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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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repertoire von der Tagesordnung abgesetzt, seitdem das Hoflager in die Berg¬
einsamkeit von Hohenschwangau verlegt war und S. Majestät erst zu Weih¬
9?. r. nachten in der Residenz zurückerwartet wurde,




Literatur.
Kleine Schriften von Dr. Mises

Dr. Mises heißt, wie nicht allen Lesern bekannt sein wird, der Professor
Gustav Theodor Fechner in Leipzig, wenn er einen Gegenstand humoristisch
behandelt. Die hier wieder abgedruckten Aufsätze sind also humoristische Be¬
trachtungen, und zwar enthalten sie eine solche Menge guter Einfälle
und origineller Wendungen des Witzes, daß wir den Verfasser zu den liebens¬
würdigsten Schriftstellern seiner Art stellen möchten. Die Titel der einzelnen
Stücke sind fast eben so viele Räthsel, die im Verlauf der Betrachtung in
zierlichster und geistvollster Weise gelöst werden. So. wenn Dr. Mises den
Beweis antritt, daß der Mond aus Jodine (wie man früher für Jod sagte)
besteht. So die komische Abhandlung über Schutzmittel für die Cholera. So
ferner die Reihenfolge allerliebster Einfälle und Schlüsse, die sich "Bergleichende
Anatomie der Engel" nennt und zunächst von der Gestalt, dann von der
Sprache der genannten übermenschlichen Wesen handelt, dann die wichtige
Frage erörtert, ob die (als kugelförmig nachgewiesenen) Engel auch Beine
haben, dann zeigt, daß sie lebendige Planeten sind und uns zuletzt mit ihren
Sinnen bekannt macht. So endlich die vier Paradoxa: "Der Schatten ist
lebendig" -- "Der Raum hat vier Dimensionen" -- "Es giebt Hexerei" --
und: "Die Welt ist nicht durch ein ursprünglich schaffendes, sondern durch
ein ursprünglich zerstörendes Princip entstanden." Höchst ergötzlich sind auch
die Kapitel: "Panegyrikus der jetzigen Medicin", "Warum wird die Wurst
schief angeschnitten?" und "Der Tanz". Endlich enthalten die Urtheile über
ewige Bilder der zweiten Leipziger Kunstausstellung wahre Kabinetsstücke
seiner Ironie. Die Lösung jener räthselartigen Kapitelüberschriften hier
mitzutheilen, wäre unbillig. Die Leser mögen im Buche selbst nachsehen und
sich überraschen lassen. Doch können wir uns nicht versagen, ihnen wenigstens
an einem Beispiele zu zeigen, was sie zu erwarten haben. Es ist der Nach¬
weis, daß die Engel keine Beine haben. Sie sind, wie wir vorausschicken,
Sonnenbewohner und, wie bereits bemerkt, von Kugelgestalt.


repertoire von der Tagesordnung abgesetzt, seitdem das Hoflager in die Berg¬
einsamkeit von Hohenschwangau verlegt war und S. Majestät erst zu Weih¬
9?. r. nachten in der Residenz zurückerwartet wurde,




Literatur.
Kleine Schriften von Dr. Mises

Dr. Mises heißt, wie nicht allen Lesern bekannt sein wird, der Professor
Gustav Theodor Fechner in Leipzig, wenn er einen Gegenstand humoristisch
behandelt. Die hier wieder abgedruckten Aufsätze sind also humoristische Be¬
trachtungen, und zwar enthalten sie eine solche Menge guter Einfälle
und origineller Wendungen des Witzes, daß wir den Verfasser zu den liebens¬
würdigsten Schriftstellern seiner Art stellen möchten. Die Titel der einzelnen
Stücke sind fast eben so viele Räthsel, die im Verlauf der Betrachtung in
zierlichster und geistvollster Weise gelöst werden. So. wenn Dr. Mises den
Beweis antritt, daß der Mond aus Jodine (wie man früher für Jod sagte)
besteht. So die komische Abhandlung über Schutzmittel für die Cholera. So
ferner die Reihenfolge allerliebster Einfälle und Schlüsse, die sich „Bergleichende
Anatomie der Engel" nennt und zunächst von der Gestalt, dann von der
Sprache der genannten übermenschlichen Wesen handelt, dann die wichtige
Frage erörtert, ob die (als kugelförmig nachgewiesenen) Engel auch Beine
haben, dann zeigt, daß sie lebendige Planeten sind und uns zuletzt mit ihren
Sinnen bekannt macht. So endlich die vier Paradoxa: „Der Schatten ist
lebendig" — „Der Raum hat vier Dimensionen" — „Es giebt Hexerei" —
und: „Die Welt ist nicht durch ein ursprünglich schaffendes, sondern durch
ein ursprünglich zerstörendes Princip entstanden." Höchst ergötzlich sind auch
die Kapitel: „Panegyrikus der jetzigen Medicin", „Warum wird die Wurst
schief angeschnitten?" und „Der Tanz". Endlich enthalten die Urtheile über
ewige Bilder der zweiten Leipziger Kunstausstellung wahre Kabinetsstücke
seiner Ironie. Die Lösung jener räthselartigen Kapitelüberschriften hier
mitzutheilen, wäre unbillig. Die Leser mögen im Buche selbst nachsehen und
sich überraschen lassen. Doch können wir uns nicht versagen, ihnen wenigstens
an einem Beispiele zu zeigen, was sie zu erwarten haben. Es ist der Nach¬
weis, daß die Engel keine Beine haben. Sie sind, wie wir vorausschicken,
Sonnenbewohner und, wie bereits bemerkt, von Kugelgestalt.


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[0047] repertoire von der Tagesordnung abgesetzt, seitdem das Hoflager in die Berg¬ einsamkeit von Hohenschwangau verlegt war und S. Majestät erst zu Weih¬ 9?. r. nachten in der Residenz zurückerwartet wurde, Literatur. Kleine Schriften von Dr. Mises Dr. Mises heißt, wie nicht allen Lesern bekannt sein wird, der Professor Gustav Theodor Fechner in Leipzig, wenn er einen Gegenstand humoristisch behandelt. Die hier wieder abgedruckten Aufsätze sind also humoristische Be¬ trachtungen, und zwar enthalten sie eine solche Menge guter Einfälle und origineller Wendungen des Witzes, daß wir den Verfasser zu den liebens¬ würdigsten Schriftstellern seiner Art stellen möchten. Die Titel der einzelnen Stücke sind fast eben so viele Räthsel, die im Verlauf der Betrachtung in zierlichster und geistvollster Weise gelöst werden. So. wenn Dr. Mises den Beweis antritt, daß der Mond aus Jodine (wie man früher für Jod sagte) besteht. So die komische Abhandlung über Schutzmittel für die Cholera. So ferner die Reihenfolge allerliebster Einfälle und Schlüsse, die sich „Bergleichende Anatomie der Engel" nennt und zunächst von der Gestalt, dann von der Sprache der genannten übermenschlichen Wesen handelt, dann die wichtige Frage erörtert, ob die (als kugelförmig nachgewiesenen) Engel auch Beine haben, dann zeigt, daß sie lebendige Planeten sind und uns zuletzt mit ihren Sinnen bekannt macht. So endlich die vier Paradoxa: „Der Schatten ist lebendig" — „Der Raum hat vier Dimensionen" — „Es giebt Hexerei" — und: „Die Welt ist nicht durch ein ursprünglich schaffendes, sondern durch ein ursprünglich zerstörendes Princip entstanden." Höchst ergötzlich sind auch die Kapitel: „Panegyrikus der jetzigen Medicin", „Warum wird die Wurst schief angeschnitten?" und „Der Tanz". Endlich enthalten die Urtheile über ewige Bilder der zweiten Leipziger Kunstausstellung wahre Kabinetsstücke seiner Ironie. Die Lösung jener räthselartigen Kapitelüberschriften hier mitzutheilen, wäre unbillig. Die Leser mögen im Buche selbst nachsehen und sich überraschen lassen. Doch können wir uns nicht versagen, ihnen wenigstens an einem Beispiele zu zeigen, was sie zu erwarten haben. Es ist der Nach¬ weis, daß die Engel keine Beine haben. Sie sind, wie wir vorausschicken, Sonnenbewohner und, wie bereits bemerkt, von Kugelgestalt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/47>, abgerufen am 02.07.2024.