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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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gegen einen Mann, dessen Thätigkeit jeder unparteiisch Urtheilende nur
anerkennen muß, der gerade zu denen gehört, die wie jener Correspondent
sagt "die Interessen des Landes auf dem neugeschaffenen Rechtsboden zu ver¬
theidigen" suchen und er hat dies mit Energie und Muth gethan und thut
es noch. Es ist dies Prof. or. Heitz, Professor der classischen Philologie an
der Universität Straßburg, dem die Leipziger Hochschule den Doetortitel
lionorls causa, auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeiten verliehen hat.

Die Sache nun, die diesen wohlorganisirten Angriff erst populär und somit
möglich machte, betrifft das protestantische Gymnasium, eine wesentlich von
Elsässtrn besuchte Anstalt, an deren Spitze ein elsässischer Director und seit
1873 ein deutscher Conrector steht. Sie ist abhängig von dem Se. Thomas¬
stift, einem Kollegium von Professoren der Theologie, also abhängig von
Eisässern. Ein von dem Stift aus seiner Mitte erwählter Referent bildet
das Bindeglied zwischen demselben und der Direction der Anstalt. Wie nun
die Elsässer überhaupt sehr conservativ sind und noch alte Gebräuche und
Gewohnheiten erhalten haben, die bei uns auf dem rechten Ufer des Rheines
längst geschwunden sind, so hängt jeder Straßburger mit besonderer Liebe an
dieser Anstalt, die ja einst in der deutschen Zeit von dem bekannten Sturm
gegründet war. Das hindert nicht, daß specifisch elsässische Einrichtungen,
wie Eingeweihte versichern, an derselben absolut nicht existirten, sie war viel¬
mehr nach dem Muster französischer Lyceen eingerichtet und bewahrte diesen
gegenüber nur seinen confessionell protestantischen Charakter und seine eigene
Leitung. Beides ist allerdings allen Angriffen der französischen Regierung
zum Trotz behauptet worden und sicherte der Anstalt in erhöhtem Grade die
fortdauernden Sympathieen der Bevölkerung. Nach dem Kriege ward indeß
die Anstalt unter ihrer selbständigen Leitung durchaus der Hort des Fran-
zosenthums; ganz gegen die Traditionen, auf die man mit solcher Vorliebe
pocht, wurden Katholiken aufgenommen, gegen die Traditionen blieb der
Unterricht im Deutschen auf wenige Stunden beschränkt, während dasselbe
noch bis zum Jahre 1838 sich an dieser Anstalt als Unterrichtssprache gehalten
hatte. Erst das Jahr 1872 brachte Handlung in die Verhältnisse, man konnte
ohne die Berechtigung, Zeugnisse der Reife zum einjährigen Dienst, zur Ent¬
lassung der Abiturienten auszustellen, nicht mehr auskommen. Damit gab
man der Regierung Veranlassung einzuschreiten: sie erlangte nothwendig das
Recht der Beaufsichtigung, maßgebenden Einfluß auf Anstellung der Lehrer.
Dies veranlaßte denn eine Anzahl alter elsässischer Lehrer abzugehen, doch sie
gingen freiwillig, von niemand gezwungen. Da es aber fast gänzlich an
Elsässern fehlt, die man an ihre Stelle setzen konnte, so mußte man haupt¬
sächlich Deutsche holen, von denen die ersten im Herbst 1872 angestellt wurden.

Eine weitere Aenderung trat mit dem ersten Januar dieses Jahres ein,


gegen einen Mann, dessen Thätigkeit jeder unparteiisch Urtheilende nur
anerkennen muß, der gerade zu denen gehört, die wie jener Correspondent
sagt „die Interessen des Landes auf dem neugeschaffenen Rechtsboden zu ver¬
theidigen" suchen und er hat dies mit Energie und Muth gethan und thut
es noch. Es ist dies Prof. or. Heitz, Professor der classischen Philologie an
der Universität Straßburg, dem die Leipziger Hochschule den Doetortitel
lionorls causa, auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeiten verliehen hat.

Die Sache nun, die diesen wohlorganisirten Angriff erst populär und somit
möglich machte, betrifft das protestantische Gymnasium, eine wesentlich von
Elsässtrn besuchte Anstalt, an deren Spitze ein elsässischer Director und seit
1873 ein deutscher Conrector steht. Sie ist abhängig von dem Se. Thomas¬
stift, einem Kollegium von Professoren der Theologie, also abhängig von
Eisässern. Ein von dem Stift aus seiner Mitte erwählter Referent bildet
das Bindeglied zwischen demselben und der Direction der Anstalt. Wie nun
die Elsässer überhaupt sehr conservativ sind und noch alte Gebräuche und
Gewohnheiten erhalten haben, die bei uns auf dem rechten Ufer des Rheines
längst geschwunden sind, so hängt jeder Straßburger mit besonderer Liebe an
dieser Anstalt, die ja einst in der deutschen Zeit von dem bekannten Sturm
gegründet war. Das hindert nicht, daß specifisch elsässische Einrichtungen,
wie Eingeweihte versichern, an derselben absolut nicht existirten, sie war viel¬
mehr nach dem Muster französischer Lyceen eingerichtet und bewahrte diesen
gegenüber nur seinen confessionell protestantischen Charakter und seine eigene
Leitung. Beides ist allerdings allen Angriffen der französischen Regierung
zum Trotz behauptet worden und sicherte der Anstalt in erhöhtem Grade die
fortdauernden Sympathieen der Bevölkerung. Nach dem Kriege ward indeß
die Anstalt unter ihrer selbständigen Leitung durchaus der Hort des Fran-
zosenthums; ganz gegen die Traditionen, auf die man mit solcher Vorliebe
pocht, wurden Katholiken aufgenommen, gegen die Traditionen blieb der
Unterricht im Deutschen auf wenige Stunden beschränkt, während dasselbe
noch bis zum Jahre 1838 sich an dieser Anstalt als Unterrichtssprache gehalten
hatte. Erst das Jahr 1872 brachte Handlung in die Verhältnisse, man konnte
ohne die Berechtigung, Zeugnisse der Reife zum einjährigen Dienst, zur Ent¬
lassung der Abiturienten auszustellen, nicht mehr auskommen. Damit gab
man der Regierung Veranlassung einzuschreiten: sie erlangte nothwendig das
Recht der Beaufsichtigung, maßgebenden Einfluß auf Anstellung der Lehrer.
Dies veranlaßte denn eine Anzahl alter elsässischer Lehrer abzugehen, doch sie
gingen freiwillig, von niemand gezwungen. Da es aber fast gänzlich an
Elsässern fehlt, die man an ihre Stelle setzen konnte, so mußte man haupt¬
sächlich Deutsche holen, von denen die ersten im Herbst 1872 angestellt wurden.

Eine weitere Aenderung trat mit dem ersten Januar dieses Jahres ein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/38>, abgerufen am 26.09.2024.