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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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mit seinen Gesetzen, mehr als die Wissenschaft mit ihren Büchern und die
Zeitungen mit ihren Artikeln, denn: -- Deine Stimme kann den Arbeiter
und den Gesellen erreichen! Du kannst ihm Vertrauen, Wohlwollen zeigen
und das seinige gewinnen -- dann wenigstens, wenn sein Sinn noch nicht
völlig berauscht ist von den beredten Verheißungen der Agitatoren, umnebelt
von Neid und Klassenhaß -- kannst seine Klagen anhören, prüfen, beant¬
worten, ihm behilflich sein zur Verbesserung seiner Lage, alles in einem Tone,
den er zu hören gewohnt, in einer Sprache, die seiner Fassungskraft ange¬
messen ist. Dazu bedarf es aber durchaus des Einen: Du mußt Dich selbst
vorher einigermaßen unterrichten, was keineswegs soviel Zeit und Mühe kostet,
als Du wähnst. Professor der Nationalökonomie brauchst Du darum nicht
zu werden, sondern lediglich Dich vertraut zu machen mit den Grundlehren
des wirthschaftlichen Volkslebens.

Sollten diese Blätter, und der Verfasser hofft es, in socialdemokratische
Kreise dringen, so wird muthmaßlich ein Hohngelächter erschallen, vielleicht
auch seinen Ausdruck auf Druckpapier finden. Er ist darauf gefaßt. Wären
die Herren consequent, so müßten sie im Gegentheil sagen: deine Mahnungen
an die Bourgeoisie sind uns durchaus willkommen. Wir wünschen aufrichtig,
daß diese sich mit den socialen Fragen beschäftigt. Wahrheit und Recht
werden sich dann um so eher im praktischen Leben Bahn brechen.

Im Hinblick auf die geschilderten Thatsachen und so mancher anderen,
auf welche hier nicht eingegangen werden kann, sei es gestattet, einen Vor¬
schlag, den der Verfasser schon andren Orts zur Sprache gebracht hat, hier
wiederholt der Prüfung sachkundiger anheimzustellen, um noch Einiges zu
seiner Begründung hinzuzufügen. Eine im Königreich Sachsen, dem Haupt¬
herde der undeutschen socialdemokratischen Agitation, erscheinende Wochenschrift,
darf auch als besonders berufen angesehen werden, in dieser Angelegenheit
das Wort zu nehmen. Der Vorschlag ist:

ein populär volkswirtschaftliches Centralorgan (Corre-
spondenzblatt)

herauszugeben, das den ausgesprochenen Zweck hat, der kleinen und
kleinsten Provinzial- u n d L o ca ip r esse, allen jenen Wochen-, Tage-,
Intelligenz - und Unterhaltungsblättern, Volkskalendern :c. Artikel, und zwar
lebendig, eindringlich und durchaus volksthümlich geschriebene Artikel mäßigen
Umfangs in reicher Auswahl zum unentgeltlichen Abdruck darzubieten.
"Wiederabdruck ist gestattet und erwünscht." Die kleine periodische Presse,
an welche sich das Centralorgan zu wenden hätte, ist fast durchweg außer
Stande, gute Originalausgaben zu beschaffen, pflegt darum was ihr an Lese¬
stoff druckfertig vorliegt, gern aufzunehmen, vorausgesetzt, daß der Gegenstand
ihr interessant und der für diese Leserklasse geeignete Ton getroffen scheint;


mit seinen Gesetzen, mehr als die Wissenschaft mit ihren Büchern und die
Zeitungen mit ihren Artikeln, denn: — Deine Stimme kann den Arbeiter
und den Gesellen erreichen! Du kannst ihm Vertrauen, Wohlwollen zeigen
und das seinige gewinnen — dann wenigstens, wenn sein Sinn noch nicht
völlig berauscht ist von den beredten Verheißungen der Agitatoren, umnebelt
von Neid und Klassenhaß — kannst seine Klagen anhören, prüfen, beant¬
worten, ihm behilflich sein zur Verbesserung seiner Lage, alles in einem Tone,
den er zu hören gewohnt, in einer Sprache, die seiner Fassungskraft ange¬
messen ist. Dazu bedarf es aber durchaus des Einen: Du mußt Dich selbst
vorher einigermaßen unterrichten, was keineswegs soviel Zeit und Mühe kostet,
als Du wähnst. Professor der Nationalökonomie brauchst Du darum nicht
zu werden, sondern lediglich Dich vertraut zu machen mit den Grundlehren
des wirthschaftlichen Volkslebens.

Sollten diese Blätter, und der Verfasser hofft es, in socialdemokratische
Kreise dringen, so wird muthmaßlich ein Hohngelächter erschallen, vielleicht
auch seinen Ausdruck auf Druckpapier finden. Er ist darauf gefaßt. Wären
die Herren consequent, so müßten sie im Gegentheil sagen: deine Mahnungen
an die Bourgeoisie sind uns durchaus willkommen. Wir wünschen aufrichtig,
daß diese sich mit den socialen Fragen beschäftigt. Wahrheit und Recht
werden sich dann um so eher im praktischen Leben Bahn brechen.

Im Hinblick auf die geschilderten Thatsachen und so mancher anderen,
auf welche hier nicht eingegangen werden kann, sei es gestattet, einen Vor¬
schlag, den der Verfasser schon andren Orts zur Sprache gebracht hat, hier
wiederholt der Prüfung sachkundiger anheimzustellen, um noch Einiges zu
seiner Begründung hinzuzufügen. Eine im Königreich Sachsen, dem Haupt¬
herde der undeutschen socialdemokratischen Agitation, erscheinende Wochenschrift,
darf auch als besonders berufen angesehen werden, in dieser Angelegenheit
das Wort zu nehmen. Der Vorschlag ist:

ein populär volkswirtschaftliches Centralorgan (Corre-
spondenzblatt)

herauszugeben, das den ausgesprochenen Zweck hat, der kleinen und
kleinsten Provinzial- u n d L o ca ip r esse, allen jenen Wochen-, Tage-,
Intelligenz - und Unterhaltungsblättern, Volkskalendern :c. Artikel, und zwar
lebendig, eindringlich und durchaus volksthümlich geschriebene Artikel mäßigen
Umfangs in reicher Auswahl zum unentgeltlichen Abdruck darzubieten.
„Wiederabdruck ist gestattet und erwünscht." Die kleine periodische Presse,
an welche sich das Centralorgan zu wenden hätte, ist fast durchweg außer
Stande, gute Originalausgaben zu beschaffen, pflegt darum was ihr an Lese¬
stoff druckfertig vorliegt, gern aufzunehmen, vorausgesetzt, daß der Gegenstand
ihr interessant und der für diese Leserklasse geeignete Ton getroffen scheint;


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[0102] mit seinen Gesetzen, mehr als die Wissenschaft mit ihren Büchern und die Zeitungen mit ihren Artikeln, denn: — Deine Stimme kann den Arbeiter und den Gesellen erreichen! Du kannst ihm Vertrauen, Wohlwollen zeigen und das seinige gewinnen — dann wenigstens, wenn sein Sinn noch nicht völlig berauscht ist von den beredten Verheißungen der Agitatoren, umnebelt von Neid und Klassenhaß — kannst seine Klagen anhören, prüfen, beant¬ worten, ihm behilflich sein zur Verbesserung seiner Lage, alles in einem Tone, den er zu hören gewohnt, in einer Sprache, die seiner Fassungskraft ange¬ messen ist. Dazu bedarf es aber durchaus des Einen: Du mußt Dich selbst vorher einigermaßen unterrichten, was keineswegs soviel Zeit und Mühe kostet, als Du wähnst. Professor der Nationalökonomie brauchst Du darum nicht zu werden, sondern lediglich Dich vertraut zu machen mit den Grundlehren des wirthschaftlichen Volkslebens. Sollten diese Blätter, und der Verfasser hofft es, in socialdemokratische Kreise dringen, so wird muthmaßlich ein Hohngelächter erschallen, vielleicht auch seinen Ausdruck auf Druckpapier finden. Er ist darauf gefaßt. Wären die Herren consequent, so müßten sie im Gegentheil sagen: deine Mahnungen an die Bourgeoisie sind uns durchaus willkommen. Wir wünschen aufrichtig, daß diese sich mit den socialen Fragen beschäftigt. Wahrheit und Recht werden sich dann um so eher im praktischen Leben Bahn brechen. Im Hinblick auf die geschilderten Thatsachen und so mancher anderen, auf welche hier nicht eingegangen werden kann, sei es gestattet, einen Vor¬ schlag, den der Verfasser schon andren Orts zur Sprache gebracht hat, hier wiederholt der Prüfung sachkundiger anheimzustellen, um noch Einiges zu seiner Begründung hinzuzufügen. Eine im Königreich Sachsen, dem Haupt¬ herde der undeutschen socialdemokratischen Agitation, erscheinende Wochenschrift, darf auch als besonders berufen angesehen werden, in dieser Angelegenheit das Wort zu nehmen. Der Vorschlag ist: ein populär volkswirtschaftliches Centralorgan (Corre- spondenzblatt) herauszugeben, das den ausgesprochenen Zweck hat, der kleinen und kleinsten Provinzial- u n d L o ca ip r esse, allen jenen Wochen-, Tage-, Intelligenz - und Unterhaltungsblättern, Volkskalendern :c. Artikel, und zwar lebendig, eindringlich und durchaus volksthümlich geschriebene Artikel mäßigen Umfangs in reicher Auswahl zum unentgeltlichen Abdruck darzubieten. „Wiederabdruck ist gestattet und erwünscht." Die kleine periodische Presse, an welche sich das Centralorgan zu wenden hätte, ist fast durchweg außer Stande, gute Originalausgaben zu beschaffen, pflegt darum was ihr an Lese¬ stoff druckfertig vorliegt, gern aufzunehmen, vorausgesetzt, daß der Gegenstand ihr interessant und der für diese Leserklasse geeignete Ton getroffen scheint;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/102>, abgerufen am 27.07.2024.