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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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despotische Gewalt über alle Collegien und Aemter, er war der Schöpfer des
Stellenverkaufs, dem selbstverständlich die Aussaugung der Unterthanen folgte,
da die zum Theil hohen Summen durch das Sportuliren in möglichst kurzer
Zeit aufgebracht wurden. Durch eine längere Reihe von Briefen ging das
Namensverzeichniß der Stellenkäufer, auch Ebel's Tochtermann zahlte für
die Stelle eines Kammersecretärs 1500 Thaler und selbst v. Gärtner mußte
eingestehen, daß er seinen Sohn um das billige Geld von 500 Thalern in
die Eisenacher Regierung gebracht habe. -- Neben der Uebersetzung waren
dann wieder eine Reihe von wichtigen Stellen unbesetzt, deren Ausfüllung
nach Ebel's Tode die finanzielle Verlegenheit nicht gestattete. Wie bei solcher
Wirthschaft die Competenzen der Behörden verrückt, die Einnahmen der Kam¬
mer und der natürlich stets bevorzugten Schatulle in völlige Unklarheit ge-
riethen. ist leicht zu erklären. Um das Maß voll zu machen, wurde auch die
öffentliche Lotterie zum Erwerb der Schatulle benutzt, da man die Beamten
zum Spiel durch Besoldungsabzüge nöthigte, aber die Gewinnste nie ausbe¬
zahlen ließ. Der Ruhm Eisenachs, dem eine Masse von Processen erwuchs,
war bereits weit über die engen Grenzen des Landes hinausgetragen.

Nicht viel anders sah es in den geistlichen Stellen des Landes aus. In
Jena, wo auch der Stadtrath so zahlreich war, daß man nach Ernst August's
Aeußerung hätte eine Compagnie daraus formiren können, war trotz der
Uebersetzung der Stellen, das geistliche Ministerium unbrauchbar, nach Gärt¬
ner's Versicherung nichts weniger als faul und commode. Zwar gehen sie alle
zur Kirche, sagte er, aber während der Predigt laufen sie nach Hause, trinken
Kaffee, rauchen ihre Pfeif Tabak und kommen zurück, wenn die Collecte ge¬
sungen wird. Die Predigt tragen sie in Mangel an Lust einem jungen Stu¬
dioso auf; und bei all dem ist der Gotteskasten so verwahrlost, daß die
Geistlichen selbst ihre Besoldung nicht mehr richtig erhalten können.

Wie Ernst August diesem Unwesen steuern wollte, darüber befand er sich
in keinerlei Verlegenheit. Ich werde mir ganz allein vorbehalten, schrieb er, -
wer künftig noch im Dienste bleiben soll; aber Besoldungen werden über¬
haupt von jetzt an nicht mehr ausbezahlt. Der Kammerdirector
v. Herda erhielt eine Verfügung, daß er bei einer Conventionalstrafe von
6000 Thalern Niemandem einen Pfennig verabreichen sollte. Selbst der Geh.
Rath v. Gärtner war von dieser Maßregel betroffen, aber die dringlichsten
Vorstellungen fruchteten nichts. Ernst August beantwortete alle seine An¬
träge; nur über die Besoldungsfrage ging er hinweg. Nimmt man nun
hinzu, daß einzelnen Beamten noch aus der Zeit der alten Regierung
die nöthige Besoldung rückständig war und selbst der Geh. Rath v. Gärtner
zugestandener Maßen einen Steuerrest von 500 Thalern bei der Rentkammer,
die sich auf Geheiß des verstorbenen Herzogs in Geduld zu fassen hatte, ver-


despotische Gewalt über alle Collegien und Aemter, er war der Schöpfer des
Stellenverkaufs, dem selbstverständlich die Aussaugung der Unterthanen folgte,
da die zum Theil hohen Summen durch das Sportuliren in möglichst kurzer
Zeit aufgebracht wurden. Durch eine längere Reihe von Briefen ging das
Namensverzeichniß der Stellenkäufer, auch Ebel's Tochtermann zahlte für
die Stelle eines Kammersecretärs 1500 Thaler und selbst v. Gärtner mußte
eingestehen, daß er seinen Sohn um das billige Geld von 500 Thalern in
die Eisenacher Regierung gebracht habe. — Neben der Uebersetzung waren
dann wieder eine Reihe von wichtigen Stellen unbesetzt, deren Ausfüllung
nach Ebel's Tode die finanzielle Verlegenheit nicht gestattete. Wie bei solcher
Wirthschaft die Competenzen der Behörden verrückt, die Einnahmen der Kam¬
mer und der natürlich stets bevorzugten Schatulle in völlige Unklarheit ge-
riethen. ist leicht zu erklären. Um das Maß voll zu machen, wurde auch die
öffentliche Lotterie zum Erwerb der Schatulle benutzt, da man die Beamten
zum Spiel durch Besoldungsabzüge nöthigte, aber die Gewinnste nie ausbe¬
zahlen ließ. Der Ruhm Eisenachs, dem eine Masse von Processen erwuchs,
war bereits weit über die engen Grenzen des Landes hinausgetragen.

Nicht viel anders sah es in den geistlichen Stellen des Landes aus. In
Jena, wo auch der Stadtrath so zahlreich war, daß man nach Ernst August's
Aeußerung hätte eine Compagnie daraus formiren können, war trotz der
Uebersetzung der Stellen, das geistliche Ministerium unbrauchbar, nach Gärt¬
ner's Versicherung nichts weniger als faul und commode. Zwar gehen sie alle
zur Kirche, sagte er, aber während der Predigt laufen sie nach Hause, trinken
Kaffee, rauchen ihre Pfeif Tabak und kommen zurück, wenn die Collecte ge¬
sungen wird. Die Predigt tragen sie in Mangel an Lust einem jungen Stu¬
dioso auf; und bei all dem ist der Gotteskasten so verwahrlost, daß die
Geistlichen selbst ihre Besoldung nicht mehr richtig erhalten können.

Wie Ernst August diesem Unwesen steuern wollte, darüber befand er sich
in keinerlei Verlegenheit. Ich werde mir ganz allein vorbehalten, schrieb er, -
wer künftig noch im Dienste bleiben soll; aber Besoldungen werden über¬
haupt von jetzt an nicht mehr ausbezahlt. Der Kammerdirector
v. Herda erhielt eine Verfügung, daß er bei einer Conventionalstrafe von
6000 Thalern Niemandem einen Pfennig verabreichen sollte. Selbst der Geh.
Rath v. Gärtner war von dieser Maßregel betroffen, aber die dringlichsten
Vorstellungen fruchteten nichts. Ernst August beantwortete alle seine An¬
träge; nur über die Besoldungsfrage ging er hinweg. Nimmt man nun
hinzu, daß einzelnen Beamten noch aus der Zeit der alten Regierung
die nöthige Besoldung rückständig war und selbst der Geh. Rath v. Gärtner
zugestandener Maßen einen Steuerrest von 500 Thalern bei der Rentkammer,
die sich auf Geheiß des verstorbenen Herzogs in Geduld zu fassen hatte, ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/492>, abgerufen am 27.09.2024.