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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Beifall gewöhnt sind, vermissen sie diesmal gar nicht, sie wissen, daß
droben ein verständnißreiches Auge zu ihnen hinunterschaut, und daß der
in jener Loge, wenn auch nicht laut, gespendete Beifall in mancher Beziehung
viel erfolgreicher und gewichtiger ist, als der hundert Anderer, und so spielen
denn die Heldenjungfrau, der ritterliche Dunois, der schwache König, die
zärtliche Sorel, der finstere Talbot so wahr und warm, als sie nur können;
die Scene belebt sich von den Kämpfen der Franzosen und Engländer, der
Krönungszug wallt zur Cathedrale von Rheims. In vollster Naturwahrheit,
ragt der Dom, da er erst jüngst dem Hoftheatermaler Quaglio, der vom König,
welcher seinen letzten Geburtstag in der alten Krönungsstadt der franzö¬
sischen Herrscher gefeiert, nach Rheims gesandt worden, zum Modell dieser
prachtvollen Decoration hat dienen müssen ; Johanna stirbt unter ihrer Fahne
-- alles, wie es Schiller geschrieben, kein Vers fehlt, nichts wird weggelassen,
denn der König will, was er steht und hört, unverstümmelt, unverkürzt haben --
wenn auch dann solche Aufführungen lang dauern. Manchmal kommt's vor,
daß dieser Separatvorstellungen, wenn sie kleinere Stücke bringen, zwei, drei
hintereinander, und sogar an Einem Abend nach dem gewöhnlichen Theater in
beiden Häusern stattfinden und daß es zwei Uhr wird, bis die müden
Künstler heimgehen können. Allein es lohnt sich schon, solcher Extramühe
sich unterziehen zu müssen. Der königliche Diener erscheint und bringt den
Mitwirkenden Geschenke, so reich und kostbar, dabei aber auch so sinnig und
fein gewählt, wie es nur ein König thun kann. Da sind Uhren, Busen¬
nadeln von Gold und Diamanten, die reizendsten Fächer, extra in Paris be.
stellt und gemalt, die prächtigsten Schmuckgarnituren, sogar Spiegel, Schreib¬
tische und dergl. nach den Mustern von Versailles gearbeitet, eine jede Gabe
immer der Rolle des Beschenkten und dem Stücke, das an der Reihe war,
angemessen. Vielfach sind solche Königsstücke -- der Name ist schon geläufig
geworden -- der Zeit der französischen Ludwige entlehnt, für welche Zeit be¬
kanntlich der König eine eigenthümliche Vorliebe hat. Der Glanz derselben
kommt in diesen Schau- und Lustspielen zur Geltung, -- eines, in welchem die
naturgetreue Copie der Versailler Spiegelgalerie den blendenden Schauplatz
bildet, übertrifft an Pomp der Ausstattung alles -- aber der geistige Gehalt
derselben ist meist sehr gering und außer Verhältniß zu den Ansprüchen, die
der hoch- und feingebildete Fürst sonst macht. Aber auch diese Stücke an sich
sind ihrer Mehrzahl nach Reservatrecht dieser Extraaufführungen. Das große
Publikum bekommt sie meist nicht vor die Augen, hat aber auch, nach dem
oben Bemerkten, nicht viel daran verloren, es sei denn, daß auch des Publi-
kum gelüstete, etwas von dem Decorattonsschimmer zu sehen, von dem so viel
Geheimnißvolles, aber, wie wir gewiß sagen können, selten Uebertriebenes
erzählt wird. Jetzt war allerdings für einige Zeit dieses königliche special-


Beifall gewöhnt sind, vermissen sie diesmal gar nicht, sie wissen, daß
droben ein verständnißreiches Auge zu ihnen hinunterschaut, und daß der
in jener Loge, wenn auch nicht laut, gespendete Beifall in mancher Beziehung
viel erfolgreicher und gewichtiger ist, als der hundert Anderer, und so spielen
denn die Heldenjungfrau, der ritterliche Dunois, der schwache König, die
zärtliche Sorel, der finstere Talbot so wahr und warm, als sie nur können;
die Scene belebt sich von den Kämpfen der Franzosen und Engländer, der
Krönungszug wallt zur Cathedrale von Rheims. In vollster Naturwahrheit,
ragt der Dom, da er erst jüngst dem Hoftheatermaler Quaglio, der vom König,
welcher seinen letzten Geburtstag in der alten Krönungsstadt der franzö¬
sischen Herrscher gefeiert, nach Rheims gesandt worden, zum Modell dieser
prachtvollen Decoration hat dienen müssen ; Johanna stirbt unter ihrer Fahne
— alles, wie es Schiller geschrieben, kein Vers fehlt, nichts wird weggelassen,
denn der König will, was er steht und hört, unverstümmelt, unverkürzt haben —
wenn auch dann solche Aufführungen lang dauern. Manchmal kommt's vor,
daß dieser Separatvorstellungen, wenn sie kleinere Stücke bringen, zwei, drei
hintereinander, und sogar an Einem Abend nach dem gewöhnlichen Theater in
beiden Häusern stattfinden und daß es zwei Uhr wird, bis die müden
Künstler heimgehen können. Allein es lohnt sich schon, solcher Extramühe
sich unterziehen zu müssen. Der königliche Diener erscheint und bringt den
Mitwirkenden Geschenke, so reich und kostbar, dabei aber auch so sinnig und
fein gewählt, wie es nur ein König thun kann. Da sind Uhren, Busen¬
nadeln von Gold und Diamanten, die reizendsten Fächer, extra in Paris be.
stellt und gemalt, die prächtigsten Schmuckgarnituren, sogar Spiegel, Schreib¬
tische und dergl. nach den Mustern von Versailles gearbeitet, eine jede Gabe
immer der Rolle des Beschenkten und dem Stücke, das an der Reihe war,
angemessen. Vielfach sind solche Königsstücke — der Name ist schon geläufig
geworden — der Zeit der französischen Ludwige entlehnt, für welche Zeit be¬
kanntlich der König eine eigenthümliche Vorliebe hat. Der Glanz derselben
kommt in diesen Schau- und Lustspielen zur Geltung, — eines, in welchem die
naturgetreue Copie der Versailler Spiegelgalerie den blendenden Schauplatz
bildet, übertrifft an Pomp der Ausstattung alles — aber der geistige Gehalt
derselben ist meist sehr gering und außer Verhältniß zu den Ansprüchen, die
der hoch- und feingebildete Fürst sonst macht. Aber auch diese Stücke an sich
sind ihrer Mehrzahl nach Reservatrecht dieser Extraaufführungen. Das große
Publikum bekommt sie meist nicht vor die Augen, hat aber auch, nach dem
oben Bemerkten, nicht viel daran verloren, es sei denn, daß auch des Publi-
kum gelüstete, etwas von dem Decorattonsschimmer zu sehen, von dem so viel
Geheimnißvolles, aber, wie wir gewiß sagen können, selten Uebertriebenes
erzählt wird. Jetzt war allerdings für einige Zeit dieses königliche special-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/46>, abgerufen am 03.07.2024.