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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Landes hatte neben dem Kammerdireetor v. Herda lange Jahre hindurch ein
Geh. Rath Namens Gärtner v. Grüneck gestanden, der schon unter der ersten
Gemahlin des Herzogs Wilhelm Heinrich wegen Abschließung der Ehepacten
aus dem Jdstein'schen Dienste nach Eisenach gekommen und in unwandelbarer
Treue bis zur höchsten Stelle des Fürstenhauses emporgestiegen war. Er
war, wenngleich alt. "noch eine tüchtige Arbeitskraft". Seine geschäftliche
Sphäre läßt sich genau mit der eines Departementschefs für Justiz und Cultus
in unsern Tagen vergleichen. Man hätte glauben sollen, daß Ernst August
an der Hand eines alt bewährten Dieners ruhig den Schwierigkeiten entgegen
gegangen wäre, auch wenn sie ihm noch so groß erschienen. Aber unberechen¬
bar wie er war, offenbar kleinlichen Einflüsterungen Gehör schenkend, hatte
er bereits im Frühjahre des Jahres 1741, wo noch Niemand das Ableben
des Eisenacher Herzogs ahnen konnte, in geheimer Abmachung mit dem
Obristlieutenant v. Reineck, die sofortige Gefangennahme Gärtner's beim Ab¬
leben des Herzogs verfügt. Als dieser die Augen geschlossen, rückte Reineck
unter Bedeckung hinlänglicher, "weißbeharter Soldaten", -- denn nur die
Schwarzköpfe durften Cavalleristen sein, in die Wohnung Gärtner's ein,
schleppte ihn in ein angemessenes Zimmer des Schlosses, wo er in Gelassen¬
heit sich der Lecture eines Buches hingab, während die Wohnung unter
Entfernung seiner Familie versiegelt wurde. --

Die sofortige Meldung von Gärtner's Jnternirung ging nach Ilmenau,
wo sich Ernst August aufhielt, ab. Glücklicher Weise hatte Gärtner Zeit ge-
funden, den Herzog Ernst August in einem verbindlichen Schreiben als
nunmehrigen Landesherrn zu begrüßen, welches ganz geeignet erschien, die
vorgefaßte Meinung gegen den alten Geheimen Rath in etwas zu modifteiren.
Freilich läßt sich in Mangel gründlicher Nachrichten nicht fest stellen, ob die
am 27. Juli dictirte Aufhebung des Gärtner'schen Arrestes eine Folge des
Briefes war, oder ob sie aus freier Entschließung hervorgegangen. Genug,
Gärtner wurde "sofort" auf freien Fuß gestellt, nachdem er vor Notar und
Zeugen einen von Ernst August vorgeschriebenen uns unbekannten Eid ge¬
leistet hatte. Nur im Falle der Weigerung desselben erhielt Obristlieutenant
v. Reineck den gemessenen Befehl, den Geheimen Rath sofort wieder beizu¬
stecken und alle seine Habe von Neuem zu versiegeln.

Von nun an entwickelt sich zwischen beiden Theilen ein an komischen
Momenten aber auch an düstern Streiflichtern für die gesammten Zustände
des Eisenacher Landes reicher Briefwechsel. Gärtner hatte trotz des für ihn
beschämenden Arrestes seine Dienste dem neuen Landesherrn angeboten, und
diesen seiner unwandelbaren Treue gegen das angestammte Fürstenhaus um
so mehr versichern zu müssen geglaubt, als ihm selbst die Zustände des
Landes unerträglich und der dringenden Abhülfe bedürftig erschienen.


Landes hatte neben dem Kammerdireetor v. Herda lange Jahre hindurch ein
Geh. Rath Namens Gärtner v. Grüneck gestanden, der schon unter der ersten
Gemahlin des Herzogs Wilhelm Heinrich wegen Abschließung der Ehepacten
aus dem Jdstein'schen Dienste nach Eisenach gekommen und in unwandelbarer
Treue bis zur höchsten Stelle des Fürstenhauses emporgestiegen war. Er
war, wenngleich alt. „noch eine tüchtige Arbeitskraft". Seine geschäftliche
Sphäre läßt sich genau mit der eines Departementschefs für Justiz und Cultus
in unsern Tagen vergleichen. Man hätte glauben sollen, daß Ernst August
an der Hand eines alt bewährten Dieners ruhig den Schwierigkeiten entgegen
gegangen wäre, auch wenn sie ihm noch so groß erschienen. Aber unberechen¬
bar wie er war, offenbar kleinlichen Einflüsterungen Gehör schenkend, hatte
er bereits im Frühjahre des Jahres 1741, wo noch Niemand das Ableben
des Eisenacher Herzogs ahnen konnte, in geheimer Abmachung mit dem
Obristlieutenant v. Reineck, die sofortige Gefangennahme Gärtner's beim Ab¬
leben des Herzogs verfügt. Als dieser die Augen geschlossen, rückte Reineck
unter Bedeckung hinlänglicher, „weißbeharter Soldaten", — denn nur die
Schwarzköpfe durften Cavalleristen sein, in die Wohnung Gärtner's ein,
schleppte ihn in ein angemessenes Zimmer des Schlosses, wo er in Gelassen¬
heit sich der Lecture eines Buches hingab, während die Wohnung unter
Entfernung seiner Familie versiegelt wurde. —

Die sofortige Meldung von Gärtner's Jnternirung ging nach Ilmenau,
wo sich Ernst August aufhielt, ab. Glücklicher Weise hatte Gärtner Zeit ge-
funden, den Herzog Ernst August in einem verbindlichen Schreiben als
nunmehrigen Landesherrn zu begrüßen, welches ganz geeignet erschien, die
vorgefaßte Meinung gegen den alten Geheimen Rath in etwas zu modifteiren.
Freilich läßt sich in Mangel gründlicher Nachrichten nicht fest stellen, ob die
am 27. Juli dictirte Aufhebung des Gärtner'schen Arrestes eine Folge des
Briefes war, oder ob sie aus freier Entschließung hervorgegangen. Genug,
Gärtner wurde „sofort" auf freien Fuß gestellt, nachdem er vor Notar und
Zeugen einen von Ernst August vorgeschriebenen uns unbekannten Eid ge¬
leistet hatte. Nur im Falle der Weigerung desselben erhielt Obristlieutenant
v. Reineck den gemessenen Befehl, den Geheimen Rath sofort wieder beizu¬
stecken und alle seine Habe von Neuem zu versiegeln.

Von nun an entwickelt sich zwischen beiden Theilen ein an komischen
Momenten aber auch an düstern Streiflichtern für die gesammten Zustände
des Eisenacher Landes reicher Briefwechsel. Gärtner hatte trotz des für ihn
beschämenden Arrestes seine Dienste dem neuen Landesherrn angeboten, und
diesen seiner unwandelbaren Treue gegen das angestammte Fürstenhaus um
so mehr versichern zu müssen geglaubt, als ihm selbst die Zustände des
Landes unerträglich und der dringenden Abhülfe bedürftig erschienen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/490>, abgerufen am 02.10.2024.