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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Jetzt war Gärtner plötzlich der rechte Mann für den Herzog, zumal er
auch die finanzielle Seite der Verwaltung betont hatte, "unnöthige Pracht
und splendor" in Eisenach wegfallen solle, da dieses ja ohnehin des Hoflebens
in der Zukunft entbehre. Sofort langte in Eisenach ein Rescript ein, welches,
reich an geflügelten Worten, die Aufforderung enthielt, daß Gärtner als ein
aufrichtiger Minister stets die volle Wahrheit schreiben möge. "Es werden
des nächsten in Eisenach Rescripte einlaufen, die zur Formirung einer accep-
tablen Einrichtung beider Herzogtümer, die nunmehr ein Herz und eine
Seele sein sollen, dienen werden." -- "Ich weiß wohl, fuhr Ernst August
fort, daß man mich in der ganzen Welt ausgeschrieen, daß ich die Collegien
nicht besetzt und wenige Diener habe; allein ich bin doch noch zur Zeit aus¬
gekommen und bin ein Fürst, der keine Weitläufigkeiten, Absichten, noch großes
pompeuses Wesen liebt, sondern der kurz erpedirr, und es nicht wie die großen
Hansen in der Welt macht, sondern der vor seinem Gott niedrig einhergeht".

Schon hier tritt der feste Wille des Herzogs zu Tage, daß er die
schwere Last und Arbeit "den Chagrin, den Verdruß, die ihm mit dem Erbe
zweifelsohne zugewachsen waren," auf die Schultern eines tüchtigen Statt¬
halters zu wälzen, der aus dem Reiche gewählt, kräftig regieren sollte, dem
aber, wie er naiv hinzusetzte, die Hände doch nicht allzu frei sein durften.
"Ich bin ein aparter Fürst, und will also auch etwas apartes haben."

Welches Vertrauen setzte diese geheime Mittheilung voraus, zumal Gärt¬
ner mit dem Vorschlagsrechte betraut war. --

Aber je mehr Ernst August sich in die Schäden des Landes vertiefte,
desto länger verzögerte sich diese Absicht. Von allen Seiten stürmten die
Schwierigkeiten auf ihn ein, und verwickelten ihn, dem alles durch die Hand
ging, in unglaubliche Arbeiten. Er gewann es doch nicht über sich das Land
zu betreten, in dem er aufzuräumen ernstlich gemeint war. Er erschien nicht
einmal bei dem Begräbniß seines daheimgegangenen Vetters, die Wirthschaft
am dortigen Hofe war ihm verhaßt, er wünschte keine Berührungen, die
ihn vielleicht zur Uebernahme persönlicher Verpflichtungen vermocht hätten.

Bis zum Jahre 1732 sah es in der Eisenacher Verwaltung leidlich aus.
Die Gerichtsverfassung war in ziemlichem Stande, der Geist der Subordination
.war noch wach, und die Finanzlage war bei allem "splendor" des Herzogs
so gut, daß alles "menniglich bezahlt, auch die Schulden abgestoßen wurden".
Es war doch eine glückliche Zeit, meinte Gärtner, wo noch die kaiserlichen
Executions-Commissionen abgewendet werden konnten. Wenn man nur noch
sechs Jahre in dem Geiste weiter regirt hätte, so würden Rentkammer und
Landschaftskasse von ihren Schulden befreit gewesen sein. Aber der Dämon
in der Gestalt eines einfachen Secretärs, der bald zum Kammerrath avancirte,
Namens "Ebel" begann sein Unwesen; in unglaublich kurzer Zeit übte er


Jetzt war Gärtner plötzlich der rechte Mann für den Herzog, zumal er
auch die finanzielle Seite der Verwaltung betont hatte, „unnöthige Pracht
und splendor" in Eisenach wegfallen solle, da dieses ja ohnehin des Hoflebens
in der Zukunft entbehre. Sofort langte in Eisenach ein Rescript ein, welches,
reich an geflügelten Worten, die Aufforderung enthielt, daß Gärtner als ein
aufrichtiger Minister stets die volle Wahrheit schreiben möge. „Es werden
des nächsten in Eisenach Rescripte einlaufen, die zur Formirung einer accep-
tablen Einrichtung beider Herzogtümer, die nunmehr ein Herz und eine
Seele sein sollen, dienen werden." — „Ich weiß wohl, fuhr Ernst August
fort, daß man mich in der ganzen Welt ausgeschrieen, daß ich die Collegien
nicht besetzt und wenige Diener habe; allein ich bin doch noch zur Zeit aus¬
gekommen und bin ein Fürst, der keine Weitläufigkeiten, Absichten, noch großes
pompeuses Wesen liebt, sondern der kurz erpedirr, und es nicht wie die großen
Hansen in der Welt macht, sondern der vor seinem Gott niedrig einhergeht".

Schon hier tritt der feste Wille des Herzogs zu Tage, daß er die
schwere Last und Arbeit „den Chagrin, den Verdruß, die ihm mit dem Erbe
zweifelsohne zugewachsen waren," auf die Schultern eines tüchtigen Statt¬
halters zu wälzen, der aus dem Reiche gewählt, kräftig regieren sollte, dem
aber, wie er naiv hinzusetzte, die Hände doch nicht allzu frei sein durften.
„Ich bin ein aparter Fürst, und will also auch etwas apartes haben."

Welches Vertrauen setzte diese geheime Mittheilung voraus, zumal Gärt¬
ner mit dem Vorschlagsrechte betraut war. —

Aber je mehr Ernst August sich in die Schäden des Landes vertiefte,
desto länger verzögerte sich diese Absicht. Von allen Seiten stürmten die
Schwierigkeiten auf ihn ein, und verwickelten ihn, dem alles durch die Hand
ging, in unglaubliche Arbeiten. Er gewann es doch nicht über sich das Land
zu betreten, in dem er aufzuräumen ernstlich gemeint war. Er erschien nicht
einmal bei dem Begräbniß seines daheimgegangenen Vetters, die Wirthschaft
am dortigen Hofe war ihm verhaßt, er wünschte keine Berührungen, die
ihn vielleicht zur Uebernahme persönlicher Verpflichtungen vermocht hätten.

Bis zum Jahre 1732 sah es in der Eisenacher Verwaltung leidlich aus.
Die Gerichtsverfassung war in ziemlichem Stande, der Geist der Subordination
.war noch wach, und die Finanzlage war bei allem „splendor" des Herzogs
so gut, daß alles „menniglich bezahlt, auch die Schulden abgestoßen wurden".
Es war doch eine glückliche Zeit, meinte Gärtner, wo noch die kaiserlichen
Executions-Commissionen abgewendet werden konnten. Wenn man nur noch
sechs Jahre in dem Geiste weiter regirt hätte, so würden Rentkammer und
Landschaftskasse von ihren Schulden befreit gewesen sein. Aber der Dämon
in der Gestalt eines einfachen Secretärs, der bald zum Kammerrath avancirte,
Namens „Ebel" begann sein Unwesen; in unglaublich kurzer Zeit übte er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/491>, abgerufen am 19.10.2024.