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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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hinaus ins Freie, es ist nur ein Weg den uns Bieses noch bietet und dieser
führt uns hinauf auf die Festung.

Obwohl nur ein Platz "dritter Klasse", bleibt das kleine trotzige Felsen¬
nest -- doch in hohem Maße interessant. An prächtigen Bäumen vorbei geht
es steil in die Höhe, an Thor und Brücke rasseln eiserne Ketten, gewaltige
Felswand nach oben und jähe Tiefe nach unten -- überall ist jener kühle
Hauch, wie nur das harte Gestein ihn ausströmt. Jetzt sind wir durch die
Wachen hindurchgeschritten und stehen in dieser kleinen trotzigen Welt, die
abgeschlossen für sich und für die andern ist; eng, hart und finster nach
innen, aber weit und glänzend in ihrer Umschau auf das Land.

Fast der ganze Fels ist ausgehöhlt und durchbrochen, da liegen die
weiten Casematten, und durch die schmalen Fenster sieht man von oben
hinab aus das Lagerstroh, wo die Soldaten rasten. Von schauerlicher Tiefe
sind die finsteren Bronnen, das Auge kann dem Stein nicht folgen, den
man hinunterwirft und gespenstig pflanzt der düstere Schall sich fort, wenn
man hinabruft in den Abgrund. Das seufzt und stöhnt wie grollende
Geister! --

Dort liegt das Pulvermagazin; ein gewaltiger Blitzableiter führt an der
Mauer herab ins Wasser, -- und nur mit leisem Grauen geht man vorbei
an diesen Stätten schlummernder Kraft. Ein Funke und diese herkulischen
Mauern sind Staub.

Nicht weit davon sind ein paar stille prunklose Wohngebäude und die
kleine Kirche mit ihrem noch kleineren Thurm; aber das Alles sieht aus.
als stünde das Dasein der Menschen, die hier weilen,, auf einem Vulkan,
man fühlt die Härte dieses Lebens hindurch. Noch ist an einzelnen Stellen
die Mauer zerbröckelt von den Granaten, die hier eingeschlagen, als es den
Ringkampf zweier Völker galt, ein paar Gestalten im langen schwarzen Kleid
gehen gesenkten Blickes vorüber. Das sind Gefangene, die hier auf der
Festung büßen.

Doch all dies Empfinden schwindet, das diese trotzige Macht uns weckt,
sobald wir dann den Blick hinaus ins Weite senden, wo eine wunderbare
Landschaft uns grüßt. Bis an den Rand der Bastionen sind wir hervor¬
getreten, senkrecht geht es hinab in die Tiefe, -- uns schwindelt -- nun hat
das Auge Meilen weit seine freie Bahn.

Kaum eine halbe Stunde außerhalb Bieses beginnen schon undurchdring¬
liche Wälder, ihre grünen Wipfel wogen, tief eingeschnitten heben die Thäler
sich ab und in langgewundenen Linien steht man den großen Heerweg nach
Straßburg und Metz. Um die Stadt selbst herum liegen Wiesen und Weide¬
land, auf den Höhen gegenüber standen einst die feindlichen Geschütze, den
Horizont aber schließen blau und duftig die Vogesen.


hinaus ins Freie, es ist nur ein Weg den uns Bieses noch bietet und dieser
führt uns hinauf auf die Festung.

Obwohl nur ein Platz „dritter Klasse", bleibt das kleine trotzige Felsen¬
nest — doch in hohem Maße interessant. An prächtigen Bäumen vorbei geht
es steil in die Höhe, an Thor und Brücke rasseln eiserne Ketten, gewaltige
Felswand nach oben und jähe Tiefe nach unten — überall ist jener kühle
Hauch, wie nur das harte Gestein ihn ausströmt. Jetzt sind wir durch die
Wachen hindurchgeschritten und stehen in dieser kleinen trotzigen Welt, die
abgeschlossen für sich und für die andern ist; eng, hart und finster nach
innen, aber weit und glänzend in ihrer Umschau auf das Land.

Fast der ganze Fels ist ausgehöhlt und durchbrochen, da liegen die
weiten Casematten, und durch die schmalen Fenster sieht man von oben
hinab aus das Lagerstroh, wo die Soldaten rasten. Von schauerlicher Tiefe
sind die finsteren Bronnen, das Auge kann dem Stein nicht folgen, den
man hinunterwirft und gespenstig pflanzt der düstere Schall sich fort, wenn
man hinabruft in den Abgrund. Das seufzt und stöhnt wie grollende
Geister! —

Dort liegt das Pulvermagazin; ein gewaltiger Blitzableiter führt an der
Mauer herab ins Wasser, — und nur mit leisem Grauen geht man vorbei
an diesen Stätten schlummernder Kraft. Ein Funke und diese herkulischen
Mauern sind Staub.

Nicht weit davon sind ein paar stille prunklose Wohngebäude und die
kleine Kirche mit ihrem noch kleineren Thurm; aber das Alles sieht aus.
als stünde das Dasein der Menschen, die hier weilen,, auf einem Vulkan,
man fühlt die Härte dieses Lebens hindurch. Noch ist an einzelnen Stellen
die Mauer zerbröckelt von den Granaten, die hier eingeschlagen, als es den
Ringkampf zweier Völker galt, ein paar Gestalten im langen schwarzen Kleid
gehen gesenkten Blickes vorüber. Das sind Gefangene, die hier auf der
Festung büßen.

Doch all dies Empfinden schwindet, das diese trotzige Macht uns weckt,
sobald wir dann den Blick hinaus ins Weite senden, wo eine wunderbare
Landschaft uns grüßt. Bis an den Rand der Bastionen sind wir hervor¬
getreten, senkrecht geht es hinab in die Tiefe, — uns schwindelt — nun hat
das Auge Meilen weit seine freie Bahn.

Kaum eine halbe Stunde außerhalb Bieses beginnen schon undurchdring¬
liche Wälder, ihre grünen Wipfel wogen, tief eingeschnitten heben die Thäler
sich ab und in langgewundenen Linien steht man den großen Heerweg nach
Straßburg und Metz. Um die Stadt selbst herum liegen Wiesen und Weide¬
land, auf den Höhen gegenüber standen einst die feindlichen Geschütze, den
Horizont aber schließen blau und duftig die Vogesen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/396>, abgerufen am 02.10.2024.