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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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und Sargans vorzugehen. Er wählte aber die dritte Straße, welche von
Bellinzona über den Se. Gotthardt an die obere Reuß führt. Auf diesem
Wege mußten freilich die Russen den Feind vom Se. Gotthardt vertreiben
und sich durch fortlaufende DesMn den Weg bahnen. Der Hauptübelstand
lag jedoch darin, daß diese Straße bei Altdorf ein Ende hatte und die weitere
Communication für größere Truppenkörper nur per Schiff über den Vier-
Waldstädter See möglich war. Außerdem konnten auf derselben nur geringe
Borräthe und Feldartillerie gar nicht mitgeführt werden. Unbegreiflicher
Weise war Suworow aus den ersteren Punkt durch die zahlreichen General-
stabsosficiere aller Chargen nicht aufmerksam gemacht worden. Die Russen
Weisen die Schuld den östreichischen Generalstabsoffieieren zu, welche dem Stäbe
Suworow's beigegeben waren, weil man doch von ihnen und auch wohl mit
Necht eine Kenntniß des Landes vorauszusetzen berechtigt war. Er selbst er¬
strebte nur eins: die schnellste Vereinigung mit Korsakow, um dem Feinde
sofort einen entscheidenden Schlag beizubringen. Die Straße über den
Se. Gotthardt schien ihm hierzu der direct kürzeste Weg. Der Feldmarschall
Persönlich ist festen Glaubens gewesen, daß am rechten Ufer des Vierwaldstädter
Sees eine Straße nach Schwyz führe. Seine Disposition läßt keinen Zweifel
varüber. --

Der allgemeine Feldzugsplan ging, nachdem der Erzherzog abmarschirt
war, dahin: Während die russischen Truppen aus Italien über den Se.
Gotthardt in das Reußthal eindringen, sollten Jellachich, Holze und Linken
die Franzosen von der Linth zurückdrängen und Korsakow über die Linimath
Massen" entgegen gehen. Massen" von allen Seiten angegriffen, und durch
die Bewegungen Suworow's im Rücken bedroht, sollte dann gezwungen
werden, seine starke Position aufzugeben. Dieser Feldzugsplan war jeden¬
falls nur unter den günstigsten Verhältnissen glücklich zur Ausführung zu
bringen. Die projectirte Bewegung war eine concentrische, das Centrum
hatte jedoch Massen" in Händen. Die einzelnen Abtheilungen der Ver¬
bündeten, über 30 Meilen auseinandergezogen, waren durch theilweise unüber-
steigliche Hindernisse vorläufig von einander getrennt und sollten allmälig
bie Verbindung und die Concentration herstellen. Das numerische Ueber¬
sicht besaß Massen"; seine Truppen waren im Gebirgskriege sehr geübt
"ut mit dem Terrain bekannt, mit Leichtigkeit konnte er sich auf die in Be¬
legung gesetzten Colonnen werfen, ihre Vereinigung verhindern und sie
einzeln schlagen.*) --



*) Die für den Einmarsch in die Schweiz designirter russischen Truppen hatten folgende
^intheilung: ^. Corps des General Derselben 10,000 Mann Avantgarde. Fürst Vagration.
25<W Mann. l. Division. General Schweikowsku, 4400 Mann. 2. Diviston. General
Erster. 3100 Mann. -- L. Corps des General Rosenberg 6000 Mann. Außerdem war jedem
Grenzboten I. 1876. 47

und Sargans vorzugehen. Er wählte aber die dritte Straße, welche von
Bellinzona über den Se. Gotthardt an die obere Reuß führt. Auf diesem
Wege mußten freilich die Russen den Feind vom Se. Gotthardt vertreiben
und sich durch fortlaufende DesMn den Weg bahnen. Der Hauptübelstand
lag jedoch darin, daß diese Straße bei Altdorf ein Ende hatte und die weitere
Communication für größere Truppenkörper nur per Schiff über den Vier-
Waldstädter See möglich war. Außerdem konnten auf derselben nur geringe
Borräthe und Feldartillerie gar nicht mitgeführt werden. Unbegreiflicher
Weise war Suworow aus den ersteren Punkt durch die zahlreichen General-
stabsosficiere aller Chargen nicht aufmerksam gemacht worden. Die Russen
Weisen die Schuld den östreichischen Generalstabsoffieieren zu, welche dem Stäbe
Suworow's beigegeben waren, weil man doch von ihnen und auch wohl mit
Necht eine Kenntniß des Landes vorauszusetzen berechtigt war. Er selbst er¬
strebte nur eins: die schnellste Vereinigung mit Korsakow, um dem Feinde
sofort einen entscheidenden Schlag beizubringen. Die Straße über den
Se. Gotthardt schien ihm hierzu der direct kürzeste Weg. Der Feldmarschall
Persönlich ist festen Glaubens gewesen, daß am rechten Ufer des Vierwaldstädter
Sees eine Straße nach Schwyz führe. Seine Disposition läßt keinen Zweifel
varüber. —

Der allgemeine Feldzugsplan ging, nachdem der Erzherzog abmarschirt
war, dahin: Während die russischen Truppen aus Italien über den Se.
Gotthardt in das Reußthal eindringen, sollten Jellachich, Holze und Linken
die Franzosen von der Linth zurückdrängen und Korsakow über die Linimath
Massen« entgegen gehen. Massen« von allen Seiten angegriffen, und durch
die Bewegungen Suworow's im Rücken bedroht, sollte dann gezwungen
werden, seine starke Position aufzugeben. Dieser Feldzugsplan war jeden¬
falls nur unter den günstigsten Verhältnissen glücklich zur Ausführung zu
bringen. Die projectirte Bewegung war eine concentrische, das Centrum
hatte jedoch Massen« in Händen. Die einzelnen Abtheilungen der Ver¬
bündeten, über 30 Meilen auseinandergezogen, waren durch theilweise unüber-
steigliche Hindernisse vorläufig von einander getrennt und sollten allmälig
bie Verbindung und die Concentration herstellen. Das numerische Ueber¬
sicht besaß Massen«; seine Truppen waren im Gebirgskriege sehr geübt
»ut mit dem Terrain bekannt, mit Leichtigkeit konnte er sich auf die in Be¬
legung gesetzten Colonnen werfen, ihre Vereinigung verhindern und sie
einzeln schlagen.*) —



*) Die für den Einmarsch in die Schweiz designirter russischen Truppen hatten folgende
^intheilung: ^. Corps des General Derselben 10,000 Mann Avantgarde. Fürst Vagration.
25<W Mann. l. Division. General Schweikowsku, 4400 Mann. 2. Diviston. General
Erster. 3100 Mann. — L. Corps des General Rosenberg 6000 Mann. Außerdem war jedem
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[0377] und Sargans vorzugehen. Er wählte aber die dritte Straße, welche von Bellinzona über den Se. Gotthardt an die obere Reuß führt. Auf diesem Wege mußten freilich die Russen den Feind vom Se. Gotthardt vertreiben und sich durch fortlaufende DesMn den Weg bahnen. Der Hauptübelstand lag jedoch darin, daß diese Straße bei Altdorf ein Ende hatte und die weitere Communication für größere Truppenkörper nur per Schiff über den Vier- Waldstädter See möglich war. Außerdem konnten auf derselben nur geringe Borräthe und Feldartillerie gar nicht mitgeführt werden. Unbegreiflicher Weise war Suworow aus den ersteren Punkt durch die zahlreichen General- stabsosficiere aller Chargen nicht aufmerksam gemacht worden. Die Russen Weisen die Schuld den östreichischen Generalstabsoffieieren zu, welche dem Stäbe Suworow's beigegeben waren, weil man doch von ihnen und auch wohl mit Necht eine Kenntniß des Landes vorauszusetzen berechtigt war. Er selbst er¬ strebte nur eins: die schnellste Vereinigung mit Korsakow, um dem Feinde sofort einen entscheidenden Schlag beizubringen. Die Straße über den Se. Gotthardt schien ihm hierzu der direct kürzeste Weg. Der Feldmarschall Persönlich ist festen Glaubens gewesen, daß am rechten Ufer des Vierwaldstädter Sees eine Straße nach Schwyz führe. Seine Disposition läßt keinen Zweifel varüber. — Der allgemeine Feldzugsplan ging, nachdem der Erzherzog abmarschirt war, dahin: Während die russischen Truppen aus Italien über den Se. Gotthardt in das Reußthal eindringen, sollten Jellachich, Holze und Linken die Franzosen von der Linth zurückdrängen und Korsakow über die Linimath Massen« entgegen gehen. Massen« von allen Seiten angegriffen, und durch die Bewegungen Suworow's im Rücken bedroht, sollte dann gezwungen werden, seine starke Position aufzugeben. Dieser Feldzugsplan war jeden¬ falls nur unter den günstigsten Verhältnissen glücklich zur Ausführung zu bringen. Die projectirte Bewegung war eine concentrische, das Centrum hatte jedoch Massen« in Händen. Die einzelnen Abtheilungen der Ver¬ bündeten, über 30 Meilen auseinandergezogen, waren durch theilweise unüber- steigliche Hindernisse vorläufig von einander getrennt und sollten allmälig bie Verbindung und die Concentration herstellen. Das numerische Ueber¬ sicht besaß Massen«; seine Truppen waren im Gebirgskriege sehr geübt »ut mit dem Terrain bekannt, mit Leichtigkeit konnte er sich auf die in Be¬ legung gesetzten Colonnen werfen, ihre Vereinigung verhindern und sie einzeln schlagen.*) — *) Die für den Einmarsch in die Schweiz designirter russischen Truppen hatten folgende ^intheilung: ^. Corps des General Derselben 10,000 Mann Avantgarde. Fürst Vagration. 25<W Mann. l. Division. General Schweikowsku, 4400 Mann. 2. Diviston. General Erster. 3100 Mann. — L. Corps des General Rosenberg 6000 Mann. Außerdem war jedem Grenzboten I. 1876. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/377>, abgerufen am 19.10.2024.