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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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werbliche Einkommen und überhaupt das Einkommen aus beweglichen Werthen
zur Einkommensteuer so heranzuziehen, daß der Antheil des Grundbesitzes
nicht unverhältnißmäßig hoch ausfällt, wird sich finden lassen, ohne das bar¬
barische Mittel der Selbstdeclaration des Einkommens oder der sogenannten
Passion, welches nicht ganz mit Unrecht in seinem Erfolge als die obliga¬
torische Einführung des Meineides bezeichnet worden ist.

Es kam darauf an, den Krieg, welchen die alteonservative Partei gegen
den Finanzminister führt, einmal in seinen Beweggründen darzulegen. Die
Partei hofft, den Finanzminister, sei es durch die Entziehung der Seehandlung,
sei es durch ein anderes Mittel, zu stürzen, um dafür einen andern Finanz¬
minister zu bekommen, der den Grundbesitz durch Einführung indirekter Steuern
oder durch sonst ein Mittel entlastet.

Am 4. März stand zur ersten Lesung das Gesetz über die Zuständigkeit
der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte im Geltungsbereiche
der Provinzialordnung von 1875. Es pflegt dieses Gesetz, dessen Titel etwas
lang, kürzer als Competenzgesetz bezeichnet zu werden. Es handelt sich darin
nämlich um die Abgrenzung des Wirkungskreises aller jener zahlreichen Be¬
hörden, welche die Provinzialordnung von 1875 geschaffen hat. Diejenigen
Leser, welche der preußischen Verwaltungsreform folgen, erinnern sich wohl,
wie in diesen Landtagsbriefen die Schwerfälligkeit und Umständlichkeit, welche
in den Verwaltungsgang durch die Provinzialordnung von 1876 kommt, mit
großer Schärfe beleuchtet worden ist. Es sei jetzt nur an folgende Punkte
erinnert. Die Kreisordnung von 1873 hat aus dem alten preußischen Kreis
mit seinen Landgemeinden, Rittergütern. Kreisstädten und dem Landrath als
Spitze des Kreises, dem ein sehr einseitig gebildeter Kreistag mit beschränkten
Befugnissen zur Seite stand, eine wirkliche Kreisgemeinde geschaffen. In den
Landgemeinden ist das Erbschulzenamt oder die Ernennung der Gemeinde¬
obrigkeit durch den Inhaber des Rittergutes aufgehoben. Der Kreis besteht
nunmehr aus selbständigen Landgemeinden, selbständigen Gutsbezirken und
aus den Kreisstädten. Unter dem Namen Amtsbezirke hat man Land¬
gemeinden und Gutsbezirke zu Polizeibezirken vereinigt, an deren Spitze ein
Amtsvorsteher steht. Der Kreistag wird anders gebildet, als bisher, und übt
wesentlich erweiterte Befugnisse. Dem Landtag ist ein aus dem Kreistag von
dem letzteren gewählter Kreisausschuß an die Seite gestellt mit dem doppelten
Wirkungskreis einer collegialischen Verwaltungsbehörde und eines Verwaltungs¬
gerichtes erster Instanz.

Die Provinzialordnung von 1875 hat nun die höheren Verwaltungsstufen
folgendermaßen organisirt. Die Provinzialversammlung geht aus den Kreis¬
tagen durch deren Wahl hervor. Die Verwaltung des Provinzialeigenthums
zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt unter Aufsicht des Oberpräsidenten durch


Grenzl'öden I. 187<i. 60

werbliche Einkommen und überhaupt das Einkommen aus beweglichen Werthen
zur Einkommensteuer so heranzuziehen, daß der Antheil des Grundbesitzes
nicht unverhältnißmäßig hoch ausfällt, wird sich finden lassen, ohne das bar¬
barische Mittel der Selbstdeclaration des Einkommens oder der sogenannten
Passion, welches nicht ganz mit Unrecht in seinem Erfolge als die obliga¬
torische Einführung des Meineides bezeichnet worden ist.

Es kam darauf an, den Krieg, welchen die alteonservative Partei gegen
den Finanzminister führt, einmal in seinen Beweggründen darzulegen. Die
Partei hofft, den Finanzminister, sei es durch die Entziehung der Seehandlung,
sei es durch ein anderes Mittel, zu stürzen, um dafür einen andern Finanz¬
minister zu bekommen, der den Grundbesitz durch Einführung indirekter Steuern
oder durch sonst ein Mittel entlastet.

Am 4. März stand zur ersten Lesung das Gesetz über die Zuständigkeit
der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte im Geltungsbereiche
der Provinzialordnung von 1875. Es pflegt dieses Gesetz, dessen Titel etwas
lang, kürzer als Competenzgesetz bezeichnet zu werden. Es handelt sich darin
nämlich um die Abgrenzung des Wirkungskreises aller jener zahlreichen Be¬
hörden, welche die Provinzialordnung von 1875 geschaffen hat. Diejenigen
Leser, welche der preußischen Verwaltungsreform folgen, erinnern sich wohl,
wie in diesen Landtagsbriefen die Schwerfälligkeit und Umständlichkeit, welche
in den Verwaltungsgang durch die Provinzialordnung von 1876 kommt, mit
großer Schärfe beleuchtet worden ist. Es sei jetzt nur an folgende Punkte
erinnert. Die Kreisordnung von 1873 hat aus dem alten preußischen Kreis
mit seinen Landgemeinden, Rittergütern. Kreisstädten und dem Landrath als
Spitze des Kreises, dem ein sehr einseitig gebildeter Kreistag mit beschränkten
Befugnissen zur Seite stand, eine wirkliche Kreisgemeinde geschaffen. In den
Landgemeinden ist das Erbschulzenamt oder die Ernennung der Gemeinde¬
obrigkeit durch den Inhaber des Rittergutes aufgehoben. Der Kreis besteht
nunmehr aus selbständigen Landgemeinden, selbständigen Gutsbezirken und
aus den Kreisstädten. Unter dem Namen Amtsbezirke hat man Land¬
gemeinden und Gutsbezirke zu Polizeibezirken vereinigt, an deren Spitze ein
Amtsvorsteher steht. Der Kreistag wird anders gebildet, als bisher, und übt
wesentlich erweiterte Befugnisse. Dem Landtag ist ein aus dem Kreistag von
dem letzteren gewählter Kreisausschuß an die Seite gestellt mit dem doppelten
Wirkungskreis einer collegialischen Verwaltungsbehörde und eines Verwaltungs¬
gerichtes erster Instanz.

Die Provinzialordnung von 1875 hat nun die höheren Verwaltungsstufen
folgendermaßen organisirt. Die Provinzialversammlung geht aus den Kreis¬
tagen durch deren Wahl hervor. Die Verwaltung des Provinzialeigenthums
zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt unter Aufsicht des Oberpräsidenten durch


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[0481] werbliche Einkommen und überhaupt das Einkommen aus beweglichen Werthen zur Einkommensteuer so heranzuziehen, daß der Antheil des Grundbesitzes nicht unverhältnißmäßig hoch ausfällt, wird sich finden lassen, ohne das bar¬ barische Mittel der Selbstdeclaration des Einkommens oder der sogenannten Passion, welches nicht ganz mit Unrecht in seinem Erfolge als die obliga¬ torische Einführung des Meineides bezeichnet worden ist. Es kam darauf an, den Krieg, welchen die alteonservative Partei gegen den Finanzminister führt, einmal in seinen Beweggründen darzulegen. Die Partei hofft, den Finanzminister, sei es durch die Entziehung der Seehandlung, sei es durch ein anderes Mittel, zu stürzen, um dafür einen andern Finanz¬ minister zu bekommen, der den Grundbesitz durch Einführung indirekter Steuern oder durch sonst ein Mittel entlastet. Am 4. März stand zur ersten Lesung das Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte im Geltungsbereiche der Provinzialordnung von 1875. Es pflegt dieses Gesetz, dessen Titel etwas lang, kürzer als Competenzgesetz bezeichnet zu werden. Es handelt sich darin nämlich um die Abgrenzung des Wirkungskreises aller jener zahlreichen Be¬ hörden, welche die Provinzialordnung von 1875 geschaffen hat. Diejenigen Leser, welche der preußischen Verwaltungsreform folgen, erinnern sich wohl, wie in diesen Landtagsbriefen die Schwerfälligkeit und Umständlichkeit, welche in den Verwaltungsgang durch die Provinzialordnung von 1876 kommt, mit großer Schärfe beleuchtet worden ist. Es sei jetzt nur an folgende Punkte erinnert. Die Kreisordnung von 1873 hat aus dem alten preußischen Kreis mit seinen Landgemeinden, Rittergütern. Kreisstädten und dem Landrath als Spitze des Kreises, dem ein sehr einseitig gebildeter Kreistag mit beschränkten Befugnissen zur Seite stand, eine wirkliche Kreisgemeinde geschaffen. In den Landgemeinden ist das Erbschulzenamt oder die Ernennung der Gemeinde¬ obrigkeit durch den Inhaber des Rittergutes aufgehoben. Der Kreis besteht nunmehr aus selbständigen Landgemeinden, selbständigen Gutsbezirken und aus den Kreisstädten. Unter dem Namen Amtsbezirke hat man Land¬ gemeinden und Gutsbezirke zu Polizeibezirken vereinigt, an deren Spitze ein Amtsvorsteher steht. Der Kreistag wird anders gebildet, als bisher, und übt wesentlich erweiterte Befugnisse. Dem Landtag ist ein aus dem Kreistag von dem letzteren gewählter Kreisausschuß an die Seite gestellt mit dem doppelten Wirkungskreis einer collegialischen Verwaltungsbehörde und eines Verwaltungs¬ gerichtes erster Instanz. Die Provinzialordnung von 1875 hat nun die höheren Verwaltungsstufen folgendermaßen organisirt. Die Provinzialversammlung geht aus den Kreis¬ tagen durch deren Wahl hervor. Die Verwaltung des Provinzialeigenthums zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt unter Aufsicht des Oberpräsidenten durch Grenzl'öden I. 187<i. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/481>, abgerufen am 03.07.2024.