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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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vielmehr die Tadellosigkeit nur auf die Gesetzlichkeit des eingeschlagenen Ver¬
fahrens, nicht aber auf die Uebereinstimmung mit den Grundsätzen guter
Finanzverwaltung beziehen. Sie wurden in dem Versuch dieser Einschränkung
durch das Centrum unterstützt, ohne mit dem Versuch durchzuringen.

Am 2. März wiederholte sich in einer sehr eigenthümlichen Weise der
am Montag abgeschlagene Angriff der Alteonservativen und des Centrums auf
die Finanzverwaltung, in Wahrheit also auf den Finanzminister. Zur Berathung
standen die Ausgaben und Einnahmen der Seehandlung. Mit diesem Institut
hat es bekanntlich folgende Bewandniß. Dasselbe, ursprünglich zur Erweckung
einheimischer Industriezweige und zur Anknüpfung überseeischer Handelsver¬
bindungen gegründet, von welchem Zweck es den Namen trägt, hat sich nach
und nach in ein Bankinstitut verwandelt, und als solches dem Staat die
allerersprießlichsten Dienste geleistet. Der Fortschrittspartei ist das Institut
längst ein Dorn im Auge, weil es nicht wenig beigetragen, in der Conflictszeit,
als der Landtag außer den feststehenden Einnahmen keine neuen bewilligte,
der Regierung erhebliche Credite zu eröffnen. Daher begannen nach der Be¬
endigung des Conflicts die Anträge der Fortschrittspartei auf Auflösung der
Seehandlung. Die großen Aufgaben, welche den preußischen Finanzen nach
dem französischen Krieg erwuchsen, ertheilten aber wiederum der Seehandlung
große und nützliche Functionen. Da kommt nun, anscheinend ganz plötzlich,
der Antrag auf Auflösung der Seehandlung von den Alteonservativen und
vom Centrum. Es ist klar, daß man von diesen Seiten der Person des
Finanzministers wett mehr zu Leibe will, als dem Grundsatz, daß ein großes,
der Finanzverwaltung untergebenes und doch rechtlich nicht anders beschränktes
Bank-Institut besteht, als jedes Privatbankgeschäft. So ergab sich denn das
seltsame Schauspiel, daß die Fortschrittspartei dem Ftnanzminister gegen den
diesmaligen Angriff auf die Seehandlung seeundirte. Der Antrag auf Be¬
seitigung der Seehandlung, der in verschiedenen Formen gestellt war, fand
nicht die Zustimmung des Hauses. Wir müssen hinzufügen, daß unter den
diesmaligen Gegnern der Seehandlung auch ein Theil der Freiconservativen
sich befand. Ein hervorragendes Mitglied der Fraction, der Abg. Nasse, war
sogar der erste Befürworter des Angriffs. Bei diesem verdienten Lehrer der
Volkswirthschaft entsprang die Gegnerschaft nun allerdings keinesfalls aus
Animosität gegen den Finanzminister, sondern aus den herkömmlichen doktri¬
nären Bedenken gegen jede Art von Staatsgewerbebetrieb. Es kommt darauf
an, dem abgeschlagenen Angriff gegenüber das richtige Urtheil zu finden. Zu
diesem Zwecke müssen die Motive genau unterschieden werden. Nehmen wir
zuerst das freie doktrinäre Motiv. Man sagt, der Staat soll zu seinen Geld¬
geschäften die Neichsbank benutzen, soweit er bankmäßiger Unterstützung be¬
darf. Man setzt wohl hinzu, daß außer Preußen ein Institut, wie die See-


vielmehr die Tadellosigkeit nur auf die Gesetzlichkeit des eingeschlagenen Ver¬
fahrens, nicht aber auf die Uebereinstimmung mit den Grundsätzen guter
Finanzverwaltung beziehen. Sie wurden in dem Versuch dieser Einschränkung
durch das Centrum unterstützt, ohne mit dem Versuch durchzuringen.

Am 2. März wiederholte sich in einer sehr eigenthümlichen Weise der
am Montag abgeschlagene Angriff der Alteonservativen und des Centrums auf
die Finanzverwaltung, in Wahrheit also auf den Finanzminister. Zur Berathung
standen die Ausgaben und Einnahmen der Seehandlung. Mit diesem Institut
hat es bekanntlich folgende Bewandniß. Dasselbe, ursprünglich zur Erweckung
einheimischer Industriezweige und zur Anknüpfung überseeischer Handelsver¬
bindungen gegründet, von welchem Zweck es den Namen trägt, hat sich nach
und nach in ein Bankinstitut verwandelt, und als solches dem Staat die
allerersprießlichsten Dienste geleistet. Der Fortschrittspartei ist das Institut
längst ein Dorn im Auge, weil es nicht wenig beigetragen, in der Conflictszeit,
als der Landtag außer den feststehenden Einnahmen keine neuen bewilligte,
der Regierung erhebliche Credite zu eröffnen. Daher begannen nach der Be¬
endigung des Conflicts die Anträge der Fortschrittspartei auf Auflösung der
Seehandlung. Die großen Aufgaben, welche den preußischen Finanzen nach
dem französischen Krieg erwuchsen, ertheilten aber wiederum der Seehandlung
große und nützliche Functionen. Da kommt nun, anscheinend ganz plötzlich,
der Antrag auf Auflösung der Seehandlung von den Alteonservativen und
vom Centrum. Es ist klar, daß man von diesen Seiten der Person des
Finanzministers wett mehr zu Leibe will, als dem Grundsatz, daß ein großes,
der Finanzverwaltung untergebenes und doch rechtlich nicht anders beschränktes
Bank-Institut besteht, als jedes Privatbankgeschäft. So ergab sich denn das
seltsame Schauspiel, daß die Fortschrittspartei dem Ftnanzminister gegen den
diesmaligen Angriff auf die Seehandlung seeundirte. Der Antrag auf Be¬
seitigung der Seehandlung, der in verschiedenen Formen gestellt war, fand
nicht die Zustimmung des Hauses. Wir müssen hinzufügen, daß unter den
diesmaligen Gegnern der Seehandlung auch ein Theil der Freiconservativen
sich befand. Ein hervorragendes Mitglied der Fraction, der Abg. Nasse, war
sogar der erste Befürworter des Angriffs. Bei diesem verdienten Lehrer der
Volkswirthschaft entsprang die Gegnerschaft nun allerdings keinesfalls aus
Animosität gegen den Finanzminister, sondern aus den herkömmlichen doktri¬
nären Bedenken gegen jede Art von Staatsgewerbebetrieb. Es kommt darauf
an, dem abgeschlagenen Angriff gegenüber das richtige Urtheil zu finden. Zu
diesem Zwecke müssen die Motive genau unterschieden werden. Nehmen wir
zuerst das freie doktrinäre Motiv. Man sagt, der Staat soll zu seinen Geld¬
geschäften die Neichsbank benutzen, soweit er bankmäßiger Unterstützung be¬
darf. Man setzt wohl hinzu, daß außer Preußen ein Institut, wie die See-


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[0479] vielmehr die Tadellosigkeit nur auf die Gesetzlichkeit des eingeschlagenen Ver¬ fahrens, nicht aber auf die Uebereinstimmung mit den Grundsätzen guter Finanzverwaltung beziehen. Sie wurden in dem Versuch dieser Einschränkung durch das Centrum unterstützt, ohne mit dem Versuch durchzuringen. Am 2. März wiederholte sich in einer sehr eigenthümlichen Weise der am Montag abgeschlagene Angriff der Alteonservativen und des Centrums auf die Finanzverwaltung, in Wahrheit also auf den Finanzminister. Zur Berathung standen die Ausgaben und Einnahmen der Seehandlung. Mit diesem Institut hat es bekanntlich folgende Bewandniß. Dasselbe, ursprünglich zur Erweckung einheimischer Industriezweige und zur Anknüpfung überseeischer Handelsver¬ bindungen gegründet, von welchem Zweck es den Namen trägt, hat sich nach und nach in ein Bankinstitut verwandelt, und als solches dem Staat die allerersprießlichsten Dienste geleistet. Der Fortschrittspartei ist das Institut längst ein Dorn im Auge, weil es nicht wenig beigetragen, in der Conflictszeit, als der Landtag außer den feststehenden Einnahmen keine neuen bewilligte, der Regierung erhebliche Credite zu eröffnen. Daher begannen nach der Be¬ endigung des Conflicts die Anträge der Fortschrittspartei auf Auflösung der Seehandlung. Die großen Aufgaben, welche den preußischen Finanzen nach dem französischen Krieg erwuchsen, ertheilten aber wiederum der Seehandlung große und nützliche Functionen. Da kommt nun, anscheinend ganz plötzlich, der Antrag auf Auflösung der Seehandlung von den Alteonservativen und vom Centrum. Es ist klar, daß man von diesen Seiten der Person des Finanzministers wett mehr zu Leibe will, als dem Grundsatz, daß ein großes, der Finanzverwaltung untergebenes und doch rechtlich nicht anders beschränktes Bank-Institut besteht, als jedes Privatbankgeschäft. So ergab sich denn das seltsame Schauspiel, daß die Fortschrittspartei dem Ftnanzminister gegen den diesmaligen Angriff auf die Seehandlung seeundirte. Der Antrag auf Be¬ seitigung der Seehandlung, der in verschiedenen Formen gestellt war, fand nicht die Zustimmung des Hauses. Wir müssen hinzufügen, daß unter den diesmaligen Gegnern der Seehandlung auch ein Theil der Freiconservativen sich befand. Ein hervorragendes Mitglied der Fraction, der Abg. Nasse, war sogar der erste Befürworter des Angriffs. Bei diesem verdienten Lehrer der Volkswirthschaft entsprang die Gegnerschaft nun allerdings keinesfalls aus Animosität gegen den Finanzminister, sondern aus den herkömmlichen doktri¬ nären Bedenken gegen jede Art von Staatsgewerbebetrieb. Es kommt darauf an, dem abgeschlagenen Angriff gegenüber das richtige Urtheil zu finden. Zu diesem Zwecke müssen die Motive genau unterschieden werden. Nehmen wir zuerst das freie doktrinäre Motiv. Man sagt, der Staat soll zu seinen Geld¬ geschäften die Neichsbank benutzen, soweit er bankmäßiger Unterstützung be¬ darf. Man setzt wohl hinzu, daß außer Preußen ein Institut, wie die See-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/479>, abgerufen am 02.07.2024.