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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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einen aus der Provinzialversammlung hervorgehenden Provinzialausschuß, der
unter sich als technischen Beamten einen sogenannten Landesdirector hat.
Die Provinzialversammlung wählt ferner ein Provinzialrathscollegiurn und
so viel Bezirksrathscollegien, als in der Provinz Regierungsbezirke sind.
Diese beiden Collegien stehen der Bezirksrath den Regierungspräsidenten, der
Provinzialrath den Oberpräsidenten für Verwaltungsbeschlußsachen zur Seite,
Für die Verwaltungsstreitsachen sind in den Regierungsbezirken Bezirksver¬
waltungsgerichte geschaffen, über welchen als Centraltnstanz das Oberver¬
waltungsgericht steht.

Den Wirkungskreis aller dieser Organe unternimmt nun das neue
Competenzgesetz zu regeln. Wir heben aus der ersten Berathung nur zwei
Punkte hervor. Zuerst die sehr berechtigte Klage, des Abg. Manteuffel von
der altconservativen Partei über die unnöthige Jnstanzenmenge. Zweitens
die Klage des Abg. Laster, daß der Provinzialrath zu einer bloßen Durch¬
gangsinstanz ohne Wirkungskreis für den ersten Angriff geworden. Er tadelte
dies von seinem Standpunkt, weil die Bezirksregierungen und mit ihnen die
Bezirksrechte ja als nur einstweilen fortbestehende Einrichtung anzusehen seien.
Es ist richtig: von den Mittelinstanzen zwischen Kreis und Staatscentrum ist
eine überflüssig. Aber der Abg. Laster ist auf ganz falschem Wege, wenn
er als zu beseitigende Instanz diejenige des Regierungsbezirks ansieht. Viel¬
mehr die jetzige Provinzialinstanz ist zu beseitigen. Im vorigen Jahr ist an
dieser Stelle oft genug ausgeführt worden, daß die großen Provinzen zer¬
kleinert werden müssen. -- Andere Klagen gegen den Entwurf des Competenz-
gesetzes, die schon bei der ersten Berathung hervortraten, werden erst bei der
zweiten Berathung gründlich erörtert und dann von uns beleuchtet werden.
Das Gesetz wurde einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Am 7. März wurde das Gesetz über die Geschäftssprache der Behörden
und politischen Körperschaften ebenfalls einer Commission von 21 Mitgliedern
überwiesen. Es handelt sich in diesem Gesetz wesentlich um die Beseitigung
der polnischen Sprache aus dem Amtsgebrauch. Man kann denken, daß der
heftige Protest der polnischen Abgeordneten schon bei der ersten Berathung
nicht fehlte. Wenn der Abg. Heinrich v. Sybel den Polen entgegenhielt, daß
die Aufgabe der polnischen Bevölkerung doch nicht bloß im Prozessiren bestehe
und daß folglich die Einführung der deutschen Gerichtssprache dem Leben der
polnischen Sprache keinen Eintrag thun könne, so kommen doch noch andere
Dinge in Betracht. Wenn jemals die Kreisordnung in Posen eingeführt
werden soll, so müßte nach dem jetzt vorliegenden Gesetz auf allen Kreistagen
deutsch gesprochen werden, auch wenn alle Mitglieder polnischer Abstammung
sind. Ob hier nicht doch mildernde Bestimmungen angezeigt wären, wollen
wir bei der zweiten Berathung untersuchen.


einen aus der Provinzialversammlung hervorgehenden Provinzialausschuß, der
unter sich als technischen Beamten einen sogenannten Landesdirector hat.
Die Provinzialversammlung wählt ferner ein Provinzialrathscollegiurn und
so viel Bezirksrathscollegien, als in der Provinz Regierungsbezirke sind.
Diese beiden Collegien stehen der Bezirksrath den Regierungspräsidenten, der
Provinzialrath den Oberpräsidenten für Verwaltungsbeschlußsachen zur Seite,
Für die Verwaltungsstreitsachen sind in den Regierungsbezirken Bezirksver¬
waltungsgerichte geschaffen, über welchen als Centraltnstanz das Oberver¬
waltungsgericht steht.

Den Wirkungskreis aller dieser Organe unternimmt nun das neue
Competenzgesetz zu regeln. Wir heben aus der ersten Berathung nur zwei
Punkte hervor. Zuerst die sehr berechtigte Klage, des Abg. Manteuffel von
der altconservativen Partei über die unnöthige Jnstanzenmenge. Zweitens
die Klage des Abg. Laster, daß der Provinzialrath zu einer bloßen Durch¬
gangsinstanz ohne Wirkungskreis für den ersten Angriff geworden. Er tadelte
dies von seinem Standpunkt, weil die Bezirksregierungen und mit ihnen die
Bezirksrechte ja als nur einstweilen fortbestehende Einrichtung anzusehen seien.
Es ist richtig: von den Mittelinstanzen zwischen Kreis und Staatscentrum ist
eine überflüssig. Aber der Abg. Laster ist auf ganz falschem Wege, wenn
er als zu beseitigende Instanz diejenige des Regierungsbezirks ansieht. Viel¬
mehr die jetzige Provinzialinstanz ist zu beseitigen. Im vorigen Jahr ist an
dieser Stelle oft genug ausgeführt worden, daß die großen Provinzen zer¬
kleinert werden müssen. — Andere Klagen gegen den Entwurf des Competenz-
gesetzes, die schon bei der ersten Berathung hervortraten, werden erst bei der
zweiten Berathung gründlich erörtert und dann von uns beleuchtet werden.
Das Gesetz wurde einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Am 7. März wurde das Gesetz über die Geschäftssprache der Behörden
und politischen Körperschaften ebenfalls einer Commission von 21 Mitgliedern
überwiesen. Es handelt sich in diesem Gesetz wesentlich um die Beseitigung
der polnischen Sprache aus dem Amtsgebrauch. Man kann denken, daß der
heftige Protest der polnischen Abgeordneten schon bei der ersten Berathung
nicht fehlte. Wenn der Abg. Heinrich v. Sybel den Polen entgegenhielt, daß
die Aufgabe der polnischen Bevölkerung doch nicht bloß im Prozessiren bestehe
und daß folglich die Einführung der deutschen Gerichtssprache dem Leben der
polnischen Sprache keinen Eintrag thun könne, so kommen doch noch andere
Dinge in Betracht. Wenn jemals die Kreisordnung in Posen eingeführt
werden soll, so müßte nach dem jetzt vorliegenden Gesetz auf allen Kreistagen
deutsch gesprochen werden, auch wenn alle Mitglieder polnischer Abstammung
sind. Ob hier nicht doch mildernde Bestimmungen angezeigt wären, wollen
wir bei der zweiten Berathung untersuchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/482>, abgerufen am 02.07.2024.