Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.Duncker-Bernstein-Klette oder Löb Sonnemann, sondern nach Arthur Schopen¬ Es bedarf wohl nicht erst der Versicherung, daß Herr Sander-Masons Duncker-Bernstein-Klette oder Löb Sonnemann, sondern nach Arthur Schopen¬ Es bedarf wohl nicht erst der Versicherung, daß Herr Sander-Masons <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135509"/> <p xml:id="ID_1392" prev="#ID_1391"> Duncker-Bernstein-Klette oder Löb Sonnemann, sondern nach Arthur Schopen¬<lb/> hauer. Es erlangt durch seine Ehrlichkeit einen Einfluß, der einfach unbegreiflich<lb/> ist in einer Gesellschaft, die von unten bis oben so grundverdorben ist. wie Herr<lb/> Sander-Masons die deutsche schildert. Alle Welt capricirt sich seltsamerweise<lb/> darauf, dieses Blatt zu bestechen: Plant, der Zeitungs- und Börsenkönig;<lb/> die Königin, die an der Börse speculirt, mit ihren weiblichen und männlichen,<lb/> weltlichen und geistlichen Helfershelfern — und alle diese Versuche scheitern an<lb/> der Ehrlichkeit Autor's. Dafür ist dieser Held aber auch selbst aufs tiefste durch¬<lb/> drungen von der Größe dieser unerhörten Leistung seiner Ehrlichkeit. Und der<lb/> Verfasser selbst ruft aus: „Nicht das Löwenfell und Die Keule macht den Heroen<lb/> den Halbgott aus. Jede Zeit hat ihre Helden und ihre großen Thaten. Die<lb/> Größe unsrer Zeit ist die Redlichkeit. Wer heutzutage ehrlich bleibt, der ist ein<lb/> Held." Diese Worte schreibt der Autor nicht etwa wieder aus Ironie, son¬<lb/> dern im vollsten Ernste. Sie sind gleichsam die Moral seiner vierbändigen<lb/> Geschichte. Eine neue That seines Helden Autor verzeichnet Herr Sander-Masons<lb/> nicht. Daß er ehrlich bleibt, ist etwas so ungeheures, daß Herr Sacher-<lb/> Masoch ihm das Zeugniß ausstellt: „Er steht Leonidas und seinen Spartanern<lb/> bei Thermopilä, Napoleon im Quarre der alten Garde bei Waterloo, Huß<lb/> auf dem Scheiterhaufen ebensowenig nach, wie Gracchus dem Volkstribun<lb/> und Benjamin Franklin." Das ist also die Wahrheit über Deutschland!<lb/> Vielleicht findet sich in Graz ein Privatdocent des Criminalrechts, welcher<lb/> Herrn Sander-Masons aus alter Collegialität einmal mit den Paragraphen<lb/> 241 und 263 des deutschen Strafgesetzbuchs bekannt macht und dem Galizier<lb/> die Wahrheit offenbart, welche bei uns im Reiche die Kinder längstens im<lb/> ersten Schuljahr avsolviren, daß Diebstahl und Betrug in Deutschland bestraft<lb/> werden. Vielleicht findet der Ruthene an der Mur, der uns in einem der<lb/> Kapitel seines Romans eine Statistik der unehelichen Geburten in Europa<lb/> vorträgt, einmal die Zeit, sich in die Statistik der Verbrechen zu versenken<lb/> und sich zu überzeugen, daß bis jetzt doch nur eine recht unbedeutende Minder¬<lb/> heit der Deutschen des Diebstahls und Betrugs überführt sind und viele<lb/> Millionen unbescholtener Menschen ihrer Freiheit sich freuen. Die haben nach<lb/> Herrn Sander-Masons sämmtlich das Anrecht, Halbgötter zu werden oder sich<lb/> neben „Napoleon im Quarre bei Waterloo" zu stellen. Vielleicht wird dann<lb/> Herr Sander-Masons auch erkennen, daß die gemischte Gesellschaft, welche seine<lb/> „Ideale unsrer Zeit" uns vorführen, in Deutschland eigentlich männiglich im<lb/> Zuchthaus sitzen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1393" next="#ID_1394"> Es bedarf wohl nicht erst der Versicherung, daß Herr Sander-Masons<lb/> auch von deutscher Königswürde Vorstellungen hegt, die einem ruthentschen<lb/> Casperle-Theater vielleicht Ehre machen würden. Ein deutscher Fuhrmann<lb/> ist in seinen gesellschaftlichen Gewohnheiten ein feiner Lebemann im Vergleich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Duncker-Bernstein-Klette oder Löb Sonnemann, sondern nach Arthur Schopen¬
hauer. Es erlangt durch seine Ehrlichkeit einen Einfluß, der einfach unbegreiflich
ist in einer Gesellschaft, die von unten bis oben so grundverdorben ist. wie Herr
Sander-Masons die deutsche schildert. Alle Welt capricirt sich seltsamerweise
darauf, dieses Blatt zu bestechen: Plant, der Zeitungs- und Börsenkönig;
die Königin, die an der Börse speculirt, mit ihren weiblichen und männlichen,
weltlichen und geistlichen Helfershelfern — und alle diese Versuche scheitern an
der Ehrlichkeit Autor's. Dafür ist dieser Held aber auch selbst aufs tiefste durch¬
drungen von der Größe dieser unerhörten Leistung seiner Ehrlichkeit. Und der
Verfasser selbst ruft aus: „Nicht das Löwenfell und Die Keule macht den Heroen
den Halbgott aus. Jede Zeit hat ihre Helden und ihre großen Thaten. Die
Größe unsrer Zeit ist die Redlichkeit. Wer heutzutage ehrlich bleibt, der ist ein
Held." Diese Worte schreibt der Autor nicht etwa wieder aus Ironie, son¬
dern im vollsten Ernste. Sie sind gleichsam die Moral seiner vierbändigen
Geschichte. Eine neue That seines Helden Autor verzeichnet Herr Sander-Masons
nicht. Daß er ehrlich bleibt, ist etwas so ungeheures, daß Herr Sacher-
Masoch ihm das Zeugniß ausstellt: „Er steht Leonidas und seinen Spartanern
bei Thermopilä, Napoleon im Quarre der alten Garde bei Waterloo, Huß
auf dem Scheiterhaufen ebensowenig nach, wie Gracchus dem Volkstribun
und Benjamin Franklin." Das ist also die Wahrheit über Deutschland!
Vielleicht findet sich in Graz ein Privatdocent des Criminalrechts, welcher
Herrn Sander-Masons aus alter Collegialität einmal mit den Paragraphen
241 und 263 des deutschen Strafgesetzbuchs bekannt macht und dem Galizier
die Wahrheit offenbart, welche bei uns im Reiche die Kinder längstens im
ersten Schuljahr avsolviren, daß Diebstahl und Betrug in Deutschland bestraft
werden. Vielleicht findet der Ruthene an der Mur, der uns in einem der
Kapitel seines Romans eine Statistik der unehelichen Geburten in Europa
vorträgt, einmal die Zeit, sich in die Statistik der Verbrechen zu versenken
und sich zu überzeugen, daß bis jetzt doch nur eine recht unbedeutende Minder¬
heit der Deutschen des Diebstahls und Betrugs überführt sind und viele
Millionen unbescholtener Menschen ihrer Freiheit sich freuen. Die haben nach
Herrn Sander-Masons sämmtlich das Anrecht, Halbgötter zu werden oder sich
neben „Napoleon im Quarre bei Waterloo" zu stellen. Vielleicht wird dann
Herr Sander-Masons auch erkennen, daß die gemischte Gesellschaft, welche seine
„Ideale unsrer Zeit" uns vorführen, in Deutschland eigentlich männiglich im
Zuchthaus sitzen würde.
Es bedarf wohl nicht erst der Versicherung, daß Herr Sander-Masons
auch von deutscher Königswürde Vorstellungen hegt, die einem ruthentschen
Casperle-Theater vielleicht Ehre machen würden. Ein deutscher Fuhrmann
ist in seinen gesellschaftlichen Gewohnheiten ein feiner Lebemann im Vergleich
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