wie wenig Interesse zur Zeit noch der deutsche Durchschnittsbürger an
einer Frage nimmt, von der sein Wohl und Wehe abhängt, an einem Gegen¬
stande, welcher vielleicht schon dieser Operation alle andern politischen Fragen
in den Hintergrund drängen könnte, zeigt sich u. A. an dem verhältnißmäßig
geringen Absatz der wenigen in Deutschland erscheinenden volkswirthschaftlichen
Organe. Obenan unter diesen steht der vorzüglich geleitete "Arbeiterfreund,
Zeitschrift des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen," heraus¬
gegeben von Rudolph Gneist und VictorBöhmert (Berlin, Simion),
der schon seinen 14. Jahrgang angetreten hat, eine Fülle von Belehrung und
noch mehr Stoss zum Nachdenken bietet. Ferner ist hier zu nennen: "Viertel¬
jahrsschrift für Volkswirthschaft und Culturgeschichte" von
Faucher. Berlin; sodann die "Concordia, Zeitschrift für die Arbeiter¬
frage", taktvoll redigirt von L. Nagel (Verlag von Enslin in Berlin, Preis
2 Mark vierteljährlich). Ein andres Blatt, "Der Fortschritt, Wochen¬
schrift für sociale Reform und vaterländische Politik, Organ des Bürger¬
vereins in Pforzheim," Redact. A. Pfeifer, machte kürzlich seinem Herzen
Luft durch folgende Klage.


denn alles Gratiszuschicken und alle Erlaubniß zur unentgeltlichen Reproduk¬
tion würde wenig fruchten, wenn Wahl und Behandlung^ der Gegenstände
diese Bedingungen nicht erfüllte. Die Artikel dürften darum u. E. nicht mit
weitläufigen historischen Rückblicken oder statistischen Tabellenwerk beladen
sein, hätten auch den Lehr- und Kanzelton zu vermeiden.

Die Hauptaufgabe des Centralorgans soll keineswegs eine negative sein,
keine bloße Bestreitung von Irrthümern und Verdrehungen, sondern vor allem
positive Belehrung, diese aber in einer für das große Publikum mund¬
gerechter Zubereitung.

Oft wiederholt wären Probenummern auszuschicken an jene Legion
kleinerer periodischer Schriften, deren Adressen unschwer zu ermitteln wären,
namentlich in Districte, wo socialdemokratische Agitation bemerkbar ist, neben¬
bei auch an Fortbildungs-, Gewerbe-, Gesellen-, Handelsschüler !c. ferner
größere Zeitungen zu ersuchen, auf das Organ und seine Bestrebungen auf¬
merksam zu machen.

Augenscheinlich wäre von einem Unternehmen der Art kein geschäftlicher
Gewinn zu erwarten, es erforderte vielmehr namhafte Opfer, die keinem ein¬
zelnen Verleger zuzumuthen sind. Es hätte sich deshalb entweder auf einem
bereits bestehenden volkswirthschaftlichen oder politischen Verein zu stützen,
oder es wäre ein solcher Verein eigens dazu zu stiften. Nur zwei oder drei
angesehene Persönlichkeiten dürften an die Spitze treten, so würde sich gewiß
bald vielseitige thätige Theilnahme finden.

Wie wenig Interesse zur Zeit noch der deutsche Durchschnittsbürger an
einer Frage nimmt, von der sein Wohl und Wehe abhängt, an einem Gegen¬
stande, welcher vielleicht schon dieser Operation alle andern politischen Fragen
in den Hintergrund drängen könnte, zeigt sich u. A. an dem verhältnißmäßig
geringen Absatz der wenigen in Deutschland erscheinenden volkswirthschaftlichen
Organe. Obenan unter diesen steht der vorzüglich geleitete „Arbeiterfreund,
Zeitschrift des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen," heraus¬
gegeben von Rudolph Gneist und VictorBöhmert (Berlin, Simion),
der schon seinen 14. Jahrgang angetreten hat, eine Fülle von Belehrung und
noch mehr Stoss zum Nachdenken bietet. Ferner ist hier zu nennen: „Viertel¬
jahrsschrift für Volkswirthschaft und Culturgeschichte" von
Faucher. Berlin; sodann die „Concordia, Zeitschrift für die Arbeiter¬
frage", taktvoll redigirt von L. Nagel (Verlag von Enslin in Berlin, Preis
2 Mark vierteljährlich). Ein andres Blatt, „Der Fortschritt, Wochen¬
schrift für sociale Reform und vaterländische Politik, Organ des Bürger¬
vereins in Pforzheim," Redact. A. Pfeifer, machte kürzlich seinem Herzen
Luft durch folgende Klage.


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[0103] denn alles Gratiszuschicken und alle Erlaubniß zur unentgeltlichen Reproduk¬ tion würde wenig fruchten, wenn Wahl und Behandlung^ der Gegenstände diese Bedingungen nicht erfüllte. Die Artikel dürften darum u. E. nicht mit weitläufigen historischen Rückblicken oder statistischen Tabellenwerk beladen sein, hätten auch den Lehr- und Kanzelton zu vermeiden. Die Hauptaufgabe des Centralorgans soll keineswegs eine negative sein, keine bloße Bestreitung von Irrthümern und Verdrehungen, sondern vor allem positive Belehrung, diese aber in einer für das große Publikum mund¬ gerechter Zubereitung. Oft wiederholt wären Probenummern auszuschicken an jene Legion kleinerer periodischer Schriften, deren Adressen unschwer zu ermitteln wären, namentlich in Districte, wo socialdemokratische Agitation bemerkbar ist, neben¬ bei auch an Fortbildungs-, Gewerbe-, Gesellen-, Handelsschüler !c. ferner größere Zeitungen zu ersuchen, auf das Organ und seine Bestrebungen auf¬ merksam zu machen. Augenscheinlich wäre von einem Unternehmen der Art kein geschäftlicher Gewinn zu erwarten, es erforderte vielmehr namhafte Opfer, die keinem ein¬ zelnen Verleger zuzumuthen sind. Es hätte sich deshalb entweder auf einem bereits bestehenden volkswirthschaftlichen oder politischen Verein zu stützen, oder es wäre ein solcher Verein eigens dazu zu stiften. Nur zwei oder drei angesehene Persönlichkeiten dürften an die Spitze treten, so würde sich gewiß bald vielseitige thätige Theilnahme finden. Wie wenig Interesse zur Zeit noch der deutsche Durchschnittsbürger an einer Frage nimmt, von der sein Wohl und Wehe abhängt, an einem Gegen¬ stande, welcher vielleicht schon dieser Operation alle andern politischen Fragen in den Hintergrund drängen könnte, zeigt sich u. A. an dem verhältnißmäßig geringen Absatz der wenigen in Deutschland erscheinenden volkswirthschaftlichen Organe. Obenan unter diesen steht der vorzüglich geleitete „Arbeiterfreund, Zeitschrift des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen," heraus¬ gegeben von Rudolph Gneist und VictorBöhmert (Berlin, Simion), der schon seinen 14. Jahrgang angetreten hat, eine Fülle von Belehrung und noch mehr Stoss zum Nachdenken bietet. Ferner ist hier zu nennen: „Viertel¬ jahrsschrift für Volkswirthschaft und Culturgeschichte" von Faucher. Berlin; sodann die „Concordia, Zeitschrift für die Arbeiter¬ frage", taktvoll redigirt von L. Nagel (Verlag von Enslin in Berlin, Preis 2 Mark vierteljährlich). Ein andres Blatt, „Der Fortschritt, Wochen¬ schrift für sociale Reform und vaterländische Politik, Organ des Bürger¬ vereins in Pforzheim," Redact. A. Pfeifer, machte kürzlich seinem Herzen Luft durch folgende Klage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/103>, abgerufen am 27.07.2024.