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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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bleibt. Die Anfrage betraf diesmal den Zeitpunkt der Aushebung des kirch¬
lichen Patronats. Der Kultusminister hatte die freilich nicht schwere, nur
leider ganz überflüssige Aufgabe, auszuführen, daß die Aufhebung des kirch¬
lichen Patronats eine Maßnahme ist, welche die Regelung einer großen Zahl
schwieriger und verschiedenartiger Verhältnisse zur Voraussetzung hat. Ent¬
zieht man den Patronen die ihnen bisher zustehenden Rechte, so kann man
offenbar nicht ohne Weiteres die Fortdauer der ihnen bisher obliegenden
Leistungen verlangen. Die Kirchengemeinden würden oftmals das Recht der
Pfarrbesetzung zugleich mit schweren Opfern eintauschen. Da nun diese Ver¬
hältnisse, die fast von Ort zu Ort abweichen, sich nur langsam ermitteln lassen
und da der Weg, die nämlichen Verhältnisse besser zu regeln, noch mehr Zeit
zur Auffindung fordert, so muß man sich mit der Einbringung des Patronat¬
gesetzes die nöthige Zeit lassen, ein Umstand, der aller Welt zum Vortheil
gereicht, dem Landtag, der Regierung und vor allem den betheiligten Gemeinden
und Patronen. Diese Dinge, die auf der Hand liegen, muß der Kultus¬
minister breit ausführen, um einen ungeduldigen Abgeordneten zu beruhigen.
Schade, daß der Abg. nicht veranlaßt werden kann, den Sommer über in
Berlin die Acten über sämmtliche Patronatsverhältnisse durchzustudiren. --
In dem ersten Landtagsbriefe d. I. wurden die Beschwerden erwähnt, welche
durch Mitglieder der altconservativen Partei gegen den Finanzminister erhoben
worden sind, über die Anlegung der für die Provinzialfonds bestimmten
Gelder in Eisenbahnprioritäten. Nachdem diese Prioritäten im Dezember v. I.
überaus niedrig gestanden, stiegen sie plötzlich am 3. Januar d. I., dem Tage,
an welchem die Ausantwortung der Gelder an die Provinzen und zwar nach
dem Tagescours vorausgesetzt wurde. Es war nun der Verdacht ausge¬
sprochen wurden, als habe der Ftnanzminister dieses Steigen veranlaßt.
Dieser Verdacht war inzwischen gegenüber den Referenten über den Theil des
Haushalts, welcher die allgemeine Finanzverwaltung betrifft, völlig widerlegt
worden. Die Verthetlung der für die Provinzialfonds bestimmten Gelder ist
nach den gewählten Anlagepapieren in naturf, erfolgt. Nicht aber sind diese
Papiere nach dem Tagescours berechnet und so als Theile der den Provinzen
zukommenden Summen in Anschlag gebracht worden. Da dies nicht geschehen
ist, so hat der Finanzminister kein Interesse gehabt, den Tagescours steigen
zu sehen, und ebensowenig hat ein solches Interesse bei einem mit der Finanz¬
verwaltung in Verbindung stehenden Institut obwalten können. Die Refe¬
renten des Hauses über den betreffenden Theil des Haushaltes ertheilten
demnach der Finanzverwaltung das Zeugniß völlig tadelfreien Verhaltens,
ein Zeugniß, welchem das Haus beitrat. Die Altconservativen ihrerseits
nahmen Abstand von jedem Versuch, die Finanzverwaltung zu tadeln; aber
sie wollten ihr auch kein Zeugniß correcten Verfahrens geben. Sie wollten


bleibt. Die Anfrage betraf diesmal den Zeitpunkt der Aushebung des kirch¬
lichen Patronats. Der Kultusminister hatte die freilich nicht schwere, nur
leider ganz überflüssige Aufgabe, auszuführen, daß die Aufhebung des kirch¬
lichen Patronats eine Maßnahme ist, welche die Regelung einer großen Zahl
schwieriger und verschiedenartiger Verhältnisse zur Voraussetzung hat. Ent¬
zieht man den Patronen die ihnen bisher zustehenden Rechte, so kann man
offenbar nicht ohne Weiteres die Fortdauer der ihnen bisher obliegenden
Leistungen verlangen. Die Kirchengemeinden würden oftmals das Recht der
Pfarrbesetzung zugleich mit schweren Opfern eintauschen. Da nun diese Ver¬
hältnisse, die fast von Ort zu Ort abweichen, sich nur langsam ermitteln lassen
und da der Weg, die nämlichen Verhältnisse besser zu regeln, noch mehr Zeit
zur Auffindung fordert, so muß man sich mit der Einbringung des Patronat¬
gesetzes die nöthige Zeit lassen, ein Umstand, der aller Welt zum Vortheil
gereicht, dem Landtag, der Regierung und vor allem den betheiligten Gemeinden
und Patronen. Diese Dinge, die auf der Hand liegen, muß der Kultus¬
minister breit ausführen, um einen ungeduldigen Abgeordneten zu beruhigen.
Schade, daß der Abg. nicht veranlaßt werden kann, den Sommer über in
Berlin die Acten über sämmtliche Patronatsverhältnisse durchzustudiren. —
In dem ersten Landtagsbriefe d. I. wurden die Beschwerden erwähnt, welche
durch Mitglieder der altconservativen Partei gegen den Finanzminister erhoben
worden sind, über die Anlegung der für die Provinzialfonds bestimmten
Gelder in Eisenbahnprioritäten. Nachdem diese Prioritäten im Dezember v. I.
überaus niedrig gestanden, stiegen sie plötzlich am 3. Januar d. I., dem Tage,
an welchem die Ausantwortung der Gelder an die Provinzen und zwar nach
dem Tagescours vorausgesetzt wurde. Es war nun der Verdacht ausge¬
sprochen wurden, als habe der Ftnanzminister dieses Steigen veranlaßt.
Dieser Verdacht war inzwischen gegenüber den Referenten über den Theil des
Haushalts, welcher die allgemeine Finanzverwaltung betrifft, völlig widerlegt
worden. Die Verthetlung der für die Provinzialfonds bestimmten Gelder ist
nach den gewählten Anlagepapieren in naturf, erfolgt. Nicht aber sind diese
Papiere nach dem Tagescours berechnet und so als Theile der den Provinzen
zukommenden Summen in Anschlag gebracht worden. Da dies nicht geschehen
ist, so hat der Finanzminister kein Interesse gehabt, den Tagescours steigen
zu sehen, und ebensowenig hat ein solches Interesse bei einem mit der Finanz¬
verwaltung in Verbindung stehenden Institut obwalten können. Die Refe¬
renten des Hauses über den betreffenden Theil des Haushaltes ertheilten
demnach der Finanzverwaltung das Zeugniß völlig tadelfreien Verhaltens,
ein Zeugniß, welchem das Haus beitrat. Die Altconservativen ihrerseits
nahmen Abstand von jedem Versuch, die Finanzverwaltung zu tadeln; aber
sie wollten ihr auch kein Zeugniß correcten Verfahrens geben. Sie wollten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/478>, abgerufen am 01.07.2024.